Shoppen in der Freizeit: Ich ertrage Einkaufszentren nicht

Unsere Autorin geht nicht gerne einkaufen. Malls erinnern sie an den Konsumrausch derer, die damit ihre Existenzängste verdrängen.

Blick auf Rolltreppen mit vielen Menschen in einem Einkaufszentrum

Konsumtempel aka Einkaufszentrum Foto: pepipepper/imago

Ich hasse „shoppen“. Ich hasse den Begriff und vor allem hasse ich die tatsächliche Ausführung. Es ist für mich nicht mehr vorstellbar, in ein Shoppingzentrum zu gehen und einzukaufen. Das kalte Licht, die schlechte Luft, die statisch aufgeladene Kleidung und der Staub überall. Die überwältigenden Eindrücke durch die vielen Menschen und die Konsumationsangebote – allein der Gedanke daran überfordert mich. Es ist so schlimm, dass ich letztens nach fünf Minuten, in denen ich mir eigentlich nur eine Waffel holen wollte, sofort rausmusste.

Nein, das wird jetzt keine instagrammable Konsumkritik. Shoppingzentren waren meine gesamte Kindheit und Jugend über der einzige Ort unserer „Freizeitgestaltung“ als Familie. Meine Eltern, meine Schwester und ich machten keine Ausflüge ins Grüne, wir gingen nicht auf Ausstellungen oder in Museen, in den Tiergarten oder in Freizeitparks – jeden Samstag verbrachten wir in dem einen Shoppingzentrum in unserer Nähe, jeder Samstag schaute gleich aus.

Meine Mutter kam mittags von der Arbeit, sie trank einen bosnischen Kaffee, um runterzukommen, dann fuhren wir los. Wir Frauen gingen in Kleidungsgeschäfte, freuten uns über Schnäppchen – was mein Vater in der Zeit machte, weiß ich gar nicht so genau. Wir trafen ihn später zum Kaffee. Manchmal kaufte mein Vater etwas im Elektrofachgeschäft, immer auf Ratenzahlung, sogar die kleinsten Anschaffungen auf Raten. Ich dachte damals, das macht jeder so. Um sechs, als die Geschäfte schließen mussten, holten wir uns manchmal einen Döner oder was von McDonald’s – dann fuhren wir nach Hause.

Als ich auszog, führten meine Eltern die Tradition alleine weiter. Heute noch ist Konsum ihre Definition von Freizeitgestaltung. Ich gehe mittlerweile am Wochenende in irgendwelche Hipster-Cafés, die alle gleich aussehen, brunchen oder gelegentlich auch raus ins Grüne wandern. Dabei frage ich mich oft, woher die anderen ihre geheimen Ausflugstipps haben? Ich muss immer zwei Stunden online recherchieren, welche Ausflüge man unternehmen kann. Ach so, da waren sie schon immer mit ihrer Familie – ist klar.

Ich bin am Wochenende oft auch einfach nur zu Hause, lese, schaue Squid Game (wie ironisch) – alles, bloß nicht shoppen. Ich denke, meine Eltern haben das Gefühl, dass das der einzige vermeintliche Luxus ist, den sie sich als geflüchtete Menschen hier in Österreich erarbeitet haben. Es geht ihnen gar nicht darum, etwas zu kaufen, meist gehen sie mit leeren Händen nach Hause – aber sie haben das Gefühl, die Wahl zu haben.

Ich kann mir in meiner Freizeit Texte über Konsumkritik durchlesen und Serien darüber schauen, ich verdiene mittlerweile mehr als meine beiden Eltern zusammen (nein, ich verdiene nicht so viel, sie bloß eher wenig), ich habe keine realistischen Existenzängste, die ich durch Konsum verdrängen muss. Das ist unglaublich ungerecht und daran erinnern mich Shoppingzentren jedes Mal.

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Autorin "Generation haram", Journalistin, ehemalige Lehrerin, lebt in Wien

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