Schönheitsnormen für Obst und Gemüse: Gut fürs Auge, mies für die Umwelt
Supermärkte müssten aufhören, auf makelloses Obst und Gemüse zu setzen, so das Umweltbundesamt. Optik-Kriterien führten zu Verschwendung.
taz | Das Umweltbundesamt (UBA) und die Verbraucherzentralen fordern vom Handel, auf eigene Anforderungen an die Optik von Nahrungsmitteln zu verzichten. „Strenge Vorgaben des Handels an das Aussehen und die Größe von Obst und Gemüse belasten die Umwelt, denn häufig müssen dafür zusätzlich Pflanzenschutz- und Düngemittel eingesetzt werden“, teilten die Institutionen am Montag mit. Obst und Gemüse, das den Handelsvorgaben nicht entspricht, werde den Erzeugerbetrieben in der Regel nicht abgenommen. „Im besten Fall wird es zu Saft weiterverarbeitet oder verfüttert, häufig aber untergepflügt oder anderweitig entsorgt.“
Pestizide tragen dazu bei, dass Pflanzen- und Tierarten aussterben. Düngemittel können das Grundwasser mit potenziell gesundheitsschädlichem Nitrat belasten. Lebensmittelverschwendung ist ein ethisches Problem, wenn fast ein Drittel des Nahrungsmittelverbrauchs weggeworfen wird und gleichzeitig rund 800 Millionen Menschen weltweit hungern. Die durch Lebensmittelverluste verursachten Treibhausgasemissionen betragen nach Angaben des UBA von 2017 circa vier Prozent des gesamten deutschen Ausstoßes.
Deshalb empfiehlt die Behörde neben dem Verzicht auf optische Anforderungen, Obst und Gemüse grundsätzlich nach Gewicht und nicht pro Stück zu verkaufen. Sonst griffen Verbraucher bevorzugt zu den großen Produkten, für deren Erzeugung zusätzlich Dünger und Wasser nötig sei, so die ExpertInnen. Gemüse wie Kohlrabi, Radieschen und Möhren sollte ohne Blätter angeboten werden, so das UBA weiter. Die Blätter ließen das Gemüse schneller welk werden.
Bisher kaum krummes Gemüse
Eine Marktübersicht der Verbraucherzentralen zeigt, dass die Händler sich an diese Empfehlungen bisher kaum halten. Die VerbraucherschützerInnen haben das Obst und Gemüse in 25 Supermärkten, Biohandelsmärkten und Discountern untersucht. Nur rund ein Viertel der Äpfel und 18 Prozent der Möhren wurden demnach in die gesetzlich definierte Handelsklasse II einsortiert, also mit optischen Makeln und verschiedener Größe. In Discountern war der Anteil noch geringer als in Super- und Biomärkten.
Kohlrabi, Blumenkohl, Eisbergsalat und Brokkoli wurden den VerbraucherschützerInnen zufolge fast ausschließlich zum Stückpreis statt nach Gewicht angeboten. „Kohlrabi und Radieschen wurden fast immer mit Blättern verkauft“, so die KonsumentenschützerInnen. Nur rund ein Viertel der Geschäfte boten demnach Obst und Gemüse preisreduziert an, wenn es durch längere Lagerung im Markt an optischer Qualität verloren hatte.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert