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Serdar Somuncu über Politik und Satire„Die reden über Mütter oder Ikea“

Der Kabarettist Serdar Somuncu ist zur Bundestagswahl „Kançlerkandidat“ der Satirepartei „Die Partei“. Er will die Homoehepflicht für alle – und kritisiert seine Zunft.

Will nach ganz oben: Serdar Somuncu Foto: dpa
Jörg Wimalasena
Interview von Jörg Wimalasena

taz: Herr Somuncu, Sie gehen als Kabarettist in die Politik und sind „Kançlerkandidat“ der PARTEI. Was ist daran denn witzig?

Serdar Somuncu: Ich wäre der erste türkische Kanzler in Deutschland, das wäre schon sehr witzig. Zumal es mal eine Zeit gab, in der das Thema deutsch-türkische Beziehungen eine gewisse Brisanz hatte. Für manche Menschen bin ich deswegen eine Reizfigur. Und diese Reibungspunkte mit der PARTEI zu verbinden, die für einige Menschen auch eher seltsam ist – das ist eine gute Idee. Die Chancen stehen gut. Ich bin Direktkandidat in Berlin. Es ist nicht unrealistisch, dass wir dort viele Stimmen holen.

Nimmt die PARTEI damit nicht ernsthaften Konkurrenten die Stimmen weg?

Wir machen ironische Politik mit ernsthaften Absichten. Andere Parteien tarnen sich mit Ernsthaftigkeit, agieren aber oft am Rande der Ironie. Ich glaube nicht, dass wir anderen Parteien Stimmen wegnehmen. Vielmehr denke ich, dass wir junge Menschen animieren können, zur Wahl zu gehen. Es geht auch nicht nur um Albernheit und Spaß, sondern auch um das Anliegen, Missstände mit Mitteln der Satire entlarven zu wollen. Unser Parteivorsitzender Martin Sonneborn hat zum Beispiel vor Kurzem eine bemerkenswerte Rede im Europaparlament gegen Apples Steuergebaren in Irland gehalten. Das traut sich nicht jeder.

Ein Mandat im Europaparlament. Reden zur Steuerpolitik. Ist da die Grenze zur normalen Politik nicht überschritten?

Sonneborn macht sicher keine schlechtere Politik als andere Parlamentarier. Im Gegenteil: Er erreicht mit seinen Videos Hunderttausende Menschen und macht auf viele sinnlose Dinge aufmerksam, die im Europäischen Parlament stattfinden. Und das ist effektiver als das, was so mancher Hinterbänkler macht, ohne dass wir was davon mitbekommen.

Aber er stellt sich ja nicht wirklich dem politischen Diskurs, weil er sich hinter der Ironie versteckt.

Klar stellt er sich dem Diskurs. Es gibt ein durchaus ernsthaftes Wahlprogramm und die PARTEI hat sich auch inhaltlich entwickelt. Bei ihrer Gründung 2004 war sie vielleicht noch eine reine Satirepartei. Ihre Forderungen, wie zum Beispiel nach dem Wiederaufbau der Mauer, haben das unterstrichen. Mittlerweile hat aber die Realität die Idee einer Spaßpartei eingeholt. Wir werden nach unserer Machtübernahme die verpflichtende Homoehe für alle einführen und gleichzeitig die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zur EU sofort absetzen. Viele, die jetzt noch über uns spotten, werden sich schon bald wundern.

Im Interview: Serdar Somuncu

Der Kabarettist: Serdar Somun­cu, 49 Jahre, geboren in Istanbul, wurde bekannt mit szenischen Lesungen von Hitlers „Mein Kampf“. Auf n-tv hat er die Sendung „So! Muncu!“, bei Radio Eins „Die Blaue Stunde“. Als Kommentator tritt er bei der ZDF-Satiresendung „heute-show“ auf.

„Die PARTEI“: Die Satirepartei, geführt von dem Ex-Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn, hat Somuncu als Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl nominiert. Somuncu tritt an mit dem Slogan „Mehr Glatze als Schulz, mehr Hitler als Erdoğan“. Er ist auch Direktkandidat der Partei im Berliner Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg. Bei der letzten ­Bundestagswahl kam die „Partei“ auf 0,2 Prozent der Stimmen. Sie hält ein Mandat im Europaparlament, besetzt von Sonneborn. (taz)

Der Schriftsteller Heinz Strunk und die Rapper von KIZ sind auch schon für die PARTEI angetreten. Ansonsten ist nur Sonneborn der breiteren Öffentlichkeit bekannt. Ist die PARTEI eine One-Man-Show mit gelegentlichen prominenten Maskottchen?

