Schrottangler aus Eberswalde: Mit Geduld und schweren Magneten
Sie fanden es öde, nur Fische zu angeln. Jetzt holen Devon Hoffmann und Leon Holub Altmetall aus Gewässern – und werden auf Social Media gefeiert.
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Eine Waschmaschine hatten Devon Hoffmann und Leon Holub zwar noch nie an der Angel. Dafür Tresore, Fahrräder, E-Roller, Campingstühle, Grills und tonnenweise Undefinierbares, dem die Jahrzehnte im Wasser jegliche Form genommen haben. Mit schweren Magneten angeln die beiden jedes Wochenende in Berliner und Brandenburger Gewässern nach Schrott.
Dabei denken sie weniger an betrunkene Männer, die sich ihre Beine brechen könnten, als an die Umwelt und die Fische, die die Metallkrümel für Futter halten. Hoffmann, 18 Jahre alt, und, Holub, 19 Jahre alt, nennen sich „Magnet for Future“. Im Internet haben sich die beiden mittlerweile eine kleine Fangemeinde aufgebaut.
Darauf, sich einen Namen zu geben und ihre Funde online zu präsentieren, wären sie anfangs gar nicht gekommen. „Aber uns sprechen einfach immer so viele Leute an, die mehr übers Magnetangeln wissen wollen und wie man uns unterstützen kann“, sagt Devon Hoffmann.
Neugierige Ausflügler*innen halten an
Holub und Hoffmann stehen an diesem Samstagvormittag im Juli unter einer alten Eisenbahnbrücke am Finowkanal in Eberswalde, gleiche Käppis, gleiche Shirts, gleiche Arbeitshandschuhe. Das Platschen der Magnete hört man schon von Weitem, wer sich nähert, bemerkt die Spotify-Songs aus der Bluetoothbox und die Ausbeute des Tages am Wegesrand. Viele Ausflügler*innen unterbrechen ihre Radtour, um die beiden Männer zu fragen, was sie da treiben.
„Was macht ihr denn hier?“ „Na, das ist ja cool.“ „Was findet man denn da so?“ „Schlimm, was die Leute alles in den Kanal schmeißen.“ „Was war das Größte, das ihr je rausgeholt habt?“ „Kann man euch unterstützen?“ „Zahlt euch wer eine Prämie?“
Hoffmann und Holub beantworten jede Frage, als würde sie ihnen zum ersten Mal gestellt. Sie freuen sich über das Interesse und das Staunen vieler, wenn ihnen klar wird, dass der so idyllisch dahinfließende Kanal ohne Wasser einem Schrottplatz gleichen würde. „Viele, die neugierig stehenbleiben, helfen uns auch dabei, Sachen zu identifizieren“, sagt Hoffmann.
Ein Mann weiß an diesem Samstag zum Beispiel, dass es sich bei einem der großen schweren Funde nicht um einen Lampenschirm im Industrial Design handelt, sondern um die Fassung eines alten Suchscheinwerfers. Wenn Passant*innen nicht weiterwissen, hat garantiert jemand auf Instagram die Antwort. Hoffmann und Holub posten Bilder aller Funde, fast 2.000 Menschen haben ihren Kanal abonniert. Das Unterteil einer Sackkarre, Bremsscheiben, Überreste einer Spitzhacke: „Irgendwer erkennt’s immer.“
Immer eine Brechstange für Notfälle im Gepäck
Ein lautes Klirren, das Geländer zittert. „Scheiße“, sagt Holub. „Das musste passieren.“ Die beiden sind heute zum ersten Mal mit ihrem neuen Magnetset unterwegs. Ihre alten Magnete konnten bis zu 480 Kilogramm ziehen, die neuen fast anderthalb Tonnen. Holubs Magnet hängt jetzt am unteren Teil des Geländers, gegen das er sich beim Angeln lehnt, er hätte mehr Abstand lassen müssen beim Hochziehen seines Fangs.
Für solche Fälle haben sie eine Brechstange dabei. Holub geht auf die Knie und versucht, seinen Magneten, der nur ein bisschen größer ist als ein Puck, vom Fleck zu bewegen. Keine Chance. Ein Kanute paddelt heran, älterer Herr, oberkörperfrei, mit Solarzellen und jeder Menge Handwerkszeug auf dem kleinen Boot. Der Mann hebelt von unten, Holub von oben, nach gut fünf Minuten kriegen sie ihn bewegt. „Un dat ohne Bier heut morgen“, sagt der Kanute und ist so schnell wieder verschwunden, wie er auftauchte.
Die neuen, leistungsstärkeren Magneten haben sie vergünstigt bekommen. Im Gegenzug tragen sie Basecaps mit dem Logo der Herstellerfirma und posten Bilder ihrer Arbeitsgeräte auf Social Media. Magnetangeln ist instagrammable, die Hersteller freut’s.
Sowieso gibt es mittlerweile eine ganze Community, die öffentlichkeitswirksam nach Schrott fischt und sich gegenseitig unterstützt. Wobei man unterscheiden müsse, sagen Holub und Hoffmann: „Manche wollen wirklich die Flüsse saubermachen, andere suchen bloß nach Waffen, alter Munition und irgendwelchen Kriegsüberbleibseln.“ Was darüber hinaus am Magnet hängen bleibe, würde einfach am Ufer liegen gelassen oder wieder reingeschmissen.
Aufmerksamkeit ist der Lohn für ihre Arbeit
Demnächst sind Holub und Hoffmann mit einer sehr viel reichweitenstärkeren Anglergruppe unterwegs, die es genauso ernst meint wie Magnet for Future. Es sind „wirklich herzensgute Menschen“, sagt Holub. Von dem Auftritt in deren Videos erhoffen sie sich, dass ihre Follower*innenzahl weiter ansteigt. Aufmerksamkeit ist der Lohn für ihre Arbeit, finanziell bringt ihnen das Magnetangeln nichts.
Wenn sich genug angesammelt hat, fährt Holubs Opa mit seinem Hänger zum Schrottplatz. Das Geld, das er bekommt, darf er behalten. „Opa hat noch was gut bei mir“, sagt Holub.
Vom Bürgermeister der Gemeinde Panketal gab’s für Holub und Hoffmann ein anerkennendes Schulterklopfen und kostenlose Müllbeutel. Die beiden holen nämlich nicht nur den Schrott aus den Flüssen, sondern sammeln auch Müll am Uferrand auf. „Damit wir immerhin bei null rauskommen und nicht im Minus.“
Auch die Ausbildung machen sie gemeinsam
Holub und Hoffmann sind in Bernau und Panketal aufgewachsen und zusammen auf die Oberschule gegangen. Jetzt machen sie auch ihre Ausbildung gemeinsam: beide bei der Bahn. Leon im Sicherheitsdienst, Devon bei der Zugreinigung.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Auch wenn ihr Name den Anschein erweckt: Mit Fridays for Future können Devon und Leon nicht so viel anfangen. „Lieber weniger reden und einfach machen“, sagen sie. Die Bewegung steckte gerade in ihren Anfängen, als Holub und Hoffmann noch zur Berufsschule gingen. „Aber wir haben uns da rausgehalten, irgendwie ist uns das zu widersprüchlich“, sagt Hoffmann.
„Die Plätze, auf denen demonstriert wird, sehen nachher schlimmer aus als vorher, überall überquellende Mülleimer“, sagt Holub. Die beiden können sich aber gut vorstellen, in der Zukunft Schulklassen zu besuchen und mit Jugendlichen mal einen Vormittag lang angeln zu gehen. Um ganz praktisch zu vermitteln, dass jeder ins Wasser geschmissene Kronkorken einer zu viel ist.
Am Magnetangeln lieben sie die unmittelbaren Ergebnisse – und diesen Endorphinschub, wenn sie merken, dass da etwas richtig Großes an der Angel hängt. Dann fühlt es sich an, als hätte ein Hai zugebissen, den man jetzt nur noch über den Grund des Gewässers manövrieren und dann hochziehen muss. Ganz vorsichtig, denn er könnte sich verkeilen. Ist der Magnet erst einmal ab, findet man im Wasser nur sehr schwer wieder, was einmal dranhing.
Nach wenigen Würfen sind beide nass geschwitzt
„Nach Fischen angeln fand ich immer langweilig und sinnlos“, sagt Holub. Stundenlang warten, bis etwas am Haken hängt, um es dann wieder reinzuwerfen. Magnetangeln ist Action und körperlich anstrengend. Nach nur wenigen Würfen sind die beiden voller Schlick und nass geschwitzt. Sie angeln, bis sie nicht mehr können.
In zwei Stunden unter der alten Eisenbahnbrücke am Finowkanal haben sie so viel rausgefischt, dass sie es allein in ihren Autos nicht transportieren können. Leon Holubs Opa wird helfen müssen. Und das, obwohl sie schon mehrere Male an genau dieser Stelle geangelt haben. Werden sie da nicht manchmal wütend auf die Verschmutzer*innen?
Gegen Menschen, denen ihr Kram versehentlich in den Fluss gefallen ist, hegen sie keinen Groll. Schraubenzieher, Gabeln, ein volles Gurkenglas, Skateboards – kann passieren. „Aber Autoteile und alte Gießkannen, so was landet natürlich vorsätzlich da drin“, sagt Hoffmann. Andererseits gibt es nun mal Hürden, seinen Müll loszuwerden. Beim Schrottplatz braucht man sich mit ein paar Einzelteilen gar nicht erst blicken zu lassen, beim Wertstoffhof muss man manchmal draufzahlen.
Das rechtfertige natürlich keine Umweltverschmutzung. „Aber vielleicht wissen manche Menschen wirklich nicht, wohin damit“, sagt Hoffmann. Als Sisyphusarbeit sehen sie das Magnetangeln jedenfalls nicht. Am Ende des Tages sind ein paar Quadratmeter eines brandenburgischen Gewässers von ein paar Hundert Kilogramm Schrott befreit. „Es liegt immer noch sauviel drin, aber eben weniger als vorher“, sagt Leon Holub. „Ist doch super.“
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