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Schüsse auf Demonstrierende in LibyenAufstand gegen Kriegsführer

In Libyens Hauptstadt Tripolis kommt es zu Protesten gegen alle Kriegsparteien. Plötzlich fallen Schüsse, vermummte Milizen feuern in die Menge.

Libyens Milizen sind immer wieder in Übergriffe auf Zivilisten verwickelt, Tripolis im Juni 2020 Foto: Xinhua/imago

Tunis taz | Die Poster zeigten Fotos der verfeindeten Kriegsführer Libyens: General Haftar, Regierungschef Sarradsch, Parlamentschef Saleh nebeneinander. Die Portraits waren durchgekreuzt und mit den Worten „Geht endlich“ versehen. Hunderte Demonstranten kamen am Sonntagabend auf dem zentralen Märtyrerplatz in Libyens Hauptstadt Tripolis zusammen und forderten ein Ende von Korruption und Willkürherrschaft auf allen Seiten.

Obwohl die Demonstranten mit weißen Flaggen durch die Innenstadt zogen, um keine der in Tripolis tonangebenden Milizen zu provozieren, fielen plötzlich Schüsse. Vermummte Uniformierte feuerten von ihren Pick-ups, um die Menge zu zerstreuen.

Videos von Demonstranten mit Schusswunden kursierten später auf sozialen Netzwerken. Brennende Mülltonnen und in kleinen Gruppen durch die Stadt ziehende Jugendliche erinnerten an den Beginn des Aufstandes gegen Gaddafi 2011.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Sarradsch-Regierung den Einsatz von scharfer Munition angeordnet hat. Das gewaltsame Vorgehen der regierungsnahen Milizen zeigt nun aber, wie schwierig es sein wird, den am Freitag verkündeten Waffenstillstand umzusetzen.

Söldnertruppen wollen keinen Frieden

Die vier großen Hauptstadtmilizen, die von der Türkei aus Syrien eingeflogenen Söldner und radikale Gruppen werden zwar vom Innen- oder Verteidigungsministerium bezahlt, handeln aber oft nur in Eigeninteresse und auf eigenes Kommando. Der 18-monatige Krieg um Tripolis war für die ausländischen Kämpfer aus Syrien, Sudan und Russland ein lukratives Geschäft. Der Frieden würde ihre Entwaffnung bedeuten.

Doch die Bevölkerung sehnt sich nach friedlichen Verhältnissen. Zwar gibt es seit Juni kaum noch Kämpfe zwischen den Einheiten der Regierung im Westen des Landes und den Truppen von General Haftar im Osten. Dafür aber verschlechterten sich die Lebensumstände in vielen libyschen Städten merklich. Bis zu zehn Stunden täglich fiel in den Sommermonaten in Teilen von Tripolis die Wasser- und Stromversorgung aus, der Wert des Dinars sank um ein Drittel.

Auch die monatlich auf rund 60 Euro begrenzte Auszahlung an Geldautomaten und die langen Schlangen an den Tankstellen zerren an den Nerven vieler Libyer. Noch warten in der Hauptstadt über 100.000 auf die Rückkehr in ihre Häuser, die sie während der Kämpfe im Süden der Zweimillioneneinwohnerstadt und des Beschusses durch die mittlerweile abgezogenen Haftar-Truppen verlassen mussten. In der letzten Woche starben drei Rückkehrer bei der Explosion von Landminen.

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