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Schottlands SNP nach Sturgeons RücktrittSNP im Strudel der Skandale

Zur Amtsführung von Schottlands Ex-Regierungschefin Nicola Sturgeon kommen weitere Unregelmäßigkeiten ans Licht.

Nicola Sturgeon und ihr Ehemann Peter Murrell vor einem Wahllokal in Glasgow im Dezember 2019 Foto: Robert Perry/epa

London taz | Die Krise der SNP (Schottische Nationalpartei), die gemeinsam mit den Grünen die schottische Regionalregierung bildet, spitzt sich weiter zu. Schatzmeister Colin Beattie wurde am Dienstag von der Polizei festgenommen – die neueste in einer Serie innerparteilicher Erschütterungen. Nun scheint auch der im Februar noch überraschend erscheinende Rücktritt der ehemaligen Ersten Ministerin Nicola Sturgeon mehr Sinn zu ergeben.

Sturgeons Ehemann Peter Murrell, der lange SNP-Geschäftsführer war, musste bereits polizeiliche Fragen zu verschollenen umgerechnet 750.000 Euro Spendengeldern beantworten. Die Gelder wurden der SNP zwischen 2017 und 2020 für eine neue Unabhängigkeitskampagne gespendet und sind verschwunden. Sturgeons und Murrells gemeinsames Haus wurde mittlerweile polizeilich durchsucht, ebenso die SNP-Parteizentrale. Auf dem Gut von Murrells Mutter fand die Polizei ein luxuriöses Wohnmobil, das angeblich zu Wahlkampfzwecken mit Parteigeldern gekauft worden war und dort nun seit zwei Jahren herumstand.

Im März war Murrell aufgrund von falschen Angaben zur Mitgliederzahl der SNP zurückgetreten: Es waren 72.186 Mitglieder, also 30.000 weniger als die zuvor bekannten Angaben. Letzte Woche wurde außerdem bekannt, dass die Rech­nungs­prü­fe­r:in­nen der SNP im Oktober ihre Posten aufgaben.

Laut Angaben von Beattie vor seiner polizeilichen Befragung steht die SNP aufgrund der niedrigeren als gemeldeten Mitgliederzahlen und des gesunkenen Spendeneinkommens vor einem finanziellen Fiasko. Bereits 2021 hatte Murrell der SNP umgerechnet 122.000 Euro geliehen, um sie liquide zu halten.

Die Dominanz der SNP in Schottland bröckelt

All das geschah in der Zeit, als das Ehepaar Sturgeon-Murrell die SNP und Schottland praktisch als Familienteam regierten. Manche fordern nun, dass Sturgeon, die eigentlich als Abgeordnete weiter im schottischen Parlaments sitzen will, nun auch von diesem Amt zurücktreten solle. Sie verweisen auf eine innerparteiliche Videokonferenz vom März 2021, in der sie Fragen zur Finanzlage der Partei abweist: Es gehe der SNP finanziell bestens, versicherte sie damals.

Sturgeons Ruf als vertrauenswürdige Politikerin scheint ramponiert. Schottlands neuer Regierungschef Humza Yousaf, der nach Sturgeons Abgang das Rennen um ihre Nachfolge nur knapp mit 52,1 Prozent der Stimmen der SNP-Mitglieder gewonnen hatte, bezieht sich immer weniger auf sie, während er im Wahlkampf noch als derjenige Kandidat aufgetreten war, der ihr am nächsten stand.

Der erste muslimische Partei- und Regierungsführer Großbritanniens muss nun verhindern, dass es weitere Abgänge in die vom einstigen SNP-Führer Alex Salmond gegründete Alba-Partei gibt. Doch seiner einstigen Kontrahentin im Kampf um die Parteispitze, der konservativ-religiösen Kate Forbes, die die Partei vom liberal-progressiven Kurs wegsteuern wollte, bot Yousaf nur einen Kleinposten an, den sie nicht annahm. Jetzt könnte Forbes Yousafs Parteiführung vergiften. Bereits im Wahlkampf maulten die beiden sich öffentlich gegenseitig an.

Eigentlich wollte Yousaf weiter einen klaren Kurs gegen die britische Regierung in London fahren. Nun aber steckt die SNP, die noch vor Monaten die schottische Unabhängigkeit herbeiführen wollte, in der tiefsten Krise seit 50 Jahren. Spätestens nächstes Jahr wird es in Großbritannien Parlamentswahlen geben. Labour, die Tories und die bisher relativ erfolglose Alba-Partei machen sich schon bereit, um die SNP-Dominanz in Schottland zu beenden.

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