SchülerInnen diskutieren mit Müller: „Haben Sie eine bessere Idee?“
Auch in Schulen ist das Thema Flüchtlinge hochaktuell, wie eine Diskussion am Freitagmorgen in Neukölln zeigt.
Die Frage des Zwölftklässlers ist direkt: Er will wissen, ob das „Zusammenpferchen“ von Flüchtlingen in Messehallen und anderen provisorischen Unterkünften menschenwürdig sei. Die Antwort von Michael Müller (SPD) ist keine: „Haben Sie eine bessere Idee?“ Der Schüler der Neuköllner Lise-Meitner-Schule schlägt vor, die seiner Meinung nach vielen leer stehenden Gebäude und Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Der Regierende Bürgermeister hält dies für eine „gute Idee“ – doch würden die verfügbaren Wohnungen nur für die in diesem Monat ankommenden Flüchtlinge reichen. „Was machen wir im April?“ Darauf weiß der Schüler keine Antwort, stellt aber fest: „Schnelles Handeln darf nicht zu schlechtem Handeln führen.“ Müller kontert: „Doch.“ Aktuell müsse man mit Übergangslösungen arbeiten.
Am Freitagmorgen war Berlins Regierungschef zu Gast in dem Oberstufenzentrum. 60 SchülerInnen der 12. und 13. Klasse, also im besten Erstwähleralter, stellten Müller ihre Fragen. Im Vorfeld war abgestimmt worden, welches Thema von größtem Interesse ist. Es gewann die Flüchtlingsthematik.
Eine Schülerin hat von Müllers Ankündigung gehört, dass ab Sommer einige der von Flüchtlingen belegten Turnhallen wieder frei werden: „Wohin kommen die Flüchtlinge dann?“ – „In MUFs, also Modularunterkünfte, oder Container“, antwortet Müller. In „dramatischen“ Zeiten, in denen täglich 700 Flüchtlinge gekommen waren, sei nichts anderes möglich gewesen, als diese in Turnhallen unterzubringen. Von insgesamt 1.500 Turnhallen seien 61 von Flüchtlingen belegt.
Eine andere Schülerin fragt, was man in Berlin tue, um Übergriffe wie in Köln oder Hamburg zu verhindern. In einer Großstadt gebe es immer Kriminalität, damit müsse man leider leben, so Müller. Die Übergriffe in Köln und Hamburg seien aber von „besonderer Qualität“, da sie organisiert gewesen waren. Er ist sich sicher, dass die Berliner Polizei auf solche Fälle anders vorbereitet ist und „schneller, klarer eingreifen“ könne.
„Wenn ich mir die Meldungen auf berlin.de anschaue, habe ich das Gefühl, dass Sie öfter in Los Angeles unterwegs sind, als sich mit dem Thema Flüchtlinge zu beschäftigen“, erklärt ein Schüler. Müller erklärt, er wolle eben deutlich machen, dass es auch andere Themen jenseits der Flüchtlingsfrage gibt.
Schulsprecher Lucas Steinmüller sagt nach dem 75-minütigen Gespräch, dass er dabei „ein anderes Bild von der Politik“ bekommen habe, als die Presse vermittle, und „ein Verständnis für die Politik“ entwickelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland