Schwimmen in der Spree: Paris schlägt Berlin
Im nächsten Sommer dürfen alle in Paris in der Seine schwimmen. Auch in Berlin wäre Baden in der Spree möglich. Doch der Senat zeigt sich wasserscheu.
Schwimmen im Fluss, das wünscht sich Tim Edler auch für Berlin. Doch anders als in der Seine bleibt das Schwimmen in der Spree verboten. Eine Sprecherin von Umweltsenatorin Ute Bonde (CDU) verweist in diesem Zusammenhang auf die Berliner Badegewässerverordnung. Die verhängt für Berlin ein generelles Badeverbot, von dem es einige Ausnahmen gibt. Die Spree ist nicht unter diesen Ausnahmen.
Vor hundert Jahren war das anders. Der Flussbad-Garten auf dem Gelände einer privaten Hochschule im ehemaligen Staatsratsgebäude liegt exakt an der Stelle, an der sich einst die „Doppel-Badeanstalt am Mühlengraben“ befunden hat. Es soll die schönste der Berliner Badeanstalten an der Spree gewesen sein. 1925 wurde die Badeanstalt allerdings geschlossen – aus hygienischen Gründen. Bei Starkregen fließt das ungeklärte Wasser aus der Kanalisation in die Spree über.
„Auch Paris hat eine solche Mischwasserkanalisation“, sagt Tim Edler. „Damit sind die Probleme in der Seine ähnlich wie bei der Spree in Berlin.“ Im Vorfeld der Olympischen Spiele hat Paris 1,4 Milliarden Euro investiert, um die Seine sauberer zu machen. „In Berlin hat die Spree dagegen schon jetzt an den meisten Tagen im Jahr Badewasserqualität“, sagt Edler, der mit seinem Bruder Jan schon 2015 die Idee eines Berliner Flussbads im Spreekanal aus der Taufe gehoben hat. „Wir könnten schon heute in der Spree schwimmen“, meint er. „Dafür muss nur die Umweltverwaltung die Berliner Badegewässerverordnung ändern.“+
Anderswo ist Flussbaden bereits Alltag
Baden in Flüssen ist in vielen Städten bereits Alltag. In Basel gibt es sogar das Gewohnheitsrecht, dass Menschen, die im Rhein schwimmen, in Badehose oder Bikini durch die Stadt laufen dürfen. In EU-Ländern gilt die Badegewässerrichtlinie. Die weist zertifizierte Badegewässer aus und auch Gewässer, in denen das Baden aus hygienischen Gründen verboten ist.„Und dann gibt es einen großen Graubereich, wo man sagt, es ist kein Badegewässer, aber es ist auch nicht verboten“, sagt Tim Edler. „Dort ist Baden dann auf eigene Gefahr möglich wie zum Beispiel an der Strandperle in Hamburg in der Elbe.“ Berlin dagegen habe neben dem EU-Recht noch das Landesrecht in Form der Badegewässerverordnung. Ein Graubereich oder Ermessensspielraum ist dort nicht vorgesehen. Laut Tim Edler ist das nicht mehr zeitgemäß.
Ein Blick auf die Website www.badberlin.info sagt zum Beispiel für den vergangenen Freitag: „Spreekanal, 2. August 2024 11:14 Uhr. Wasserqualität: Gut. Sichttiefe: 75 cm. Wassertemperatur: 24,1 Grad Celsius.“ Die Website gehört zu einem umfassenden Monitoring, die das Kompetenzzentrum Wasser am Spreekanal betreibt. „Ziel ist es, eine verlässliche Vorhersage über die Wasserqualität treffen zu können“, sagt Tim Edler. Gemessen und vorhergesagt wird nicht nur die Konzentration von Kolibakterien, sondern auch die Fließgeschwindigkeit und natürlich die Zahl der Überlaufereignisse aus der Kanalisation.
Mit dem Monitoring der Wasserqualität könnten die Menschen in Berlin – so wie die in Paris – eigenständig entscheiden, ob sie in der Spree baden wollen oder nicht. Nicht zuletzt diese Möglichkeit hat beim von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geförderten Flussbadverein ein Umdenken bewirkt. Die ursprüngliche Idee, den Spreekanal für fast 70 Millionen Euro aufwändig umzubauen und das Wasser vor Ort zu filtern, wurde aufgegeben.
Tim Edler vom Flussbad-Verein
Stattdessen setzt der Verein nun auf das Monitoring und damit eine „kleine Lösung“. Statt Bauen und Baden also Baden und dann den Spreekanal „baulich qualifizieren“, wie es Edler nennt. „Berlin hat viel in die Kanalisation und Rückhaltebecken investiert“, erklärt er das Umdenken. „Das Spreewasser ist besser als sein Ruf. Nun könnte sich der Senat selbst und auch die Berlinerinnen und Berliner dafür belohnen.“
Für kommendes Jahr, wenn nicht nur Sportlerinnen und Sportler, sondern auch die Pariserinnen und Pariser in der Seine schwimmen dürfen, plant der Flussbad-Verein eine Pilotbadestelle im Spreekanal. Nur ein Steg über das Wasser müsste dann gebaut werden. Und natürlich die Badegewässerverordnung geändert werden. „Da liegt der Ball nun bei der Umweltverwaltung“, sagt Tim Edler.
Umweltverwaltung hält sich bedeckt
Dort allerdings hält man sich bedeckt. „Das Problem ist, dass die Badegewässerverordnung für derartige Konstellationen (Flussbadestelle inmitten eines Mischentwässerungssystems mit sehr kurzfristigen Verschmutzungen) keine adäquaten Vorgaben enthält“, antwortet Petra Nelken, Sprecherin von Umweltsenatorin Bonde, auf taz-Anfrage. „Inwiefern man hier mit anderen Messmethoden Abhilfe schaffen kann, ist rechtlich und fachlich offen.“
Auch Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler will sich nicht festlegen. „Aktuell prüft SenStadt die Machbarkeit und Umsetzbarkeit einer Pilotbadestelle“, teilt Gaeblers Sprecher Martin Pallgen mit. „Vor einer Realisierung sind jedoch noch zahlreiche Fragen der technischen Machbarkeit, der Wasserqualität, des Denkmalschutzes und des Betriebs zu klären.“ Dazu gehöre auch die Frage, wer die Pilotbadestelle bauen und betreiben kann.
Allerdings hat der Flussbad-Verein schon angeboten, dafür als Träger zur Verfügung zu stehen.
Zwar begrüßt Gaebler die „Vereinfachung des Projekts“ durch das Monitoring, teilt aber auch mit, dass die Förderung für den Verein im kommenden Jahr auslaufen wird. Gut möglich, dass dann nicht nur keine Pilotbadestelle entsteht, sondern auch der Flussbad-Garten verschwindet.
Und das in einem Jahr, in dem wieder die Bilder von Paris um die Welt gehen werden. Schon beim Bau neuer Radwege hat Paris Berlin abgehängt. Schlägt Paris Berlin nun ein weiteres Mal?
Es wäre typisch Berlin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen