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Schweizer Frauen gegen U15 FC LuzernWie aus dem letzten Jahrhundert

Die Schweizer Frauen verlieren 1:7 gegen ein U15-Jungsteam. Auf Social Media ist das Beweis genug: Frauen können halt keinen Fußball. So ein Quatsch.

Noch eine Testspiel: diesmal die Frauen des SV Werder Bremen die U19- Junioren vom TSV Pansdorf Foto: IMAGO / foto2press

E igentlich war es nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, das Testspiel der Schweizer Frauen-Nati gegen die U15-Jungs des FC Luzern. Doch es reichte ein Tiktok-Video eines Spielers wenige Tage später und das Ereignis ging viral. Nach nur wenigen Stunden hatte der Post schon 70.000 Aufrufe und über 100 Kommentare.

Da half auch nicht mehr, dass besagter U15-Spieler seine Fotos und Videos mit den Superstars Alayah Pilgrim und Alisha Lehmann wieder vom Netz nahm. Eine Meinung zum Ergebnis des Probespiels hatte bis dahin mittlerweile jeder, denn die Schweizer Frauennationalmannschaft hatte ja tatsächlich 1:7 gegen ein paar kickende Teeniejungs verloren. Lach-wein-Emoji. Endlich kommt ans Licht, was doch ohnehin alle insgeheim wissen: Frauen können einfach nicht Fußball spielen.

Endlich wieder ein Beweis dafür, dass Frauenfußball kein ernst zu nehmender Sport ist. Lächerlich geradezu. Dass Profifußballerinnen eh kein Recht darauf haben, mehr Gehalt zu fordern, geschweige denn auf die Gender-Pay-Gap im Fußball aufmerksam zu machen. „Nächstes Mal gegen die U7 spielen, dann wird’s spannender“, heißt es unter einem Post der Spielerin Alisha Lehmann. „Mein Sohn ist in der U11, falls ihr nach einem Coach sucht“, schreibt der Nächste. Die Verfasser sind alles sicherlich selbst Spitzenfußballspieler, deren männliches Talent leider nie entdeckt wurde.

Klar, man könnte natürlich fragen: Wen interessieren schon die misogynen Kommentare von irgendwelchen frustrierten Leuten im Netz? Der Schweizerische Fußballverband versucht das Ganze möglichst sachlich abzumoderieren. Man habe das Testspiel nicht bewusst verschwiegen, solche Trainingsspiele gegen Juniorenteams seien laut Mediensprecher „nicht unüblich“.

Aussagen wie aus dem letzten Jahrhundert

Außerdem habe es vor dem Spiel gegen den FC Luzern schon zwei weitere Testspiele gegen männliche U15-Teams gegeben. Ergebnisse: eine 1:2-Niederlage und ein 2:1-Sieg. Dass das jetzt ein Beweis dafür sei, dass Frauen doch wieder einigermaßen Fußball spielen können, war keine Thema in den Kommentarspalten der Eidgenossen. Weil es genauso ein Quatsch ist, wie ihnen ihr Können abzusprechen, weil die Schweizer Nationalmannschaft mal in einem Testspiel hoch verliert.

Man beachte: ein Spiel, in dem es um nichts geht, das als Trainingseinheit mit Wettkampffaktor angedacht ist, nicht mehr und nicht weniger. Doch wenn dabei Frauen gegen Männer spielen, dann geht es in den Köpfen vieler Menschen gleich nur um eines: den Kampf der Geschlechter.

„Wissenschaftlich ist erwiesen, dass Frauen im Fußball gegen Männer einen sehr schweren Stand haben“, schreibt eine Schweizer Boulevardzeitung. Eine Aussage, wie aus dem letzten Jahrhundert. Schließlich sei „im Schnitt ein Frauenspiel um ein Drittel langsamer als ein Männerspiel“. Das größere Tempo im Männerfußball liege „schlicht an der größeren Muskelmasse, die Männer ab der Pubertät aufbauen“.

Dass es trotzdem viel Arbeit und Talent erfordert, um überhaupt auf Profiniveau spielen zu können – sowohl als Mann als auch als Frau – und dass es zusätzlich auch um Taktik, Mannschaftsstärke, psychologische Faktoren und gute Nachwuchsförderung geht, rückt alles in den Hintergrund.

Nicht nur im Fußball

Es scheint nur noch um eines zu gehen: Beweise, dass Männer besser sind. Bestimmten, wohl von Minderwertigkeitskomplexen getriebenen Leuten scheint, das eine gewisse Befriedigung zu geben.

Es zeigt zudem den gesellschaftlichen Stellenwert der Frauen im Sport. Nicht nur im Fußball, auch in vielen anderen Sportarten. Frauen, die gegen Männer antreten, scheinen immer die weltweite Legitimation des Frauensports verteidigen zu müssen.

Die Tennisspielerin Billie Jean King gewann übrigens 1973 den legendären „Battle of the Sexes“ gegen Bobby Riggs. Zum Glück gab es damals noch kein Tiktok.

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Ruth Lang Fuentes
Autorin
Geboren 1995 in Kaiserslautern, bis Januar 2023 taz Panter Volontärin. Sie studierte Mathematik in Madrid und Heidelberg. Schrieb dort für Studierenden- und Regionalzeitung. Seit 2022 schreibt sie im Wechsel mit Aron Boks die taz.FUTURZWEI-Kolumne "Stimme meiner Generation".
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14 Kommentare

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  • Männer sind natürlich nicht besser als Frauen. Aber deren biologischer Aufbau ist natürlich nach durchlaufen der männlichen Pubertät anders. Daraus resultieren auch die nachvollziehbaren Vorbehalte gegen "Geschlechterwechsel" im Profisport.



    Und was den PayGap angeht. Geht ins Stadion, bezahlt PayTV für Frauen Fussball und kauft komplett überteuerte Trikots und sonstige Merchandises.

  • Das Problem sind nicht die Fakten, wie weniger Muskeln, Testosteron etc. Auch in 50 Jahren wird eine Nationalmannschaft der Frauen gegen eine u15-Truppe von Jugendlichen noch eine Klatsche kassieren können. Das Problem sind die Implikationen daraus, wie als wenn sich daraus geringere Zuschauerresonanz oder ein (nicht Gewährtest) Anrecht auf Prämien schließen lässt. Da wird vieles zusammengemixed, was nicht zusammengehört und leider ist es in Deutschland besonders schlecht bestellt. Man kann Equal-Pay Forderungen von Frauen argumentativ entgegentreten, aber bitte mit den korrekten Argumenten.

  • Ich finde Frauenfußball ist in vieler Hinsicht attraktiver als Männerfußball:

    - kein Starkult um bestimmte Spielerinnen

    - keine Kommerzialisierung bis zum Erbrechen

    - keine Spuckerei auf dem Platz

    - Torjubel mit Freude, statt mit Triumpfgesten

    - keine Mätzchen, wie Schwalben oder versteckte Schläge

    - kein übertriebener Ehrgeiz und dadurch "rohes Spiel"

    - keine erbitterten Fan-Feindschaften

    - keine Ultras, keine Hooligans

    - erschwingliche Eintrittskarten

    • @Diogeno:

      Dann genießen Sie es noch, solange es noch, wenigstens teilweise, so ist.

  • "Endlich kommt ans Licht, was doch ohnehin alle insgeheim wissen: Frauen können einfach nicht Fußball spielen."



    Das ist _nicht_ der Tenor der Beiträge. Die mag es geben, aber das ist eben nicht das Grundbild. Kernaussage ist stattdessen: Frauen haben gegen Männer physikalische Nachteile und sind ihnen deshalb tendenziell sportlich unterlegen.



    Das ist etwas ganz anderes.

  • Ein weltklasse Leichtgewichtsboxer steht keine 20 Sekunden gegen einen mittelmäßigen Schwergewichtsboxer. Sollen Männer deshalb nicht boxen? Es ist schwer mit wenig Muskeln, Geschwindigkeit und Testosteron ein großes Feld zu bespielen oder mit 1,68m ein Großfeldtor zu hüten. Wer die Leistung nicht respektiert, hat keine Ahnung von Sport. U15 Erstligateams haben zudem ein hohes biologisches Alter, zwischen 16 und 19!. In einem Sport, in dem es um Schnelligkeit geht, ist das entscheidend.



    Den olympischen Geist interessiert auch nicht, ob Frauen oder Männer am Start sind, etwa bei Ski, Turnen, Tennis, Schwimmen und Leichtathletik. Im Gegenteil, Leistungs-, Gewichtsklassen oder Ligen sind unabdingbar, sie erzeugen Spannung und Wettbewerb. Man müsste sonst unteren Ligen die Berechtigung Fußball zu spielen und Geld zu verdienen absprechen, weil die Unterschiede zur Spitze immens sind.

    Einen wichtigen Schritt würden FIFA und UEFA gehen, wenn sie die Frauenwettbewerbe zeitgleich stattfinden lassen würden. Es gibt so viele Fans, die einfach ihre Nation und ihre Frauen anfeuern werden. Bis dahin muss man die Kommentare von irgendwelche Deppen als „unsportlich“ hinnehmen.

  • Das Niveau im Frauenfussball ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Trotzdem sind z.B. Passgenauigkeit, Geschwindigkeit, technische Fähigkeiten klar tiefer sind als im Männerfussball, was für mich das Zuschauen weniger attraktiv macht. Wer weniger Zuschauer anzieht, darf auch weniger verdienen. Das hat denke ich grundsätzlich nichts mit Sexismus oder Misogynie zu tun. Analog kann mich z.B. die (Männer) Swiss Basketball League kaum begeistern, gegenüber der NBA. Man muss aber auch nicht ständig auf diese Unterschiede hinweisen, und die zitierten Kommentare im Artikel sind abwertend und wenig humorvoll, diese verteidige ich nicht.

