Schwedischer Staatskonzern: Vattenfall braunkohlt weiter
Vattenfall hat katastrophale Zahlen und will sich angeblich aus Deutschland zurückziehen. Nur für die umstrittensten Geschäfte gilt das nicht.
BERLIN taz | Seit Sonntag ist die kleine Fahrradkarawane unterwegs. Am Mittwochabend wollten die Teilnehmer der „Reclaim Power“-Tour in Berlin gemeinsam mit dem Berliner Energietisch „gegen Vattenfall und den Senat“ demonstrieren.
Nun scheint ihnen zumindest einer der beiden Lieblingsgegner abhanden zu kommen: Der schwedische Energiekonzern hat verkündet, dass er bei seinen Kraftwerken und Anlagen fast 30 Milliarden schwedische Kronen (rund 3,4 Milliarden Euro) abschreiben muss. Mittelfristig wolle man Kosten sparen und einen Teil des Geschäfts in Deutschland verkaufen.
Konkrete Informationen gibt es bislang nicht. Bereits im März hatte Vattenfall den Abbau von 2.500 Arbeitsplätzen angekündigt, davon 1.500 in Deutschland.
Ein erster Schritt könnte aber die Aufspaltung der Konzernstruktur sein: Die vergleichsweise gut laufenden Geschäfte in Skandinavien werden weiterhin von Stockholm aus verwaltet, das Geschäft in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien soll der bisherige Vattenfall-Deutschland-Chef Tuomo Hatakka leiten.
Moorburg soll trotzdem kommen
Die größten Verluste macht Vattenfall in den Niederlanden, die Hälfte der Abschreibungen entfällt auf die dortigen Gas- und Kohlekraftwerke. In Deutschland läuft vor allem das Geschäft mit Steinkohle schlecht. Hier muss Vattenfall eine halbe Milliarde Euro abschreiben.
Durch die Energiewende laufen die Steinkohlekraftwerke oft nur noch mit reduzierter Leistung. Trotzdem soll in Hamburg-Moorburg in Kürze ein neues ans Netz gehen – mit einigen Jahren Verzögerung. Umweltschützer hatten den Bau einer Fernwärmeleitung verhindert, wodurch sich die Wirtschaftlichkeit des 1.600-Megawatt-Kraftwerks zusätzlich verschlechtert.
Wie sich die Umstrukturierung in Deutschland auswirkt, ist nun Gegenstand von Spekulationen. In den vergangenen Jahren stand immer wieder der Verkauf der Braunkohlesparte in Brandenburg und Sachsen zur Debatte, die wegen des hohen Kohlendioxid-Ausstoßes umstritten ist. Seit dem Frühjahr sucht Vattenfall einen Käufer für das Kraftwerk Lippendorf bei Leipzig. Bislang erfolglos.
Lausitzer Revier
Zurzeit bereitet der schwedische Staatskonzern den Neuaufschluss des Braunkohletagebaus Welzow Süd 2 vor, für den ganze Dörfer umgesiedelt werden müssten. „An den Tagebauplanungen im Lausitzer Revier halten wir fest, um die Rohstoffbasis des Lausitzer Braunkohlenkraftwerksparks über die Mitte der 2020er Jahre hinaus zu sichern“, sagte Vattenfall-Pressesprecherin Kathi Gerster der taz.
Mit besonderem Interesse verfolgt man die Vattenfall-Pläne außer in Berlin auch in Hamburg. Die Stromnetze beider Städte werden von Vattenfall-Töchtern betrieben, hier wie dort gibt es Initiativen, die Stromversorgung über Volksentscheide zu rekommunalisieren. Einen Rückzug aus den Konzessionsverfahren für die Stromnetze plant Vattenfall nicht, wie der taz auf Anfrage mitgeteilt wurde.
„Diese Ankündigungen erhöhen natürlich die Verunsicherung bei den Berlinerinnen und Berlinern und insbesondere auch bei den Angestellten von Vattenfall“, erklärt Stefan Taschner vom Berliner Energietisch. „Wir sehen uns dadurch bestätigt, dass die Energieversorgung lokal organisiert werden sollte und Entscheidungen besser im Interesse der Menschen vor Ort getroffen werden.“
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