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„Sea-Watch 3“ mit geretteten MigrantenItalien befiehlt Kurs auf Libyen

Der „Sea-Watch 3“ droht erneut eine Odyssee. Das Schiff hat 52 Flüchtlinge an Bord, doch die italienische Regierung will sie nicht aufnehmen.

Laut eines Sprechers fährt das Schiff nun in Richtung der italienischen Insel Lampedusa Foto: dpa/Sea-Watch

Rom dpa | Die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch soll nach dem Willen der italienischen Regierung 52 im Mittelmeer gerettete Migranten an Bord nach Libyen zurückbringen. Dort hätten sie von den Behörden einen Hafen zugewiesen bekommen, erklärte Innenminister Matteo Salvini am Donnerstag.

Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer schloss dies aus. Der genannte libysche Hafen sei nach internationalem Recht kein „sicherer Hafen“. Die „Sea-Watch 3“ werde deshalb nicht in das Bürgerkriegsland fahren. Das Schiff fahre nun in Richtung der italienischen Insel Lampedusa. Die sei die nächste sichere Anlaufstelle. In libyschen Lagern droht Migranten laut Menschenrechtlern Folter, Sklaverei und schwerste Misshandlungen.

Sea-Watch hatte die 52 Menschen am Mittwoch vor Libyen aus Seenot gerettet, darunter zwei Babys. Salvini will das Boot nicht in Italien anlegen lassen und bezeichnete die Helfer als „Piraten“ sowie als „Menschenschlepper und deren Komplizen“.

Erst diese Woche hatte die Regierung in Rom ein Dekret erlassen, wonach NGOs mit einer hohen Geldstrafe belegt werden können, wenn deren Boote unerlaubt in italienischen Gewässer aufkreuzen. Somit zeichnet sich wieder eine längere Hängepartie um die „Sea-Watch 3“ ab.

Das Schiff war erst vor einigen Wochen in einem ähnlichen Fall auf Sizilien beschlagnahmt – danach aber wieder freigegeben worden.

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13 Kommentare

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  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Die Frage der Aufnahmeverweigerung wird da nicht explizit behandelt. Ich lasse mir das also gern erklären, wie das europarechtlich, seerechtlich und völkerrechtlich aussieht."

    Praktisch ist das internationale Recht doch ziemlich egal. Es gibt keine Institution, die es effektiv durchsetzen kann oder will.

    Nachvollziehbar ist die Haltung Italiens schon, wenn man auf die Karte schaut. Das Tunesische Djerba liegt z.B. deutlich näher als Lampedusa. Daher ist Kurs des Sea Watch Kapitäns auf Lampedusa sicher auch ein Versuch, über die Medien politischen Druck aufzubauen.

    • @83492 (Profil gelöscht):

      Es gibt überstaatliche Gerichte, deren Entscheidungen nicht so ohne weiteres ignoriert werden können und die für Klagen auch zuständig sind. Es gibt z.B. die EuGH-Entscheidung Hirsi u.a. Danach sind Rückführungen nach Libyen unzulässig. Diese hat dazu geführt, dass italienische Schiffe nicht mehr retten weil sie dann aufnehmen müssen und die Rettung an Libyen übertragen haben. Für libysche Retter ist der EuGH naturgemäß nicht zuständig.

      Sea Watch bzw. jeder abgewiesene Flüchtling kann also klagen. Wenn der EuGH dann entscheidet, dass Italien jeden afrikanischen Bootsflüchtling aufnehmen muss, hat Italien ein Problem.

      • @A. Müllermilch:

        wichtig ist, dass dieses Verbot aus der Hirsi-Entscheidung nur für Staaten gilt. Jedes private Schiff kann nicht "abschieben", denn "abschieben" ist ein Hoheitsakt. Für Private ist der EuGH auch gar nicht zuständig, ich könnte - wäre ich Segler und dort unterwegs - nie vor dem EuGH verklagt werden, egal wohin ich einen Geretteten bringen würde.

      • 8G
        83492 (Profil gelöscht)
        @A. Müllermilch:

        "Wenn der EuGH dann entscheidet, dass Italien jeden afrikanischen Bootsflüchtling aufnehmen muss, hat Italien ein Problem."

        Das Beispiel Ungarn zeigt, dass das die Sanktionsmöglichkeiten sehr beschränkt sind.



        "Sollte Ungarn sich auch von weiteren Urteilen des EuGH nicht beeindrucken lassen, sieht EU-Rechtler Thiele als letzte Möglichkeit die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 7 des Lissaboner EU-Vertrags, das zum Entzug der Stimmrechte des betroffenen Landes führen kann. ...

        Das Problem: Einen Entzug der Stimmrechte müssten alle anderen EU-Staaten einstimmig beschließen - und Ungarn hat bereits angekündigt, Polen zu schützen. Warschau wiederum würde sich wohl revanchieren, sollte Ungarn ein Artikel-7-Verfahren drohen. "



        "www.spiegel.de/pol...ahr-a-1166403.html"

  • Zum Glück oder leider - je nach politischem Standpunkt - Salvinis Politik scheint mehrheitsfähig zu sein.

    www.sueddeutsche.d...-salvini-1.4464203

  • Die Pflicht, den nächsten sicheren Hafen anzulaufen gilt nur für den Kapitän des Schiffes. Der nächste sichere Hafen ist ach Völkerrecht jedoch nicht verpflichtet, das Schiff anlegen zu lassen. Insoweit ist die Vereigerungshaltung Italiens nicht zu beanstanden.

    • @DiMa:

      Dazu hätte ich ja mal gerne die entsprechenden Paragraphen. Zur rechtlichen Situation ist dieses hier sehr aufschlussreich: www.zeit.de/politi...-kuestenwache-ngos



      Die Frage der Aufnahmeverweigerung wird da nicht explizit behandelt. Ich lasse mir das also gern erklären, wie das europarechtlich, seerechtlich und völkerrechtlich aussieht.

  • Danke dpa... Fakten ok..!



    Andere news Quellen reden davon, dass die Geretteten etwa 47 Seemeilen vor der Küste Libyens sich befanden wo "SEAWATCH 3" sie entdeckte...



    Zum Vergleich: Helgoland ist etwa 35 Seemeilen von Cuxhaven entfernt!



    Das glückliche ist, das wieder 52 Menschen vor dem Ertrinken gerettet wurden. Die 52 Seelen, darunter zwei Babys, sind erstmal in Sicherheit auf der SEAWATCH 3 !



    Die nun eventuell beginnende Odyssee: einen sicheren Hafen zu finden wo die 52 Menschen an Land dürfen, wo der Kapitän und Besatzung nicht im Gefängnis landen, wo das Schiff nicht beschlagnahmt wird.. darf als "Moralischer Appell" an den Humanismus der EU Staaten verstanden werden! Falls das Wetter, Wind und Seegang, nicht zu grob ist und das Leben an Bord nicht zu chaotisch.. könnte Frankreich oder Spanien angesteuert werden... (?) weil italienische Häfen und Malta die NGO Seenotrettung ablehnen...

    • @vergessene Liebe:

      Geht Albanien auch?

      • @südtiroler:

        Schade, daß Südtirol keine Häfen hat.... Sonst wäre ich für Bozen- dort ist man bekanntermassen menschlich und liberal gesonnen.

  • Dieses Italien gehört einfach mal knallhart an die Kandarre genommen. Internationales Seegericht und EU Gerichtshof für Menschenrechte sind so dermaßen zuständig. Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens ist ebenfalls überfällig.