    Frauentennis hat eine längere Tradition, und die Unterschiede sind kleiner. Die Autorin tut ihrer Argumentation allerdings nicht den geringsten Gefallen, indem sie zum Abschluss auf den BJK-Riggs Match hinweist. Erstens bezwang er zuvor die damalige Nr.1 Margaret Court, zweitens war er ein Gambler und Hustler, drittens war er 55jährig, ganze 25 Jahre älter als BJK. Damit verleiht die Autorin diesen Geschlechtervergleichen Legitimität ("seht her, manchmal sind die Frauen doch besser..."), anstatt sie einfach grundsätzlich als irrelevant abzulehnen.

    • @Michael Fuchs:

      Die Karsten Braasch-Story mit seinem Sieg nach 3 Bier und Kippe beim Seitenwechsel gegen die Williams-Schwestern 1998 kennt jeder Tennisfan www.tennisnet.com/...vernaschte-38836:D



      Ich verstehe es auch nie, weshalb in solchen Beiträgen immer auf diese Frau kann auch Mann im Sport schlagen-Weise argumentiert wird. Dabei kann der Frauensport nur verlieren. Stattdessen sollte man alles versuchen den Frauensport möglichst getrennt vom Männersport (bzw. würde ich ihn eher als"offene Klasse" ähnlich der IOC-Argumentation bezeichnen) zu positionieren. Biathlon macht das z.B. ganz hervorragend: Frauenrennen sind auf die zurückgelegte Distanz gesehen etwas kürzer als Männerrennen, wodurch die körperlichen Unterschiede auf die Wettkampfdauer negiert werden, geschossen wird aber genau gleich, da gibt es auch defacto keine Unterschiede. Das ergibt ein top Produkt.

  • Allein der Umstand, dass die Nationalmannschaft gegen einen U15-Provinzclub antritt, zeigt, welche Spielstärke ihnen die Fachleute und Trainer beimessen.

    Das ist aber auch für niemanden ein Problem, außer wenn man dem Gedanken anhängt, dass das Geschlecht nur ein soziales Konstrukt ist und die körperlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen negiert.

    Auch die Männernationalmannschaft würde vermutlich gegen eine eingespielte Mannschaft der Bundesliga verlieren. Aber nicht gegen 14 jährige Kinder

  • Na so richtig ist ein 2:1 Sieg gegen eine U15 - Mannschaft (also Kinder bis max. 14 Jahre) für eine Nationalmannschaft auch kein Ruhmesblatt. Mal davon ab, dass kaum etwas egaler sein könnte als Fußball ( Buh!!!) - an der Faktenlage ist nix zu deuten, auch wenn die Autorin das versucht

  • Der DFB macht schon seit vielen Jahren keine Testspiele gegen Vereinsmannschaften mehr, nach einem Shitstorm nach einer Niederlage in einem Test gegen die Bayern. Nationalmannschaften sind gegen eingespielte Vereine einfach nicht konkurrenzfähig. Dann noch gegen eine Jungen bzw Männermannschaft antreten, muss ja schief gehen. Generell liegt das Leistungsniveau eines Frauenfussballteams etwa auf dem Level einer C-Jugend-Mannschaft im Herrenbereich. Das kommt nun auch nur für die überraschend, die keinen qualitativen Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern beim Fußball ausmachen können.

    • @Šarru-kīnu:

      Das Problem beim Frauenfußball wird sich nicht lösen lassen: Eigentlich müsste das Feld, der Ball und das Tor kleiner werden. Das wird und will aber niemand umsetzen.

  • Es geht nicht darum, dass Frauen schlechter sind als Männer, aber zwischen den Profis bei Frauen und Männern liegen einfach Welten auch unabhängig von der Physis. Verwunderlich ist das natürlich nicht, da es nur ein Bruchteil an weiblichen Spielern gibt im Vergleich zu den männlichen. Da kann es natürlich auch nur weniger Ausnahmespieler geben und das Mittelmaß oben wird größer.

    Und die Frauen verdienen einfach weniger, da sich weniger Menschen dafür interessieren und selbst Championsleaguetickets zu einem Spottpreis gibt im Vergleich zu den männlichen Profis. Und ohne die männlichen Profis bzw. Deren Vereinen würde das Gehalt für die weiblichen Topspielerinnen um einiges niedriger sein, da Frauenfussball sich nicht annähernd selbst tragen kann.

    Es ist halt einfach nicht ausreichend interessant für die große Masse um viel Geld dafür auszugeben. Die Männer in der Wasserbaldbundesliga können meist nicht vom Sport leben, im Kegeln und in den meisten anderen Sportarten auch nicht, unabhängig von Geschlecht. Grob gesagt, die Frauenfussballerinnen haben ungemeines Glück das richtige Hobby gewählt zu haben.

  • 1:7 hat Brasilien gegen Deutschland im Jahr 2014 verloren. Genauso peinlich. Trotzdem hat niemand anschließend behauptet, die Brasilianer könnten nicht Fußball spielen.



    Im Netz sind nun mal viele Idioten unterwegs. Besser durch Nicht-Beachtung strafen, als durch zusätzliche Klicks.