piwik no script img

Schottland, Nordirland und der BrexitJohnsons Gegner sind erfolglos

Gerichte in Schottland und Nordirland schmettern Anträge gegen die Zwangspause des britischen Parlaments ab. Zunächst.

Brexit-Gegner*innen demonstrieren am Freitag vor dem höchsten Zivilgericht „Court of Session“ in Edinburgh Foto: dpa

Dublin taz | Ein schottisches Gericht hat am Freitag den Eilantrag gegen die Zwangspause des britischen Parlaments vorläufig abgelehnt. Lordrichter Do­her­ty sagte, er sei nicht davon überzeugt, dass eine einstweilige Verfügung gegen die Suspendierung des Parlaments zu diesem Zeitpunkt notwendig sei. Aber er setzte eine umfassende gerichtliche Anhörung für kommenden Dienstag an.

Eingereicht hatte den Antrag eine Gruppe von Oppositionsabgeordneten. Politikerin Joanna Cherry von der Scottish National Party (SNP) wertete das als Teilsieg: Die Ansetzung einer umfassenden Anhörung sei eine Rechtfertigung der Klage.

Ein Regierungssprecher begrüßte die Entscheidung des Gerichts. „Die Regierung muss ihre legislative Agenda voranbringen, und die Abgeordneten werden ja nicht daran gehindert, unseren Rückzug aus der EU zu überprüfen.“

Der britische Premierminister Boris Johnson hatte sich am Mittwoch die Genehmigung von der Königin geholt, das Parlament ab Mitte September zu suspendieren. Es soll erst am 14. Oktober zur Verlesung des Regierungsprogramms durch die Königin wieder zusammentreten.

Keine Verhandlung

Auch in Nordirland ist ein Antrag gegen die Suspendierung gescheitert. Der oberste Richter Declan Morgan eröffnete die Verhandlung am Freitag vorerst nicht. Falls der Kläger Raymond McCord, ein Aktivist für die Opfer des Nordirlandkonflikts, die Sache weiterverfolgen wolle, müsse ein Richter am Dienstag entscheiden, ob der Fall gegen Ende nächster Woche eröffnet werden soll. McCord hatte bereits zuvor gegen einen harten Brexit geklagt. Diese Klage wird am 16. September verhandelt.

Über die Klage der Geschäftsfrau und Anti-Brexit-Aktivistin Gina Miller und des früheren Tory-­Pre­mier­mi­nis­ter John Major wird am nächsten Donnerstag vor einem Londoner Gericht entschieden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Für Sotschek, den langjährigen Kenner von Britanniens Innenleben, ist Johnsons Coup gut geplant und irreversibel.

    Als kontinentaler Demokrat mit höchstens rudimentären Kenntnissen der englischen Geschichte macht man sich da so seine Gedanken:



    Da setzt also die -Monarchin einen Premier ein, ohne dass der eine Mehrheit im Parlament haben muss, entzieht diesem gewählten Parlament faktisch die -Gesetzgebungskompetenz und erlaubt ihrem Kabinettschef, wichtigste Entscheidungen völlig alleine zu treffen ! Gerichte entscheiden zugunsten von-Krone und Macht, Abgeordnete lamentieren, Bürger meckern, die Welt schüttelt den Kopf.

    Dumme Frage von jenseits des Ärmelkanals : In welchem vordemokratischen Jahrhuundert leben diese Briten eigentlich?

  • Nicht mehr viel übrig von "Great Britain "...

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ---Der frühere Premierminister John Major (Tory),



    ---der stellvertretende Vorsitzende der Labour Party Tom Watson und



    ---die Vorsitzende der Liberaldemokraten Jo Swinson

    haben sich der gerichtlichen Überprüfung der Suspendierung des Parlaments, eingereicht durch Gina Miller, angeschlossen.

    Es wird am Donnerstag, dem 5. September, vor dem Obersten Gerichtshof verhandelt.

    Ein Anwalt, der in einem gesonderten Rechtsmittel gegen das Verbot vor dem Obersten Gerichtshof von Belfast verhandelt, teilt mit, dass eine vollständige Anhörung spätestens am kommenden Freitag stattfinden wird.

    Der Aktivist Raymond McCord, der Berufung einlegte, durfte in dem Fall Unterlagen einreichen, erkläte sein Anwalt.

    Das bedeutet:



    1. In Schottland, Irland und in England sind Klagen gegen die Suspendierung des Parlaments eingereicht worden.

    2. Sämtlich Oppositionsparteien versteht sich (Labour, Plaid, Greens, Lib-Dems und SNP - und auch ein großer Teile der Regierungspartei der Tories sind gegen einen no-deal Brexit --- mit der Ausnahme von ca. 120 Tory Abgeordneten, die regelmäßig im House of Commons gegen den von Theresa May ausgehandelten Austrittsvertrag gestimmt haben und den WA Vertrag scheitern liessen.

    Aus dem Kreis der rechtsnationalistischen Brexithardliner, die jetzt auch die Regierung unter Boris Johnson bilden, stammt die Initiative der Suspendierung des Parlaments.

