Shutdown in Berlin: Jetzt wird's ernst
Kneipen, Kinos, Fitnessstudios – der Senat schließt jetzt mit sofortiger Wirkung fast alle Treffpunkte von Menschen. Strenge Besuchsregeln für Kranke.
Der Senat dreht den Regler des öffentlichen Lebens noch weiter und noch schneller herunter: Am Samstagnachmittag wurde eine Rechtsverordnung öffentlich gemacht, die mit sofortiger Wirkung alle „öffentlichen und nichtöffentlichen Veranstaltungen ab 50 Teilnehmern“ untersagt. Damit hat das staatlich auferlegte social distancing nun selbst den Bereich privater Geburtstagsfeiern erreicht.
Wie die Senatskanzlei mitteilte, muss bei Veranstaltungen mit weniger als 50 Personen eine Anwesenheitsliste geführt werden, auf der Name, Adresse und Telefonnummer aller Teilnehmenden festgehalten werden. Diese Liste muss mindestens vier Wochen aufbewahrt und auf Verlangen dem Gesundheitsamt ausgehändigt werden.
Damit nicht genug: Die „Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Berlin“ (kurz: SARS-CoV-2-EindV) verfügt die ebenfalls sofortige Schließung von Kneipen und Bars, Kinos, Clubs, Theatern, Konzertsälen und Ausstellungen, aber auch von Spielhallen, Wettannahmestellen und „Prostitutionsstätten“.
Einzige Ausnahmen von diesem fast vollständigen Shutdown: „Restaurants und Gaststätten“, also Orte, in denen „vor Ort zubereitete Speisen verabreicht werden“. Auch hier gelten jedoch Einschränkungen: Die Lokale dürfen nur öffnen, wenn die Tische mindestens 1,5 Meter Abstand voneinander haben.
Weiterhin untersagt ist ab sofort der Sportbetrieb auf allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, in Schwimmbädern und Fitnessstudios.
Eigentlich hatte der Senat nach seiner Krisensitzung am Freitag verkündet, dass Kneipen und andere Vergnügungsstätten ab Dienstag geschlossen bleiben müssen. Angesichts der dynamischen Entwicklung der deutschland- und weltweiten Anti-Corona-Maßnahmen erschien das der Landesregierung nun offenbar zu langsam – auch angesichts der Kritik, eine Ankündigung mit derartigem Timing provoziere geradezu einen letzten Ansturm auf Bars und Clubs am Wochenende.
Für viele Menschen weitaus schwerer zu verschmerzen als eine geschlossenen Kneipe sind die restriktiven Besuchsregelungen, die mit sofortiger Wirkung für Krankenhäuser und Hospize gelten: PatientInnen dürfen grundsätzlich keinen Besuch mehr empfangen. Ausnahmen gibt es nur für Kinder unter 16 Jahren und Schwerstkranke – sie dürfen einmal am Tag für eine Stunde von einer Person besucht werden, allerdings nicht von Menschen mit Atemwegsinfektionen.
Dieselbe Ausnahmeregelung gilt für Menschen, die in Pflegeheimen leben. Alle diese äußerst weitreichenden Einschränkungen kann der Senat auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes treffen. Sie gelten vorerst bis einschließlich 19. April.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte am Freitagabend, die neuen und verschärften Maßnahmen würden jeden in seinem Alltag „massiv beeinträchtigen“. Sie seien aber dringend nötig, um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. „Wir alle sind nun gefragt, jeder Einzelne von uns“, so Müller. Er forderte die BerlinerInnen dazu auf „in diesen kommenden Wochen oder auch Monaten solidarisch miteinander“ zu sein, „uns gegenseitig unterstützen, helfen, wo Hilfe benötigt wird“.
In einer ersten Version dieses Artikels hatte es geheißen, die Schließung der Schulen finde nun doch generell am Montag und nicht, wie am Freitag angekündigt, innerhalb von zwei Tagen statt. Diese Information war falsch und beruhte auf einem Missverständnis, wir bitten das zu entschuldigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern