Schulleitung mit rechten Verbindungen: Lehrer mit rechtem Geist
An einer niedersächsischen Schule soll ein Lehrer stellvertretender Leiter werden, der Bundesführer beim Freibund war. Der bietet Rechten ein Forum.
Mehrere LehrerInnen aus dem Kollegium der Schule haben bereits Versetzungsanträge angekündigt, sollte B. den Führungsposten erhalten. Schon vor gut zwei Jahren löste das Engagement von B. bei dem seit 1962 eingetragenen Verein kritische Nachfragen an der Schule aus. Lange Jahre hatte der Lehrer für Geschichte und Deutsch wichtige Funktionen im Freibund inne. Von 2007 bis 2018 war er Bundesführer, bis 2021 stand er als Verantwortlicher des Bundes im Impressum der Webseite.
Der Freibund bietet vor allem Jugendfahrten und -lager für junge Menschen an und sieht sich selbst in der Tradition der Bündischen Jugend, die in Deutschland aus dem Wandervogel und den Pfadfindern hervorgegangen ist und stark die völkisch-nationalistische Jungendbewegung nach dem Ersten Weltkrieg ausmachte. Mit Fahrten und Lagern sollen die Jugendlich nicht bloß in der Natur Gemeinschaft erleben, sondern auch eine Weltanschauung verinnerlichen.
Im Unterschied zur verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ und dem noch aktiven rechtsextremen „Sturmvogel“ bemüht sich der „Freibund“ das Bekenntnis zu Volk, Heimat und Nation moderater zu formulieren. Der Bund ging aus den „Bund Heimattreuer Jugend – Der Freibund“ hervor. 2013 erfolgte laut Vereinsunterlagen die Umbenennung in „Der Freibund e. V.“.
„Ausgeglichenes Geschichtsbewusstsein“
Auf der Webseite wird das Selbstverständnis erklärt: „In den Haaren der Wind der großen, weiten Welt. In der Nase der Duft der Heimat ebenso wie der von fernen Ländern (…) Auf den Lippen die frohen Lieder der Vaganten und Landsknechte, der ewig Suchenden und der Erfüllten, der wilden Wandergesellen und der stillen Romantiker. (…) Mit beiden Beinen fest auf dem kulturellen Erbe und der wechselvollen Geschichte unserer Nation.“
Das lyrische Pathos lässt bewusst offen, zu welcher Identität, Kultur und Tradition sich die Suchenden bekennen sollen. In der „Jungen Freiheit“, dem Sprachrohr der Neuen Rechten, erklärte B. 2007: „Was der Zeitgeist vorgibt, interessiert uns nur am Rande. Wichtig ist uns, ein ausgeglichenes Geschichtsbewusstsein zu fördern.“
Die Kombination der Positionen legt nahe, dass eine diverse, multikulturelle Gesellschaft nicht als erstrebenswerte Gemeinschaft gesehen wird. In der Zeitschrift des Freibund Na klar! betont der Bund: „Bei allen Unterschieden zwischen dem heutigen Freibund und dem Bund Heimattreuer Jugend der 60er und 70er Jahre sind jedoch die Grundprinzipien gleich geblieben: Selbsterziehung (Jugend führt Jugend!), Bekenntnis zu unserer Identität als Deutsche, Bekenntnis zu unserem Volk und zur Völkervielfalt, europäische Gesinnung“.
Eine Offenheit des Begriffs nutzen Rechte gerne, um kein Volks- oder Heimatverständnis auszuschließen – und somit auch rechtsextreme Deutungen zuzulassen. Kein Zufall vielleicht, dass der „Freibund“ in der Vergangenheit Referenten wie den Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub oder den Northeimer Neu-Rechten Karlheinz Weißmann einlud.
Bei dem Bund wirken auch Aktivistinnen der rechtsextremen Identitären Bewegung mit. Im „Freibund“-Heim in Burgdorf-Berel konnte 2018 die „Junge Alternative Niedersachsen“ ein Brauchtums-Sommerfest ausrichten. Dieser Landesjugendverband war selbst dem Bundesverband der AfD-Jugend zu rechts und beschloss 2018 dessen Auflösung.
Persönliche Beziehungen des „Freibundes“ bestehen auch zum rechtsextremen „Institut für Staatspolitik“ um Götz Kubitschek. Mit einem Stoffbeutel von „Edition Antaios“, dem Verlag, den Kubitschek betreibt, lief auch B. bei einem bündischen Treffen herum. Ein Bild zeigt den Lehrer schwer bepackt mit der Tasche.
Er selbst kommt aus einer völkisch orientierten Familie. Sein Großvater veröffentlichte während der NS-Zeit 1941 eine Broschüre mit dem Titel: „Durchbruch zum deutschen Glauben – Ein Kampfruf an Deutschland – Gedanken eines Nationalsozialisten zum deutschen Glaubenskampf“. B.’s Vater Wolfram gehörte bis zum Verbot dem verfassungsfeindlichen Verein „Bauernhilfe e. V“. um die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck an. 1994 kandidierte der Vater für die „Republikaner“. Inzwischen leitet er den Stadtverband Springe der AfD.
Im aktuellen Jahresbericht weist der niedersächsische Verfassungsschutz (VS) auf die Bemühungen „völkischer Siedler“ hin. Aus diesem Kreis würde Fahrten, Wanderungen, Brauchtums- und Tanzfeste ausgerichtet. „Im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote werden junge Menschen rechtsextremistisch indoktriniert“, fasst der Verfassungsschutz aus Hannover zusammen.
Kultusministerium äußert sich zurückhaltend
Der „Freibund“ ist im Bericht nicht aufgeführt. In den vergangenen Monaten hat sich aber beim Bundesamt sowie bei Landesbehörden und -ämter gerade die Bewertung von rechten Organisationen im vorpolitischen Raum öfters geändert. Nach 70 Jahren rechtsextremer Tätigkeit und Kindererziehung erfolgte ein Verbot gegen die „Artgemeinschaft germanische Glaubens-Gemeinschaft“, gegen andere Gruppierungen erfolgten nach 60 und 20 Jahren eine Einstufungen als rechtsextrem.
Das niedersächsische Kultusministerium äußert sich auf Fragen zu Eckhard B.’s Tätigkeit beim Freibund zurückhaltend: Zu „Fragen, die sich konkret auf eine Person beziehen“, könne „aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes keine Auskunft erteilt“ werden, antwortet der Sprecher des Ministeriums, Felix Thiel.
In der Erklärung der Behörde heißt es weiter: „Seien Sie jedoch versichert, dass entsprechende Hinweise zu möglicherweise verfassungsfeindlichen Handlungen und Äußerungen von Schulbeschäftigten sehr ernst genommen und entsprechend der beamtenrechtlichen Rahmenbedingungen geprüft und beurteilt werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste