Schweizer Steuerabkommen abgelehnt: Schäuble blitzt im Bundesrat ab
Der Bundesrat hat das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz abgelehnt. Nun kann Finanzminister Schäuble (CDU) noch den Vermittlungsausschuss anrufen.
BERLIN taz | Am Ende ging alles recht schnell. Mehr als ein Jahr lang hatten Regierung und Opposition über das Steuerabkommen mit der Schweiz gestritten, verhandelt und wieder gestritten. Am Freitag wurde es im Bundesrat gestoppt: SPD, Grüne und Linke nutzten wie angekündigt ihre Mehrheit für ein Veto gegen den Vertrag, der Steuerflüchtlingen im Gegenzug für eine rückwirkende und künftige Versteuerung Straffreiheit und Anonymität gewährt hätte.
Endgültig vom Tisch ist das Abkommen damit aber noch nicht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte nach der Entscheidung an, er werde dem Kabinett vorschlagen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das Abkommen selbst kann dort allerdings nicht mehr verändert werden, weil es in der Schweiz bereits abschließend ratifiziert ist. Denkbar ist allerdings, dass die Schweiz in einem Zusatzprotokoll weitere Zugeständnisse macht; zudem kann Schäuble den Bundesländern einen höheren Anteil an den erwarteten Steuereinnahmen anbieten.
Dass diese sich darauf einlassen, scheint nach der Debatte im Bundesrat allerdings wenig wahrscheinlich. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hatte darin noch einmal die grundsätzliche Bedenken gegen das Abkommen deutlich gemacht. Vor allem sei es für die SPD nicht akzeptabel, dass Deutschland nach Inkrafttreten des Abkommens keine CDs mit Daten von Steuerflüchtigen mehr ankaufen und nur sehr begrenzt Auskünfte von Schweizer Behörden einholen dürfe. „Wir werden den Steuerbetrügern nicht wieder zu ruhigem Schlaf verhelfen“, sagte er.
Den Vorwurf, dass Deutschland durch die Blockade 10 Milliarden Euro entgingen, wie Schäuble erklärte, oder gar 13 Milliarden, die der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) in den Raum stellte, wies Walter-Borjans zurück. Dies seien „unglaubwürdige Fantasiezahlen“. Garantiert werde durch das Abkommen lediglich eine Summe von 2 Milliarden Franken (rund 1,7 Milliarden Euro) – und das sei weit weniger als bisher durch den Aufkauf von Steuer-CDs und Selbstanzeigen eingenommen werde.
Konsequenter Druck statt „Kuscheldiplomatie“
Nicht ganz so eindeutig war die Ablehnung durch den baden-württembergischen Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD). Die „notwendigen Änderungen“ am Vertrag seien nicht erreicht worden, sagte er und erklärte: „Wir wollen eine Lösung – aber eine, die die Steuermoral aufrecht erhält.“ Schäuble sagte anschließend, wie er dies verstand: „Man kann noch einmal ernsthaft reden.“ Viel Spielraum gebe es allerdings nicht, weil auch die Schweiz ihre Gesetze nicht rückwirkend ändern könne, sagte Schäuble.
Regierung und Bankenverband der Schweiz bedauerten das Scheitern des Abkommens am Freitag und äußerten die Hoffnung auf eine Einigung im Vermittlungsverfahren. Das Bündnis „Kein Freibrief für Steuerbetrüger“, in dem unter anderem Campact, Attac, Ver.di und das Netzwerk Steuergerechtigkeit mitarbeiten, begrüßte den Beschluss hingegen. „Schäubles Klientelpolitik für Steuerbetrüger ist gescheitert“, sagte Sprecherin Susanne Jacoby. „Nicht Kuscheldiplomatie trocknet Steueroasen aus, sondern konsequenter Druck, wie ihn die USA ausüben.“
Vertreter des Bündnisses überreichten SPD und Grünen vor der Bundestagssitzung einen Forderungskatalog zur wirksamen Bekämpfung von Steuerflucht. Dazu gehöre im Inland eine Aufstockung der Steuerfahndung und Druck auf Banken, die Beihilfe zur Steuerflucht leisten – bis hin zum Lizenzentzug. Innerhalb der EU und mit Drittstaaten müsse ein automatischer Informationsaustausch über Kapitaleinkünfte eingeführt werden. Um dies gegenüber nicht kooperationswilligen Staaten und Banken durchzusetzen, verweist das Netzwerk Steuergerechtigkeit auf die USA: Diese drohen Banken mit einer hohen Sondersteuer auf ihr US-Geschäft, wenn sie nicht mit den Finanzbehörden kooperieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos