piwik no script img

Schrumpfendes BIPGegen die Krise anbauen

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Das BIP ist zum zweiten Jahr in Folge gesunken. Um es anzukurbeln und Härten sozial abzufedern, sollte der Staat Wohnungen bauen.

Die machen es richtig: Bauen, bauen, bauen Foto: imagebroker/imago

J etzt ist es amtlich: Deutschland steckt seit zwei Jahren in einer Wirtschaftskrise. Bedenklicher aber als das Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent im vergangenen Jahr, das das Statistische Bundesamt nun konstatierte, sind die Begleiterscheinungen dieses Rückgangs: die Gefahr, dass Klimaschutzmaßnahmen zurückgenommen und die Kosten der Krise schlicht auf die Beschäftigten abgewälzt werden.

Der vermutlich nächste Kanzler Friedrich Merz macht damit Wahlkampf, dass er das Verbrenner-Aus zurücknehmen will, vom grünen Stahl hält er nichts. Die sozial- und arbeitsmarktpolitischen Forderungen der Union zielen darauf ab, den Faktor Arbeit für die Unternehmen billiger und vor allem flexibler zu machen. Obendrauf sollen die Unternehmen in den Genuss einer Steuersenkung kommen.

Es droht eine neoliberale Scheinlösung der Krise, die eine Umverteilung von unten nach oben bedeuten wird. Dabei wird ein Zurückdrehen in Sachen Klimaschutz der Industrie nicht weiterhelfen. Im Gegenteil: Der Autobauer VW zum Beispiel steckt derzeit in der Krise, gerade weil er die Antriebswende nicht konsequent genug verfolgt hat und seine Elektroautos nun nicht mit der Konkurrenz aus China mithalten können.

Vor allem aber kann die Wirtschaftskrise nur mit der Einsicht gelöst werden, dass „die Wirtschaft“ nicht allein aus Unternehmen besteht. Auch die Menschen im Land sind Teil des wirtschaftlichen Lebens. Sie steigern das Bruttoso­zial­produkt, indem sie arbeiten und einkaufen gehen. Doch sorgen sie sich in Zeiten der Krise um ihren Arbeitsplatz. Zudem leiden sie weiterhin unter den hohen Preisen. Erst im vergangenen Jahr erreichten die Reallöhne wieder ein Vor-Corona-Niveau. In den Städten kommen die hohen Mieten hinzu.

Wohnraumpolitik ist Wirtschaftspolitik

Statt Geld in pauschale Steuersenkungen zu stecken, sollte der Staat es lieber in ein breit angelegtes soziales Wohnungsbauprogramm investieren. Denn noch prekärer als in der Industrie ist die Lage auf dem Bau. Der Staat könnte mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Er würde nicht nur in einer wichtigen Branche Arbeitsplätze sichern, er würde auch weite Teile der Bevölkerung durch bezahlbaren Wohnraum finanziell entlasten.

Die Menschen hätten dann mehr Geld zur Verfügung, mit dem sie Besseres anstellen könnten, als es an ihre Vermieter zu überweisen. So würde die Konjunktur weiter gestärkt. Last, but not least wäre das auch fürs Klima gut, weil gut isolierte Neubauten weniger geheizt werden müssen als unsanierte Altbauten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Parteiprogramme werden immer auf ihre Gegenfinanzierung geprüft, Vorschläge wie dieser auch ??

  • Verbrenner-Verbot ist ja auch Unsinn: hat Elon Musk oder die Chinesen ein Verbrennerverbot benötigt, um E-Autos zu verkaufen? Grünen Stahl ohne ganz gewaltige Subventionen zu konkurrenzfähigen Weltmarktpreisen produzieren? Geht nicht.

    Und dann wieder das übliche Narrativ: "der Autobauer VW ... steckt in der Krise, weil er die Antriebswende nicht konsequent genug verfolgt hat"...mit Verlaub, das ist doch Käse. Schauen Sie sich die Qualität der VW Autos im Vergleich zur Qualität der Autos aus China an und sie werden bemerken, dass die VW Autos nicht schlecht und nur rel. gering teurer sind. Was die tatsächlich falsch gemacht haben: die haben den chinesischen Markt falsch eingeschätzt. Und sie haben, aufgrund des Verbrennervebotes, die Entwicklung der Verbrenner aufgegeben. Obwohl die Welt noch viele Jahre lang Verbrennnungsmotoren benötigen wird. In 10 Jahren wird die Welt eben nicht von Ladestationen überzogen sein.

    Und dann wird man sagen: VW hat die Entwicklung der Mobilität falsch eingeschätzt.

    Und die Lösung: Umverteilung. Staat kassiert Geld und verteilt es dann wieder großzügig nach Abzug der Verwaltungskosten ...

  • "Der Staat könnte mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Er würde nicht nur in einer wichtigen Branche Arbeitsplätze sichern, er würde auch weite Teile der Bevölkerung durch bezahlbaren Wohnraum finanziell entlasten.

    Die Menschen hätten dann mehr Geld zur Verfügung, mit dem sie Besseres anstellen könnten, als es an ihre Vermieter zu überweisen. So würde die Konjunktur weiter gestärkt. Last, but not least wäre das auch fürs Klima gut, weil gut isolierte Neubauten weniger geheizt werden müssen als unsanierte Altbauten."

    Gewagte Theorien.

    1.) Sind die Flächen, die für massiven Neubau zur Verfügung stehen, begrenzt, es sei denn man baut in Randlagen oder in der Peripherie. Ob die Menschen dort hinziehen werden um eine teure Wohnung in guter gegen eine günstigere in weniger gute Lage einzutauschen, sei dahingestellt. Was nicht passieren wird: das neue günstige Wohnungen in großer Zahl in den stark nachgefragten Wohngegenden gebaut werden können.



    2.) Wohnungsbau setzt massiv CO2 frei, nicht nur an den Baustellen selbst sondern auch bei der Herstellung/Beschaffung der Materialien. Ob das auf Dauer die gesparten Heizkosten in der CO2-Bilanz schlägt, ist fraglich.

  • "Die Menschen hätten dann mehr Geld zur Verfügung, mit dem sie Besseres anstellen könnten, als es an ihre Vermieter zu überweisen."



    Genau.... Flachbildschirme, Kühlschränke, Autos, Billigklamotten...!



    Im Idealfall Fortbildung, Bildung für die Kinder, Museum, Bücher...



    Für jeden was dabei.



    Nur wenn es für den Vermieter keinen Anreiz mehr gibt Wohnraum bereitzustellen wo wohnen die dann? Das Vermieterbashing nervt, Auswüchse als flächendeckendes Problem darzustellen ist nicht hilfreich.



    Mieten zu bezahlen ist ein Altersarmutsrisiko. Leute in Besitz zu bringen ist daher genauso wichtig. Sozialwohnungen sollten nur ein temporäres Sprungbrett sein.

  • Vielen Dank. Das ist genau was wir brauchen.

  • "Die Menschen hätten dann mehr Geld zur Verfügung, mit dem sie Besseres anstellen könnten, als es an ihre Vermieter zu überweisen."



    Das ist ein interessanter Punkt und genau das, was wirksam sein könnte (und würde), jedoch ist die Frage, wie groß dieses Programm sein müsste, um diese Effekte zu erzeugen aus dem Stegreif nicht abzuschätzen.

  • Das nennt man wohl lernresistent: die Wohnungsbazooka gegen die Rezession!

    Wirkt sicher. Einfach mehr staatliches Geld in ein kaputtes System geben. Man könnte ja auch die Regeln fürs Bauen durchforsten, man könnte ja auch das Wohneigentum stärken, man könnte ja das Mietrecht entrümpeln oder eben s.o.

    • @GregTheCrack:

      und dann wird bauen günstiger? und ergo auch die Mieten?

  • Wir hatten schon enmal einen Staat, der sich um alles gekümmert hat. 1989 war's dann damit vorbei.

    • @Carsten S.:

      Staatliche Investitionen bei schwächeren Wirtschaft bedeuten nicht die DDR, sondern sind ganz elementare keynsianitische Wirtschaftlehre, die sogar in den USA lange vorherrschend war.

    • @Carsten S.:

      Vorwärts immer, rückwärts nimmer.

    • @Carsten S.:

      wir hatten schonmal einen Staat der die Massen den freien Kräften des Kapitals überlassen hat, 33 war`s damit vorbei.

  • Genau!



    Die Vorraussetzung für derart zukunftsorientierte Politik ist allerdings, dass ein Dino wie Merz nicht Kanzler wird.



    Es kann nicht oft genug gesagt werden, dass seine Pläne Deutschland nicht nach vorne, sondern ins Abseits bringen.



    Wir haben die Wahl und sollten sie im Sinne der Mehrheitsbevölkerung und nicht im Sinne der oberen 10.000 treffen.