Umgang mit AfD und Rechtsextremismus: Gegen antidemokratische Normalität

Mobile Beratungsteams warnen vor Normalisierung von AfD und extremer Rechter. Antifaschistische Akteure müssten ernst genommen werden.

Faschistische Fundstücke bei Hammerskin Pommern

Waffen und Nazi-Symbole: Razzia nach Hammerskin-Verbot Foto: Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern / dpa

BERLIN taz | Wer versucht, den Rechten ihre Themen streitig zu machen, stärkt am Ende nur die Rechten. Diese Faustregel der Politik schien in den letzten Monaten vergessen: Demokratische Parteien debattierten über Migration als Gefahrenquelle, das Bundeskabinett verschärfte Abschieberegeln und selbst grüne SpitzenpolitikerInnen meinten, Antisemitismus ließe sich einfach ausweisen.

Es ist dieser Umgang mit Themenfeldern der AfD und eine damit einhergehende Normalisierung der Partei und ihrer rechten Positionen, vor der die Fachleute des bundesweiten Dachverbands der rund 50 Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus (MBT) am Montag in Berlin warnten.

Freundliche Gespräche auf den Fluren der Parlamente, ein gemeinsames Bier in der Kneipe – AfD-PolitikerInnen würden auch auf kommunale Ebene immer seltener isoliert, erklärte Dominik Schumacher vom MBT Düsseldorf. Er und seine KollegInnen blicken mit Sorge auf das anstehende „Superwahljahr“ mit EU-Parlamentswahl, Kommunalwahlen in acht Bundesländern und Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.

In den vergangenen Monaten sei aus den Coronaprotesten ein „stabiles antidemokratisches Protestmilieu entstanden“. Jede Krise werde verschwörungsideologisch aufgeladen. Extreme Rechte hätten vermehrt Immobilien gekauft und seien in Sozialräume vorgedrungen, etwa völkische Siedler oder ReichsbürgerInnen des „Königreichs Deutschland“.

AfD-Verbot könnte helfen

Die jüngsten Verbote von „Artgemeinschaft“ und „Hammerskins“ reichten nicht. Man begegne extrem rechten Aktivitäten meistens im legalen Bereich und im Alltag: in Betrieben, Kitas, Sportvereinen. „In manchen Regionen gehört Rechtsextremismus zur Normalität“, sagte Schumacher und fügte hinzu: „Für Rechtsextremismus galt und gilt: Wenn er normaler Teil der politischen Landschaft wird, dann ist seine Anschlussfähigkeit hergestellt.“ Daher sei Protest so wichtig. Auch ein AfD-Verbot könne helfen.

„Erfolg macht erfolgreich“, warnte auch Beate Küpper, Rechtsextremismusforscherin der Hochschule Niederrhein und Mitautorin der „Mitte“-Studie. Auch sie sieht in einem AfD-Verbot eine geeignete Gegenstrategie. Die Gefahr einer weiteren Radikalisierung bestehe dabei nicht, die sei bereits vollzogen. Und: „Die Opfererzählung gehört zum Kern des Rechtspopulismus. Sie werden immer behaupten, nicht gehört zu werden.“

Küpper spricht von einem „drastischen Anstieg demokratiegefährdender Einstellungen“: 8,3 Prozent der Bevölkerung teilten ein geschlossen rechtsextremes Weltbild, weitere 20 Prozent bewegten sich in einem Graubereich. Rechtsextreme seien zunehmend selbstbewusster und erreichten die Mitte der Gesellschaft. Die Forscherin forderte für zivilgesellschaftliche Akteure mehr Rückendeckung aus der Politik. Sie rät dazu, auf kommunaler Ebene vorzubeugen, Bündnisse zu schließen und mit wichtigen Akteuren ein „Krisenmanagement“ gegen rechts aufzubauen.

Eine, die diese Krise täglich managt und sich vor Ort gegen extreme Rechte stellt, ist Dorothea Schneider. Seit 2013 ist sie Vorsitzende des Vereins „Augen auf – Zivilcourage zeigen“ in Zittau im Südosten Sachsens. Um ihr Zuhause habe sie einen großen Zaun und Kameras, erzählt Schneider. „Teilweise kommt es mir in der aktuellen Situation schlimmer vor als während der Baseballschlägerjahre in den 1990ern.“

Zivilgesellschaftliche Akteure ernst nehmen

Schneider berichtet davon, wie der demokratischen Zivilgesellschaft der Nachwuchs fehle. „Die Leute sind ermüdet.“ Sie appellierte, zivilgesellschaftliche Akteure und ihre Warnungen vor Ort ernst zu nehmen. „Es muss aufhören, dass sie immer wieder ihre Arbeit rechtfertigen und ihr Handeln erklären müssen.“ Sie meint das auch in Bezug auf die sogenannte Extremismusklausel in Förderbedingungen, die Misstrauen schüre. Teilweise werde sogar gefordert, eine „politische Neutralität“ einzuhalten.

Schneider und die ExpertInnen in den Mobilen Beratungsteams warten auf das von der Ampelkoalition versprochene Demokratiefördergesetz. Wenn Beratungsstellen immer nur für ein Jahr mit einer Finanzierung planen könnten, störe das auch das langfristige Vertrauensverhältnis in der Beratung. Die Finanzierung müsse verstetigt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.