piwik no script img

Schwedischer Grünen-PolitikerCan't touch this

Weil er einer Journalistin den Händedruck verweigerte, geriet ein schwedischer Politiker in die Kritik. Nun tritt der Muslim zurück.

Führte zum Rücktritt: eine Frauenhand Foto: imago/Udo Kröner

STOCKHOLM afp | In Schweden hat sich ein Mitglied der Grünen nach heftiger innerparteilicher Kritik am Mittwoch aus der Politik zurückgezogen, nachdem er am Vortag wegen seines muslimischen Glaubens einer TV-Journalistin den Handschlag verweigert hatte. Der 30-jährige Yasri Khan hatte bei einem Interview des Fernsehsender TV4 stattdessen seine Hand aufs Herz gelegt.

„Menschen können einander in unterschiedlicher Weise begrüßen. Die Hauptsache ist, respektvoll miteinander umzugehen“, sagte Khan, der auch Generalsekretär der Organisation Schwedische Muslime für Frieden und Gerechtigkeit ist.

Die Grünen-Abgeordnete Stina Bergström nannte Khans Verhalten „unannehmbar“. Es sei unmöglich, einen Mann in der Partei zu haben, der Frauen nicht so grüße wie Männer.

Khan wies die Kritik zurück. Zur Begründung seines Rückzugs erklärte er, er frage sich, ob im derzeitigen politischen Klima Politik das Richtige für ihn sei und ob er „dem Medienzirkus als Clown dienen“ wolle.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Man kann aus unterschiedlichen Gründen den Handschlag verweigern; Einer ist die Verachtung. Ein anderer könnte sein, dass religiös bedingt bspw. der Mann eine Frau, die er nicht ehelichte, nicht berühren darf, weil das einer anzüglichen, unsittlichen Berührung gleichkäme. Ich kenne mich mit Islam zu wenig aus, deshalb die Frage in die Runde: Darf ein Mann muslimischen Glaubens seiner eigenen Ehefrau die rechte Hand geben ? Die Frage mag vll lächerlich klingen, aber sie könnte ein anderes Licht darauf werfen.

  • Vor hunderten von Jahren wurden Bücher geschrieben, die bis heute spezifisches Verhalten diktieren. Es gab drei Interpretationen der darin enthaltenden Ideen wobei diese auf damaligen soziokulturellen Gegebenheiten basierten. Ach, ja, das eine Buch hatte eine Neuübersetzung um Gotteswort an den Zeitgeist anzupassen.

     

    Mal "Hand aufs Herz": Würde ich euch etwas verweigern weil es in einem der Bücher geschrieben steht, aus der Zeit wo Menschen ja cleverer als Heute waren, dann würdet ihr mich auch merkwürdig anschauen und bei einer Party etwa "sich noch was zu trinken holen".

    • @Kubatsch:

      Daß der Brauch des Händeschüttelns in seiner ritualisierten Form, also das reichen der "rechten Hand der Freundschaft" aber u.a. ebenfalls auf einem dieser Bücher basiert, ist Dir bekannt?

      • @Nifty_Monkey:

        Ich bin davon überzeugt dass Händeschütteln älter als 2000 Jahre ist.

  • Der eigentliche Eklat ist doch vielleicht eher der Eklat selbst.

    Klar kann man sich fragen, wie der Mann in Schweden so bisher im politischen Tagesgeschäft zurechtgekommen ist. Und vielleicht darf man auch leise fragen, ob er bei aller berechtigten Toleranz und allem vorhandenem Verständnis bei der Begrüßung von Frauen nicht vielleicht grundsätzlich über seinen religiösen Schatten springen möchte.

    Aber der Mann hat der Journalistin die Begrüßung ja nicht verwehrt, er hat nur anders gegrüßt. Und daß dann ausgerechnet eine Partei"freundin" auf die Palme steigt, wirft eher auf die Toleranz und Gelassenheit eben dieser Dame ein fragwürdiges Licht.

    Anders: Wenn sich einer anstellt, dauerts nicht lange bis sich einer dazustellt.

     

    Am Rande: Ich verwehre sehr vielen Menschen in der Theorie und einigen in der Praxis ebenfalls den Handschlag. Nicht weil sie Frauen sind, sondern Deppen.

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @Nifty_Monkey:

      Ihr letzter Satz ist für mich sehr wichtig. Begrüßt er nur Frauen anders, oder gibt er auch Männern nicht die Hand zur Begrüßung?

      • @73176 (Profil gelöscht):

        Sie hätten auch diejenigen Sätze ernst nehmen müssen, finde ich, die Sie nicht "sehr wichtig" finden, verehrter ICH2. Dann wäre der Sinn des Kommentars, auf den Sie sich beziehen, nicht völlig auf der Strecke geblieben.

         

        Es heißt GleichBERECHTIGUNG, nicht GleichMACHERE. Ich lege Wert darauf, überhaupt gegrüßt zu werden. Ob dabei die Hand des Grüßenden auf seinem Herzen liegt oder in meiner Hand, ist mir egal. Ich akzeptiere es ja schließlich auch, wenn Männer keine Röcke tragen wollen, sondern lieber Krawatten. Uniformen machen mir nun mal eher Angst, als dass sie mir Sicherheit geben.

         

        In Fällen, in denen man mir den Gruß demonstrativ verweigert, interpretiere ich das allerdings schon als Zeichen der Missachtung. Ich frage mich dann zunächst, ob ich mir etwas vorzuwerfen habe. (Jemandem auf den Schlips zu treten, ist ja um so leichter, je länger der Schlips ist). Wenn nicht, wenn ich also mit mir selbst „im Reinen“ bin, kann ich mich immer noch entscheiden: Will ich (wie etwa Herr Erdogan) meine Energie darauf verwenden, brutalstmöglich beleidigt sein, oder will ich lieber etwas sinnvolles tun.

         

        Meistens gelingt es mir, was sinnvolles zu machen. Mich vernünftigeren Menschen zuzuwenden, beispielsweise. Leuten, die sich nicht zu schade sind, mit mir zusammen Ziele zu verfolgen, die wir für richtig und für wichtig halten.

         

        Bisher bin ich ganz gut gefahren auf die Art, bilde ich mir ein. Zumindest habe ich noch keine (Bürger-)Kriege oder diplomatische Verwicklungen ausgelöst und auch keine Fraktion gesprengt. Stina Bergström scheint ihr Ego der wichtigste politische Programmpunkt zu sein. Ob ihre Fraktion das gut findet? Die taz schweigt sich dazu fein aus. Vielleicht der Farbe wegen. "Grün" sagt wohl alles.

      • @73176 (Profil gelöscht):

        Ich denke der Artikel hat nicht ausreichend klargemacht, daß nach orthodoxer islamischer Ansicht das Berühren einer Frau außerhalb einer Beziehung bzw. der Ehe die rituelle Reinheit bricht.

        Das heißt das Nichtberühren ist keine "Igitt"-Geste, sondern die Rücksicht auf die eigenen, wie auch die angenomennen religiösen Riten des (der) anderen.

  • Rücktritt ist noch ein Schritt rückwärts. Abtreten wäre angemessener.

    Hier dazu ein Link mit den Ansichten einer Muslima zum Thema.

    Zitat:"...Als Frau mit muslimischer Sozialisation empfinde ich das religiös begründete Verweigern des Handschlags aber als Provokation und als bewusstes Ausreizen der demokratischen Gesellschaft, in der Religionsfreiheit als ein hohes Gut gilt. ..." http://www.zeit.de/gesellschaft/2015-10/muslime-begruessung-haende-schuetteln-religion-islam/seite-2

  • In Frankreich küssen sich Bekannte - allerdings küssen sich zwei Männer eher selten. Eine andere Begrüßung von Männern und Frauen ist dort kulturell verwurzelt. In Österreich ist der Handkuss noch nicht ganz ausgestorben aber in anderen Konstellationen als von Mann zu Frau unüblich. Eine andere Begrüßung von Frauen und Männern gibt es im europäischen Kulturkreis durchaus und ist deswegen hier nur oberflächlich das Problem.

    Was irritiert dann an dem Verhalten? Es irritiert zum einen, dass eine Begrüßungsform abgelehnt wird. Eine ausgestreckte Hand nicht zum Handschlag zu ergreifen, gilt als Zeichen der Ablehnung. Wenn diese Ablehnung dann auch noch selektiv gegen eine Gruppe ausgeübt wird, die gegen Zeichen der Ablehnung empfindlich ist, wird daraus ein Problem. Hätte er z.B. nur Männern den Handschlag verweigert, so wäre dies eher kurios als problematisch gesehen worden. Hätte er dagegen nur homosexuellen Männern den Handschlag verweigert, so wäre dies vermutlich ein noch grösserer Skandal geworden.

    • @Velofisch:

      Menschen anders begrüßen ist ja in ordnung, aber wenn hinter der verweigerten Begrüßungsformel ein Prinzip steckt dann ist das merkwürdig.

      • @Kubatsch:

        Das ist ja doch der "Witz" an Prinzipien: Sie sollen merk-würdig sein. Man soll erst aufmerken, wenn man ihnen begegnet, und dann soll man sie sich merken. Und zwar vor allem dann, wenn sie nicht schon ungeschriebene Gesetzeslage sind.

         

        Ein Muslim, der sich nicht von anderen Gläubigen unterscheidet, wäre kein Muslim, oder? Yasri Khan versteht sich offensichtlich nicht nur als Mann, Grüner und Abgeordneter. Er begreift sich auch als gläubiger Muslim und möchte er sich als solcher inszenieren. Vermutlich, damit andere Muslime (wie viele mögen das derzeit sein?) ihm ihre Stimme geben. Hätte er sich nur als Mann in Szene setzen wollen, zum Beispiel, in dem er statt eines bunten Sommerkleides einen schwarzen Anzug zur Krawatte trägt, hätte das weder Frau Bergström irritiert, noch sonst jemanden. Leider war Herr Khan nicht so freundlich, die Vorbehalte dieser Journalistin seinen Glaubensbrüdern gegenüber ernst zu nehmen und ihre Befindlichkeiten hinter seinen eigenen zurückzustellen. Womöglich hält er Frauen nicht einmal die Tür auf und hilft ihnen auch nicht aus dem Mantel, wie weiße Männer es mitunter tun, wenn sie (meistens zu Unrecht) den vollendeten Gentleman raushängen lassen wollen. So what? Sofern er die Gleichstellung aller Menschen vorm Gesetz nicht abzuschaffen sucht, geht das niemanden was an. Wie zu grüßen ist, steht schließlich (noch) nicht im Gesetz. Zumindest nicht im schwedischen, da bin ich ziemlich sicher.

         

        Ich fürchte, in dieser Journalistin ist Herrn Khan ein Mensch seines eigenen Schlages begegnet. So, wie er sich als Muslim inszenieren wollte, wollte sie sich als Frauenrechtlerin inszenieren. Der Rest war Machtkampf. Die Frau hat offenbar gewonnen. So viel zum Klischee vom weiblichen Opfer und vom Platzhirsch Mann.