Nein, da ist Lindners FDP mehr One-Man-Show als die PARTEI. Es ist gut, eine charismatische Persönlichkeit wie Martin Sonneborn zu haben, die auch jenseits der Mikrokosmen bekannt ist, in denen man sich sonst bewegt. Darüber hinaus aber hat die PARTEI eine gewachsene Struktur mit Orts- und Landesverbänden – das ist also nicht nur Sonneborn. Es passt besser zu uns Künstlern, in einem solchen Rahmen Politik zu machen, als wenn wir jetzt einer etablierten Partei beitreten, plötzlich in billigen Nadelstreifenanzügen auftreten und hölzerne Politphrasen verbreiten.

Das klingt nach einer neuen Stufe der Satire. Politik nicht von außen persiflieren, sondern in den Betrieb eingreifen. Entwickelt sich daraus nicht auch eine Verantwortung, die man als Außenseiter nicht hat?

Solange Politik die schlechtere Satire macht, keinesfalls. Was Trump twittert, könnte sich kein Comedy-Autor ausdenken. Aber es ist eben bitterer Ernst. Mein Schritt jetzt in die Politik zu gehen ist zwangsläufig, weil ich nicht nur auf etwas aufmerksam machen, sondern auch teilhaben will. Wir haben einen anderen Zugang zu den Wählern. Und wenn wir denen vermitteln, dass man auch Politik machen kann, ohne sich dabei allzu ernst zu nehmen, dann ist das ein größerer Anreiz als jedes andere Parteiprogramm, das die Wähler oft ernsthaft überfordert.

Ist auch das Kabarett im Zuge der aktuellen politischen Entwicklungen politischer geworden?

Nicht so, wie es sollte. Ich finde, dass Kabarett heutzutage sehr stark in seinen eigenen Mustern gefangen ist. Es gibt kaum Neues, kaum Bewegung, wenig Kontroverses. Stattdessen Spartensendungen wie „Die Anstalt“ oder „Nuhr“. Diese Sendungen bewirken überhaupt nichts, außer dass sie diejenigen bestätigen, die ohnehin schon wissen, wo sie stehen. Viel spannender wäre, Menschen zu erreichen, die anders denken und mit ihnen in einen Diskurs zu treten. Zum Beispiel mit AfD-Mitgliedern. Das wird gerade größtenteils verpasst. Es gäbe viel mehr Möglichkeiten, auch abseits des politischen Alltags Zugriff auf das Geschehen zu bekommen.

Aber selbst der für Alltagshumor bekannte Komiker Mario Barth spricht in Facebook-Videos über Donald Trump und inszeniert eine Sendung zu angeblicher Steuerverschwendung.

Das stimmt, und paradoxerweise hat gerade Barth gemerkt, dass Politik auch Teil von Unterhaltung sein kann. In diesem Fall allerdings bleibt es schäbige Unterhaltung. Es ist den Leuten nach dem Mund geredet und die Leute mögen das. Aber der Rest ist auch nicht besser: Worüber reden die Comedians denn heutzutage? Die reden über ihre Mutter oder über Ikea, wie sie vor ihrem Haustier onanieren, oder schlimmstenfalls parodieren sie vermeintlich Dümmere. Dabei ist das erschreckend rückständig und keinen Deut klüger als das, wogegen es sich richtet. Es ist sträflich, wie heutzutage zugunsten von Anerkennung Anspruch verschwendet wird.

Wogegen sollte sich die Kunst richten?

Es gäbe genug zu erzählen. Kriege in aller Welt, Populisten drängen in Europa an die Macht, Hunger und Elend, der Kampf der Kulturen. Und was machen wir Künstler? Wir reden über uns selbst und besprechen die Banalitäten unseres mediokren Alltags.

Dem Publikum gefällt es offenbar. Mario Barth füllt mit seinem Programm Stadien.

Gefälligkeit ist sehr verlockend. Es garantiert einem Erfolg und Zuspruch. Aber es bringt einen auch weg von dem, was man eigentlich will. Das gilt für angeblich kluge Kabarettisten, die ihrem Publikum nach dem Mund reden, genau wie für Mario Barth, der das Gleiche tut. In beiden Fällen richtet der Künstler seine Inhalte nach den Ansprüchen seines Publikums. Besser ist, wenn der Künstler tut, was er eben tut, und das Publikum ihn dafür liebt – oder vielleicht auch hasst. Und von diesen Kollegen gibt es derzeit viel zu wenig.

Wenn Sie wirklich im September in den Bundestag einziehen, haben sie nicht Angst, dass sie dann zwanzig Wochen im Jahr im Parlament sitzen müssen? So ein Abgeordnetendasein kann auch recht anstrengend sein …

Die Kohle wird mir über den Schmerz der Langeweile hinweghelfen. Nutten und Koks sind manchmal besser als jede halbgare Pointe.

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16 Kommentare

 / 
  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Die Behauptung, ein politischer Diskurs sei bei Ironie nicht wirklich möglich, begründet mit einer weiteren Behauptung, dass ja ein Ironiker sich hinter Ironie verstecke, ist unwahr.

    Denn die Behauptungen ignorieren a) die Tatsache, dass es sich bei Ironie nur um eine rhetorische Figur handelt, daher der Inhalt der Aussage durch Umkehrung der Aussage eindeutig und sehr wohl verständlich, und b) dass - im Gegensatz hierzu - die bei Politikern gebräuchliche Methode "Viele-Sätze-reden-ohne-etwas-zu-sagen" einen Diskurs bereits im Ansatz unmöglich mache, da der Inhalt solcher Rede ja nur jener, nichts aussagen zu wollen.

  • Schade, dass Somuncu sich nicht entscheiden kann, ob er das Interview nun als Kanzlerkandidat oder als Satiriker gibt.

  • Sich erst über RTL & Co. lustig machen, um dann das eigene Programm mit Ihnen zu promoten. Das sagt viel über Somuncu aus.

  • Endlich ein überzeugender Kançlerkandidat! Den Laden wähl ich, na klar. Weit und breit sonst nur Müll.

  • Meine Stimme hat er! Die Partei habe ich schon öfter gewählt, zuletzt bei der Europawahl und ich werde es immer wieder tun. Solange die anderen Parteien Typen_innen wie Cem Özdemir, Angela Merkel oder Martin Chulz ins Rennen schicken. Dass ich dann nicht immer meine Stimme der Linken gebe, nehme ich billigend in Kauf. Ich hoffe, dass die Partei mit Somunucu die Machtübernahme schafft.

  • Politik ist sowieso Kabarett genug!

  • Jeder muss irgendwie versuchen,

    sich in den Vordergrund zu schieben.

    Weil es doch alle versuchen.

    Das ist das Gesetz des Marktes...

    Nur so gibt es Geld!

  • Hier mal eine Kommentarzeile gefunden beim Auswärtigen Amt gestern bei Zuckerberg Facebook :

    Serkan Kyzylkaya "Hitler war patriot !!ich mag hitler er hat gewusst wie die juden ohne grund menschen killen können"

    Ein grundlegender Perspektivwechsel Herrn Somuncus, in dem er sich solidarisch gegen die Verbrechen des Naziregimes, äussert fehlt. Das der Hintergrund für seine politische Satire, die miserable Verfassung der osmanischen Grossmannsucht darstellt macht, ihn auch nicht eben sympathischer. Wozu also hedonistisch auf Stimmenfang für die CDU/FDP gehen?

    • @Pele :

      ich verstehe den Sinn deines Posts nicht.

    • @Pele :

      ich habe den Eindruck, Sie wollen hier nur Ihren Pro-NSDAP-Text abladen.

      Auch die eher unglaubwürdige Kennzeichnung als "Zitat" kaschiert Ihre Gesinnung nicht.

    • @Pele :

      "Ein grundlegender Perspektivwechsel Herrn Somuncus, in dem er sich solidarisch gegen die Verbrechen des Naziregimes, äussert fehlt."

       

      Was soll das? Herr S. tritt hier und heute zur Wahl an. Was hat das mit Ereignissen zu tun, die Jahrzehnte zurück liegen und mit denen noch nicht mal seine Vorfahren etwas zu tun hatten? Muss denn Hitler heute immer noch ständig überall rumspuken?

    • @Pele :

      Ich glaube Sie verstehen den Humor von Führer Somuncu einfach nicht... ;)

      • @Neinjetztnicht:

        Welchen Humor? Serdar Somuncu hat keinen.

        • @Alexander Stein:

          Ist halt nichts für die gemeine Durchschnittskartoffel...

      • @Neinjetztnicht:

        Nee, tu ich nich.

        • @Pele :

          Dann lassen Sie es eben bleiben!