Schulbesetzung in Göttingen: Wie man Radikalisierung einübt

In Göttingen besetzten Kli­mak­ti­vis­t*in­nen eine leere Schule. Dem Rektor fiel nichts besseres ein, als die Polizei zu rufen.

Junge Menschen stehen in einer Reihe vor einem grünen Hintegrund im Audimax in Leipzig. Sie halten einen weißen Banner mit der Aufschrift "Besetzt! End Fossil: Occupy

Nicht alleine: Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen der Gruppe „End Fossil: Occupy“ besetzen die Leipziger Uni Foto: Benedict Bartsch/dpa

Man fragt sich ja schon, was den wohl geritten hat. Die schlichte Nachricht ist die: Am Montag besetzten junge Kli­mak­ti­vis­t*in­nen eine leere Schule in Göttingen. Leer, weil der Unterricht aufgrund der flächendeckenden Blitzeiswarnungen ausgesetzt wurde. Der Schulleiter war trotzdem an Bord. Und rief erst die Polizei und dann die Schuldezernentin an.

Geht es noch armseliger? Landauf, landab, nein, eigentlich weltweit kommt es zurzeit zur Besetzung von Schulen und Hörsälen. Auch in Göttingen, schon im November. Die meisten verlaufen friedlich. Die Ak­ti­vis­t*in­nen nehmen ein oder zwei Räume in Beschlag, organisieren Zusammenkünfte, Seminare, Vorträge, machen ihre Standpunkte klar.

Einige sind – so hört man – sogar ausnehmend gut organisiert. Es gibt An­sprech­part­ne­r*in­nen für besorgte Eltern, Un­ter­stüt­ze­r*in­nen von außen, die kochen und Essen liefern, Reflexions- und Diskussionsrunden, in denen gemeinsame Beschlüsse gefasst und Konflikte beigelegt werden.

Wünscht man sich nicht eigentlich genau das? Engagement, Leidenschaft, demokratische Diskussionskultur, selbstständiges Handeln? Zumal ja niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit ihres Anliegens leugnen kann? Was also bewegte den Schulleiter des Felix-Klein-Gymnasiums in Göttingen?

Sicherung durchgebrannt?

Was glaubte er in diesem Moment mit polizeilicher Hilfe verteidigen zu müssen? Den nicht stattfindenden Schulbetrieb? Eine anstehende Weihnachtsfeier? Die Unversehrtheit des Aula-Fußbodens? Sind ihm – angesichts von Pandemierückständen, Krankheitsausfällen und noch x anstehenden Klausuren – einfach die Sicherungen durchgebrannt? Ist er einem archaischen Instinkt der Revierverteidigung erlegen? Man hätte ihn das gern gefragt, aber natürlich geht er nicht ans Telefon und beantwortet gerade auch keine E-Mails.

Er war wohl – das kann man dem Göttinger Tageblatt entnehmen – sauer, weil „seine“ Schule schon ein paar Tage zuvor mit Graffiti beschmiert worden war. Außerdem glaubte er unter den Ak­ti­vis­t*in­nen zu viele Schulfremde erblickt zu haben.

Und den Hausmeister haben sie auch ausgetrickst! Nun ja. Ob bewusst oder unbewusst, er hat jedenfalls ein Beispiel dafür geliefert, wie man es lieber nicht macht. Schuldezernentin und Polizei gingen dann ins Gespräch mit den Be­set­ze­r*in­nen und sahen von einer gewaltsamen Räumung erst einmal ab.

Die – die Älteren unter uns erinnern sich – ist übrigens das sicherste Mittel, eine rasche und umfassende Radikalisierung zu produzieren. Aber vielleicht ist das ja auch die Absicht – genauso wie bei dem Gefasel von der Klima-RAF. Wer immer nur über die Aktionsformen debattiert, spart sich ja bequemerweise auch die Auseinandersetzung mit den politischen Inhalten.

Aber schön, dass wir zumindest eine Frage endgültig geklärt haben: Nein, die freitäglichen Schulstreiks waren keine blöde Ausrede, um die Schule zu schwänzen. Diese Kids gehen da sogar bei Blitzeis hin, wenn es Not tut – und bleiben über Nacht.

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Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020

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