Selfie mit Hillary Clinton: Es geht nur ums „Ich“
Ein Foto von Hillary Clinton und Fans, die ein Selfie mit ihr machen, geht um die Welt. Die „Generation Selfie“ ist selbstverliebt, aber schlimm ist das nicht.
Ein Foto geht um die Welt. Auf der einen Seite die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Auf der anderen Seite ihre Fans, die ihr den Rücken zukehren, um ein Selfie zu machen. Ein Bild von sich selbst mit der vielleicht ersten Präsidentin der USA. Auf jeden Fall ein echter Hingucker auf der nächsten Familienfeier.
Was für eine selbstverliebte Generation, die sich dermaßen in den Vordergrund stellt, könnte man meinen. Man kann die starke Verbreitung der Selfies in den letzten Jahren durchaus in diese Richtung interpretieren: Als Kennzeichen einer vom Individualismus geprägten Gesellschaft, in der es nicht mehr um die Orte geht, die ich besuche oder um die Menschen, die ich treffe. Sondern darum, dass gerade ich es bin, der das tut. Priorität hat das Individuum: „Das bin ich vor der Freiheitsstatue. Das bin ich am Grand Canyon. Das bin ich vor Hillary Clinton.“ Ich, ich, ich.
Das Wiener Institut für Jugendkulturforschung kam 2014 in einer Studie zur „Generation Selfie“ zu dem Schluss, dass junge Menschen sich beim Selfie machen „am Gefälligen und an den ästhetischen Standards“, die sie aus den Medien kennen, orientieren. Es gehe darum, sich selbst gut zu präsentieren, nach dem Motto „das, was du tust, was du bist und was du hast, musst du auch herzeigen, sonst zählt es nicht“, schreibt Studienleiterin Dr. Beate Großegger.
Das erklärt den Mitteilungsdrang der jungen – und auch der älteren – Leute in den Sozialen Netzwerken. Und es ist eine problematische Einstellung: Wenn nur noch zählt, was wir veröffentlichen, wird jede ruhige Minute im Familien- oder Freundeskreis belanglos. So weit scheinen wir dann aber doch noch nicht zu sein. Ansonsten wären die Sozialen Netzwerke aufgrund der Masse an Beiträgen schlicht unbenutztbar.
Selfies als Marketing-Instrument
Man sollte Selfies und das starke Mitteilungsbedürfnis vieler Menschen also nicht verteufeln. Sicherlich lässt sich trefflich darüber streiten, ob man von jedem Frühstück ein Foto und vor jeder Sehenswürdigkeit ein Selfie knipsen muss. Muss man nicht. Es bringt aber auch niemanden um, wenn man es tut.
Vielen Selfie-begeisterten geht es bei ihren Fotos übrigens um Authentizität. Wenn ein und dasselbe Selfie zehnmal geschossen und dann mit fetzigen Instagram-Effekten versehen wird, bleibt die freilich auf der Strecke. Auch das Gruppenselfie von Ellen DeGeneres bei der Oscarverleihung 2015 oder das Nacktselfie von Kim Kardashian sind kaum authentischer, als ganz normale Fotos. Vielmehr ist das Selfie für Stars häufig vor allem eines: ein gelungenes Marketing-Instrument.
Das gilt wohl auch für das Foto von Hillary Clinton und ihren Fans. Wie das Time Magazine berichtet, habe Clinton der Menge zugerufen, wer ein Selfie machen wolle, solle sich umdrehen. Ihre Kampagnen-Fotografin Barbara Kinney musste dann nur noch selbst abdrücken. Schon hatte sie ein Foto im Kasten, das in den Sozialen Netzwerken und Medien für jede Menge Aufmerksamkeit sorgte. Was will man als Präsidentschaftskandidatin mehr?
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