Schuldenkrise in Griechenland: Der Polterer
Der Chef der „Unabhängigen Griechen“ will Flüchtlinge schicken, wenn Europa nicht zahlt. Doch nicht Kammenos ist das Problem, sondern Tsipras.
Es war von Anfang klar. Der kuriose Koalitionspartner des linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras würde sich mit seinen überzogenen Verbalangriffen als Nebenaußenminister und Ersatzkassenwärter positionieren.
Schon wenige Tage nach Bildung der neuen Regierung unter Tsipras dachte der Chef der rechtspopulistischen Partei „Unabhängige Griechen“, Panos Kammenos, laut über Finanzhilfen und Waffenkäufe aus Russland nach. Auch die von der Linkspartei in Aussicht gestellte Lockerung des Ausländerrechts lehnte er ab.
Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Frage, wer für das seit 2010 laufende Sparprogramm „verantwortlich“ sei, forderte Kammenos auch noch.
Nun ein weiterer Griff in die rechtspopulistische Rhetorikkiste mit einer Warnung an die EU-Partner: „Falls die uns einen Schlag versetzen, dann setzen wir morgen früh die Dublin II-Verordnung außer Kraft, die Migranten bekommen Papiere und Ausweis und gehen dann nach Berlin. Sollte sich unter ihnen der eine oder andere IS-Sympathisant befinden, würde Europa dies verantworten müssen“ donnerte der für seine antideutsche Einstellung bekannte Kammenos auf einer Parteitagung am vergangenen Sonntag.
Wahlkampfmodus
Er sagte aber auch etwas anderes: Die Parteiorgane seien ab sofort in Wahlkampfmodus versetzt und sollte es zu Neuwahlen kommen, dann wollten die Unabhängigen Griechen ihren Stimmanteil verdoppeln. Mit anderen Worten: Nach der Wahl ist vor der Wahl.
Kammenos glaubt offenbar, dass Tsipras unter dem Druck der Ereignisse möglicherweise keine Alternative zum erneuten Urnengang hätte - und will gut gewappnet sein für diesen Fall. Dass es dabei zum Bruch mit den EU-Partnern und im äußersten Fall sogar zum Schengen-Austritt Griechenlands käme, scheint Kammenos nicht zu kümmern. Er war immer ein Polterer, der aus dem Volkszorn politisches Kapital schlägt.
Außerdem waren die Unabhängigen Griechen in der Opposition als Verschwörungstheoretiker aufgefallen. Einige Parteimitglieder äußerten damals allen Ernstes den Verdacht, die Regierung würde die griechischen Wähler regelmäßig von Flugzeugen mit Chemikalien besprühen- damit sie lahm werden und nicht gegen Sparauflagen und weitere Unannehmlichkeiten protestieren.
Dass ein Rechtspopulist wie Kammenos ewigen Wahlkampf auf dem Rücken von Ausländern und Flüchtlingen führt, konnte man erwarten. Überraschend wirkt dagegen der krampfhafte Umgang der Linkspartei Syriza mit diesem Thema. Das zeigte sich in den vergangenen Tagen, nachdem sich mehrere Flüchtlinge im Athener Auffanglager Amygdaleza das Leben genommen hatten.
Zaudernde Linke
Der neue stellvertretende Minister für Bürgerschutz Jannis Panoussis, ein renommierter Rechtsprofessor, gerierte sich empört über die Lebensbedingungen der Menschen in den Haftlagern. Wenige Tage später berichtete der Athener TV-Sender Skai von einem internen Papier des Ministeriums, in dem die Schließung der Auffanglager und die Freilassung aller Flüchtlinge angeordnet würden.
Eine nationale Welle der Empörung war die Folge. Panoussis erklärte feige, er sei darüber nicht informiert gewesen. Der zuständige Polizeioffizier, der die Anordnung unterzeichnet, wurde suspendiert. Obendrauf maßregelte Panoussis die Journalisten, die aus seiner Sicht unterlassen hätten, mit ihm zu sprechen, bevor sie über das interne Papier berichten - dessen Existenz allerdings niemand bestreitet. So weit so duckmäuserisch. Aber was können die Flüchtlinge dafür?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption