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Schule unter Corona-BedingungenDie Rotznasen-Frage

EIne Mutter, die ihren erkälteten Sohn auf Corona testen lassen will, wird vom Kinderarzt weggeschickt. Die Schule verlangte einen negativen Test.

Erst wieder ganz gesund zur Schule? Husten kann Wochen dauern Foto: Angelika Warmuth/dpa

Hamburg taz | Seine Schule war erst zwei Tage wieder auf, da fieberte und hustete der zwölfjährige Jonas in der Nacht zum Samstag. Mutter Beate Schneider behielt ihn am Montag zu Hause und fragte in der Altonaer Schule nach, was sie tun solle. Nötig, sagte die Sekretärin, wäre ein negativer Coronatest, anderfalls müsse der Junge zwei Tage „symptomfrei“ sein. Solange bleibe das Kind zu Hause.

Hamburg hat den Schulstart trotz Pandemie hinter sich. Für die Reiserückkehrer gab es am Flughafen und bei den Notdiensten in Farmsen und Altona kostenlose Tests. Die Schulbehörde teilte am Dienstag mit, es hätten sich 21 Schüler und drei Lehrer in den Ferien infiziert. Fast alle waren Dank der Tests gar nicht erst im Unterricht erschienen, nur in einer Klasse fiel der aus. Im Lauf der Woche kamen noch Fälle dazu. Doch offenbar gibt es Unklarheit, was mit Kindern passiert, die in der Schulzeit erkranken.

Wie bei Jonas. Nach drei Tagen war das Fieber zwar weg, „aber er schnieft noch, hört sich kratzig an und hustet“, berichtet Beate Schneider. Bis dieser Husten ganz abklingt, schätzt sie, wird es zwei Wochen dauern. Und dass ihr Sohn gleich zum Schulstart so viel Stoff verpasst, ist der berufstätigen Mutter nicht geheuer.

„Ich war Mittwoch mit Jonas bei Kinderarzt. Der weigerte sich, den Test zu machen“, sagt Schneider. „Er sagte, es wäre ein,banaler Infekt', da macht er keinen Abstrich.“ Schon am Empfang hieß es, ob getestet werde, entscheide der Arzt. Die Mutter rief dann eine Hausärztin an und hörte, dass dort ein Test 90 Euro koste.

Wer soll testen?

Beate Schneider, die wie ihr Sohn anders heißt, aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sah sich in der Zwickmühle. Zwar schrieb die Schule auf ihre Nachricht, dass der Sohn laut Kinderarzt zur Schule könne, das sei in Ordnung. „Aber ich möchte nicht Sündenbock sein, wenn es doch Corona ist und die Schule schließt“, sagt Schneider.

Dass ein Kind bei Coronaverdacht den Negativtest braucht oder zwei Tage symptomfrei sein muss, findet sich in der „Anlage 7“ eines Briefs, den Schulsenator Ties Rabe (SPD) Ende Juli an die Schulen schickte. „Die Schulbehörde hat, wenn sie Schulen öffnet, die Pflicht, Testkapazitäten zu organisieren“, findet Lars Reissmann, Elternsprecher am Struensee-Gymnasium auf St. Pauli.

Es könne nicht sein, dass die Stadt Reiserückkehrer kostenlos testen lasse, nicht aber kranke Schüler. „Und dass so ein Test 90 Euro kosten soll, geht gar nicht. Dann machen viele Eltern das nicht“, kritisiert Reissmann.

Die Schulbehörde hat zwar mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) vereinbart, dass sich Lehrer und andere Beschäftigte bis zu den Herbstferien dreimal kostenlos auf Covid-19 testen lassen können. Gefragt, was Eltern von kranken Kindern tun sollen, erklärt Sprecher Peter Albrecht, diese wendeten sich im Verdachtsfall telefonisch an den Haus- oder Kinderarzt, der weitere Schritte festlege, „insbesondere, ob eine Coronatestung und oder Quarantäne notwendig ist“. Die Frage, was Tests kosten und ob Eltern dafür zahlen müssen, beantworteten Schul- und Gesundheitsbehörde nicht.

Auskunft gab indes die Kassenärztliche Vereinigung. Eltern hätten nicht generell Anspruch auf Testung ihrer Kinder, sagt Sprecher Jochen Kriens, „bei Kindern mit Erkältungssymptomen aber schon“. Für Patienten mit Symptomen, die gesetzlich versichert sind, seien sie auch kostenfrei.

Die Ärzte entscheiden

Sollten Tests in einer Arztpraxis durchgeführt werden, empfehle es sich, „vorher dort anzurufen und das weitere Vorgehen zu besprechen“, rät Kriens. Teste der Arzt nicht, könnten Eltern unter 116 117 beim Arztruf Hamburg anrufen und den Test durch den fahrenden Notdienst machen lassen. Allerdings berichtete der NDR, dass dort am Sonntag und Montag 4.000 Menschen am Tag anriefen – viel mehr als sonst.