  • Ich übersetze mal kurz, was Simon Jenkins, ein sehr erfahrener, eher liberaler als linker Journalist, der für die Times und den Guardian kommentiert hat, zu Johnsons Umgang mit dem Parlament sagt:



    "Ist dies ein Verfassungsbruch (ein Putsch gegen die Verfassung)? Nach Jonathan Sumption, einem ehemaligen Richter des Höchsten Gerichts, gibt es einen Konsens, dass Johnson sich zwar nicht verfassungsgemäß verhält, aber nicht gesetzeswidrig.



    Die verfassungsgemäße Realität besagt, dass ein Referendum nur konsultativ (beratend) sein kann, und dem Parlament dabei vorbehalten ist, das Resultat zu honorieren. Niemand hat den Wählern gesagt, um welche Sorte Brexit es sich bei der Abstimmung handelte. Das musste das Parlament entscheiden.



    Es entschied gegen "no deal" aber es hat dann einen Mann nach Downing Street geschickt, der damit nicht einverstanden war. Jetzt ist das Parlament zu spät dran, um diesen Mann zur Rechenschaft zu ziehen. (Guardian 30. August 2019)

    • @Ataraxia:

      "Es entschied gegen "no deal" aber es hat dann einen Mann nach Downing Street geschickt, der damit nicht einverstanden war. Jetzt ist das Parlament zu spät dran, um diesen Mann zur Rechenschaft zu ziehen. (Guardian 30. August 2019)"

      Dass das Blödsinn ist, wissen Sie sicher selber. Wer will schon "no deal"? Aber wer will das Angebot der EU, über das diese seit über einem Jahr nicht zu verhandeln bereit ist? Eben, hat auch keine Mehrheit. Also tun Sie doch nicht so, als wäre die Sache so einfach. Und denken Sie daran, dass es im Parlament den Wunsch gab, das Votum der Bürger zu akzeptieren - obwohl eine eindeutige Mehrheit der Parlamentarier die Sache anders sieht.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Ataraxia:

      Zitat Anfang "" Es (gemeint sind die Wähler ) entschied gegen "no deal" aber es hat dann einen Mann nach Downing Street geschickt, der damit nicht einverstanden war.

      Jetzt ist das Parlament zu spät dran, um diesen Mann zur Rechenschaft zu ziehen.""

      ==

      Den Artikel im Orginal vom 30 August habe ich nicht gefunden - vielleicht überprüfen sie noch mal ihre Übersetzung.

      Der Punkt:







      Die Wähler haben Boris Johnson nicht ins Amt als PM geschickt - das waren lediglich 90.000 Stimmen rekrutiert aus der Gesamtmenge von 160.000 Tory Mitgliedern, die Boris Johnson gewählt haben.

      Das sind nur 66% der Torymitglieder die Johnson gewählten - aber nur ca. 0.14% der wahlberechtigten Briten - also im Vergleich eine verschwindend kleine, aber äußerst radikale Minderheit.

      Zum Vergleich: Labour hat 500.000 Mitglieder.

      Theresa May war die letzte Ministerin



      die tatsächlich nach demokratischen Grundsätzen 2017 gewählt wurde.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Ataraxia:

      Na gut - wenn sie schon Simon Jenkins in die TAZ - Kommentare einführen ist es nur recht und billig Ihnen mit Polly Toynbee, Brexit Spezialistin des Guardian seit 2015 zu antworten.

      Ein Bürgerkriegszustand unterschiedlicher politischer Haltungen bedroht unsere Demokratie erklärt Polly in der Überschrift.

      Erstaunlicherweise hat dieser nicht gewählte PM bisher nur einen Tag im Parlament verbracht, und jetzt, nach fünf Wochen, wird er nur noch eine Woche im Unterhaus stehen, bevor er sie für noch nie dagewesene weitere fünf Wochen verbannt.

      Die Opposition hat nur eine knappe Woche Zeit, um sich zu erheben und zu rebellieren, wenn sie mit Sicherheit und in großer Zahl gegen die Vereinbarung stimmen werden, die der Sprecher des Parlamentes als

      -- "Verfassungswidrigkeit ...



      -- einen Verstoß gegen den demokratischen Prozess und gegen die Rechte der Parlamentarier als gewählte Volksvertreter gerichtet " bezeichnet.

      Johnsons Antwort lautet: "Na und?" Die Stimme der Parlamentatier hätte keinen rechtlichen Status.

      Aber wie wird die Öffentlichkeit über seinen unverschämten Attacke gegen das Parlament denken, wenn er Abgeordnete mit einem Floh im Ohr nach Haus schickt?

      Die parlamentarier werden sich am Ende entscheiden - und sie werden nicht für Johnson stimmen.

      Das Gefühl der Verletzung der Demokratie ist allgegenwärtig.

      Aber was sollen staatliche Beamte tun, wenn sie die Macht (der Diktatur) vor Augen haben?

      Befolgen sie weiterhin den Befehl, das Land in eine Brexit-Katastrophe ohne Abkommen zu treiben, wenn sie das Parlament von dieser Entscheidung zum Paradigmenwechsel ausgeschlossen sehen?

      Bob Kerslake, ehemaliger Leiter des öffentlichen Dienstes, wo die Aufgaben in dieser beispiellosen Situation erfüllt werden müssen:

      "Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem der öffentliche Dienst in Betracht ziehen muss, der Regierung des Tages die Verantwortung für das Land zu entziehen", sagte er.

      Dieses Urteil ist mehr als vernichtend.