Rechte und Bürgermeisterwahl: Kandidat mit Vergangenheit

In Wernigerode könnte ein ehemaliger Bundesführer des extrem rechten „Bund Heimattreuer Jugend“ Vize-Oberbürgermeister werden.

Rathaus Werningerode

Das Rathaus von Werningerode Foto: Hans Eder/imago

Hamburg taz | Kompetent, streng und karitativ: In der Stadtverwaltung Wernigerode wird der Leiter des Dezernat Gemeinwesen, Rüdiger Dorff, sehr geschätzt. Der Jurist und Beamte gilt als fachlich versiert. Kurz vor Weihnachten könnte der 49-Jährige in der idyllischen Harzstadt in Sachsen-Anhalt stellvertretender Oberbürgermeister werden.

Bei der Stadtratssitzung am 10. Dezember möchte der amtierende Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) Dorff als Kandidaten vorschlagen, da der sein „vollstes Vertrauen“ genieße und die „erste Wahl“ sei. Im Stadtrat teilen aber nicht alle Mitglieder diese Einschätzung. Denn die „erste Wahl“ hat eine rechtsextreme Vergangenheit, die nicht weit zurückliegt.

Am Freitagmittag räumte Dorff gegenüber der taz ein, 2016 als Vertreter der „Deutschen Hochschulgilde Theodor Storm zu Kiel“ beim 32. Bundestag der völkisch ausgerichteten „Deutschen Gildenschaft“ mit auf dem Podium gesessen zu haben. „Ja“ antwortete er knapp auf die Nachfrage.

Der Korporationsverband steht wegen seiner nach eigenen Angaben „nationalen Überzeugung und bündischen Tradition“ immer wieder in der Kritik. Aus dem elitären Kreis kommen neu-rechte Vordenker wie Karlheinz Weißmann oder Götz Kubitschek. Bis zu einem internen Streit prägten sie gemeinsam das „Institut für Staatspolitik“. Aus der Gildenschaft kommt auch der Chefredakteur der Wochenzeitung „Junge Freiheit“.

Zwischen rechtsextrem und konservativ

Die Ursprünge der heutigen Gildenschaft liegen im Ersten Weltkrieg, erklärte Helmut Kellershohn. Der Experte für die Neue Rechte am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung betont, dass sich die Deutsche Gildenschaft offiziell zur Verfassung bekenne, sich aber ihre Mitglieder zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus bewegen.

Im Jahr 2016, als Dorff den „Bundestag“ der Gildenschaft besuchte, war seine rechte Vita politisches Thema in der Wernigeröder Stadtverwaltung. Denn da war der ehrgeizige Beamte zum ersten Mal als möglicher Vize-Oberbürgermeister im Gespräch. Damals suggerierte Dorff, seine rechte Vergangenheit würde schon weit zurückliegen – in den 1980er und 1990er Jahren.

Als Jurastudent in Kiel war Dorff nicht bloß beim Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). Bereits Ende der 1980er Jahre trat Dorff dem rechtsextremen Bund Heimattreuer Jugend (BHJ) bei. Laut Vereinsregister steht der „Freibund – Bund Heimattreuer Jugend e.V.“ (heute „Freibund“) in der direkten Nachfolge des BHJ.

Dorff wird ab 1993 als „Leitstellenführung“ der „Leitstelle Nord“ in der Verbandszeitschrift „Na klar!“ aufgeführt. Noch im gleichen Jahr wird er „Bundesführer“ und ist verantwortlich für den Inhalt der „Na klar!“. Ende 1997 taucht er dann letztmalig in dieser Funktion auf.

Männer in Bomberjacken

In den 1990er Jahren war Dorff auch bei der „Deutschen Hochschulgilde Theodor Storm“ in der schleswig-holsteinischen Hauptstadt engagiert und fungierte als ihr Sprecher. Diese Gruppe ließ sich damals an der Hochschule Kiel auch von Männern in Bomberjacken schützen.

Konfrontiert mit seiner Vergangenheit behauptete Dorff – 2016 und heute – unter seiner Führerschaft den Freibund „liberalisiert“ zu haben. Doch stimmt das? Denn die „Na klar!“, die er presserechtlich verantwortete, erschien auch danach wenig moderat. Im Blatt erschienen wiederholt Anzeigen für die neu-rechte „Junge Freiheit“ oder den rechtsextremen Verlag Siegfried Bublies. Es gab ein Interview mit dem rechtsextremen Ökologen Baldur Springmann oder eine positive Besprechung der „nationalrevolutionären“ Zeitschrift „wir selbst“.

Die Befreiung vom Nationalsozialismus 1945 war für den „Freibund“ auch 1995 die „wahrscheinlich bitterste Niederlage, die die Deutschen in ihrer Geschichte erleben mussten“. Das Verbot der verfassungsfeindlichen „Wiking Jugend“ 1994 durch den Bundesinnenminister hielt der Bund für „unverhältnismäßig“.

Nicht nur ein Mitläufer

Zudem wurde jetzt bekannt, dass Dorff 1995 als Vertreter des Freibundes an einer Jugendtagung des rechtsextremem „Witikobund“ teilnahm. Er habe über „die bewusste Abkehr von den ursprünglichen Werten im Gefolge der 68er-Bewegung“ gesprochen und betont, „vorrangige Aufgabe“ der Jugendbewegung sei die „Heranbildung von Persönlichkeiten mit klarer Wertvorstellung“, wie es im Witiko-Brief hieß.

David Begrich, Rechtsextremismus-Experte bei Miteinander e.V. in Sachsen-Anhalt möchte keinen Menschen absprechen sich ändern zu können, seine Einstellungen zu revidieren. Doch Dorff war nicht irgendwer beim „Freibund“. Und das, sagt Begrich, sei ein klares Indiz dafür, nicht nur zeitweiliger Mitläufer gewesen zu sein.

Einen Vorsitzenden dürfte man als „ideologisch gefestigt“ betrachten, so Begrich. Dass der hochrangige Beamte vor vier Jahren den Anschein erweckte schon lange keine Kontakte mehr in diese Szene zu haben, dürfte nun mehr als irritieren.

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