Die Durchführung eines Tests ist immer eine ärztliche Entscheidung

Annette Lingenauber, Berufsverband der Kinderärzte

Annette Lingenauber, Sprecherin des Landesberufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, sagt: „Die Durchführung eines Tests ist immer eine ärztliche Entscheidung. Die treffen nicht Lehrer oder Schüler.“ Sie verstehe die Verunsicherung, aber Ärzte seien weniger ängstlich als Lehrer und Erzieher.Die Ärztin verweist auf den Leitfaden der Sozialbehörde zum Umgang mit Erkältungssymptomen in den Kitas. „Kinder nur mit Schnupfen dürfen die Kita weiter besuchen. Mit Husten und Fieber sollten sie zu Hause bleiben“, sagt Lingenauber.

Dass Kinder symptomfrei sein sollen, bevor sie wieder in die Institutionen dürfen, sei schon immer so. Bei Husten sei es jedoch nötig abzuklären, ob der chronisch ist wie bei einem Asthma. Dann sei Husten allein kein Grund, das Kind zu Hause zu lassen. Allerdings warnt Lingenauber: „Ein Husten kann nach Abklingen des Fiebers noch zwei bis vier Wochen bleiben. Da sollte man schon früher einen Test machen, um den Kita-Besuch zu ermöglichen“.

Lars Reissmann kritisiert, es fehlten auf der Homepage der Behörde Hinweise auf kostenlose Tests für Schüler. „Und es bleibt so schwammig, was heißt denn eigentlich symptomfrei?“, sagt Schneider. Es sei ungut, „wenn Ärzte Eltern Hürden aufbauen“.

Beate Schneider ließ Jonas noch einen Tag zu Hause.

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4 Kommentare

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  • So erging es mir im März auch. Trotz Symptomen wie Husten und Fieber lehnte der Hausarzt den Test entpsprechend der damaligen RKI-Kriterien ab, weil ich keine infizierte Kontaktperson benennen konnte und nicht aus einem Risikoland käme - dabei wies NRW da selbst schon 60 Infizierte auf 100.000 Einwohner auf. Erst eine Woche später, als mein Freund, ein PTA, positiv getestet worden war, durfte auch ich noch einmal antreten - das binnen 24h eingetroffene Testergebnis war positiv. Ich konnte leider nur die Menschen benennen, die in der Woche bei mir im Büro waren. Wen ich noch alles beim Einkaufen angesteckt haben mag, wage ich nicht zu schätzen. Mit Verlaub, diese Knauserigkeit mit den Tests ist absoluter Quatsch. Damals durfte ich den Test auch nicht selbst kaufen. Allein bei mir beliefen sich hernach die Einbußen während meiner Krankheit auf etwa 1.000 EUR, den Schaden bei anderen kann ich nur schätzen. Da sind 90 EUR doch ein lächerlicher Preis, um Schlimmeres zu verhindern!

    • @hedele:

      Ersteinmal muss man wissen: Es geht nicht nur um 90E, sondern bei allen "Regeln" zum Testen vor allem um Kapazitäten!



      Insbesondere im März waren Testkits noch rar und wohl um einiges ungenauer als jetzt. Auch jetzt sind die Labore überlastet. Würde man da jeden Menschen doppelt und dreifach testen, würden mehr Corona Infektionen bekannt werden - aber die Testergebnisse erst zu Neujahr rauskommen.

      Doof gesprochen: In China musst du Schlange stehen, in Tadzikistan erkrankst du sowieso "nur" an einer atypischen Lungenerkrankung, in den USA musst du ordentlich verdienen und in Deutschland regelt das die Bürokratie.

      Und natürlich gilt zusätzlich Angebot und Nachfrage, bzw. beim Arzt der Patientenleidensdruck, ist der gross genug zahlt er auch private IGEL Leistungen. (Die der Arzt pauschalisiert ebend nur bekommt wenn er einen Treffer erzielt, kein Krankheitstreffer in Sicht - kein zus. Geld)

      Natürlich kann man jetzt noch lange Überlegungen anstellen, was dafür Verantwortlich ist, aber das liegt auf der Hand oder ?

      • @BlackHeroe:

        ...und natürlich in Neusseeland sperrt man einfach Tür und Tor zu. Reduziert nicht nur den Bedarf an Testmöglichkeiten ;)

    • @hedele:

      Das ist natürlich sehr schlecht gelaufen, aber bis Mitte März waren die Testkapazitäten sehr beschränkt, so dass diese Tests für die Personen mit der höchsten Wahrscheinlichkeit verwendet werden mussten. Wenn ich mich richtig erinnere mussten im Februar die Tests noch ans Charité nach Berlin geschickt werden, weil nur das Charité die Möglichkeit hatte die Tests durchzuführen. Die Testkosten sind in den letzten Monaten deutlich gefallen, da die Tests zwischenzeitlich in Massenproduktion hergestellt werden. Die letzten Wochen ist in Dtl viel, viel weniger getestet worden, als es Testkapzitäten gab. Das ändert sich jetzt durch die Massen an Reiserückkehrer. Die Anweisung in BW ist derzeit, dass alle Patienten mit Infektzeichen getestet werden müssen. Ich weiß, dass sich die Kinderärzte dagegen wehren, da wohl jeder etwa 100 Kinder am Tag mit Erkältung testen muss und damit keine Zeit für wirklich kranke bleibt.