Sicherer Rauschmittelkonsum: Hessen will Drogentests ermöglichen

Das Bundesinstitut für Arzneimittel blockiert bisher jeden Versuch für Drugchecking-Projekte. Hessen will seinen Versuch nun gerichtlich durchsetzen.

Ein Mann in weißem Kittel und mit blauen Schutzhandschuhen füllt mit einer Pipette ein Probenröhrchen, Detailaufnahme

Sorgt für sichereren Rausch: Drugchecking im Labor Foto: Christian Jungeblodt

FRANKFURT A. M. taz | In den Niederlanden verbreitete sich 2014 das Bild einer pinken Supermann-Pille, versehen mit einer Warnung. „Bitte nimm nicht diese Pille“, hieß es dort: nicht etwa in privaten Chatgruppen, geteilt von Freund zu Freundin, sondern zur besten Sendezeit im TV, im Radio und im Internet.

Möglich machte es das niederländische Drugchecking, wo Konsumierende ihre Pillen und Pulver auf gefährliche Beimischungen oder zu hohe Substanzdosierungen testen lassen können. Finden diese Labore gefährliche Substanzen, schlagen die Behörden dann Alarm – wie im Fall der Supermann-Pille, wo das wahrscheinlich mehreren Menschen das Leben rettete. In England, wo es kein solches Drugchecking gibt, starben mehrere Personen an der gleichen Pillencharge.

In Deutschland ist das Testen von illegalen Drogen auf mögliche Gefährlichkeit derzeit nicht möglich. Doch das könnte sich vielleicht ändern: Das schwarz-grün regierte Bundesland Hessen will gerichtlich erreichen, dass es einen wissenschaftlich begleiteten Modellversuch durchführen kann. In festen Büros und mobil, etwa bei Partys, sollen Konsumierende nach Vorstellung des grünen Gesundheitsministeriums ihre Drogen prüfen lassen können, um so gesundheitliche Schäden zu minimieren, teilt eine Sprecherin der taz auf Anfrage mit. Auch Berlin plant Drugchecking-Projekte.

Nur: Um das zu erreichen, hat das Land Hessen einen mächtigen Gegner. Als erstes Bundesland lässt sich Hessen nun auf einen Rechtsstreit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein. Denn das Institut hat den Antrag der von der Landesregierung mit der Studie beauftragten Hochschule Koblenz für den Modellversuch abgelehnt – genau wie bisher jeden anderen Vorstoß zum Thema. Kriti­ker*innen gilt das Institut mittlerweile nicht mehr als Genehmigungsbehörde, sondern als „Bastion der Repression“.

Unklare Rechtslage

Die Position des BfArM: Es geht davon aus, dass nur Apotheken die gesetzliche Erlaubnis haben, illegale Substanzen zu testen. Dabei könnte das Institut auch Sondererlaubnisse erteilen, beispielsweise wenn dies im öffentlichen Interesse ist. Durch eine Sondererlaubnis würde das Land Hessen zudem ein mögliches weiteres Problem umgehen: dass sich die Labore wegen „unerlaubten Besitzes“ von Konsummitteln strafbar machen. Auch das wenden manche Skeptiker gegen ein solches Projekt ein.

Allerdings: „Die Rechtslage ist bei dem Thema sehr unklar“, sagt Cornelius Nestler der taz. Der Strafrechtsprofessor der Universität Köln hat ein Rechtsgutachten zu Drugchecking verfasst. Für ihn sprechen gleich mehrere Punkte für die Legalität des Drugcheckings, es gehe auch um Forschungsfreiheit: „Wenn das BfArM nicht einmal Forschungsprojekte zu dem Thema genehmigt, kommt das einem Forschungsverbot gleich.“ Paragraf 3 des Betäubungsmittelgesetzes erlaube explizit Ausnahmegenehmigungen „zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken“. Gesundheitlichen Schaden von Nutzenden abzuhalten könnte zudem ein öffentliches Interesse begründen.

Zudem hat Nestler generelle Zweifel daran, ob sich Drugchecking-Labore überhaupt strafbar wegen des Besitzes von Drogen machen können. „Sie vernichten die Drogen direkt durch den Test“, erklärt der Jurist. „Konsumierende reichen beispielsweise eine viertel Pille für den Test ein, diese wird durch das Testverfahren zerstört.“

Heino Stöver, Suchtforscher der Hochschule Frankfurt, betont im Gespräch mit der taz den Nutzen des Drugcheckings: „In Ländern, in denen sich das Drugchecking etabliert ist, hat die Forschung keinen Anstieg des Konsums beobachtet. Es ist stattdessen ein Weg, gesundheitlichen Schäden vorzubeugen bei Personen, die so und so konsumierten.“ Die Test hätten zudem den Vorteil, dass dadurch auch Kontakt zu den Konsumierenden zustande kommen könnte. „Die meisten Programme richten sich an Schwerstabhängige und nicht Gelegenheitskonsumierende“, an die könne man nun rankommen.

Nun muss das Verwaltungsgericht Köln entscheiden. Ein Termin für die mündliche Verhandlung steht noch nicht fest.

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