Schlechtes Internet in Deutschland: Warmer Kakao statt schnellem WLAN
Ob in der Metro in Kairo oder in der US-amerikanischen Pampa. Überall empfängt unser Kolumnist gut Internet – nur nicht in Deutschland.
W ährend ich diese Zeilen tippe, blinkt das Lämpchen an meinem WLAN-Router rot. Das Internet hat sich wieder verdünnisiert. Deutschland ist offline und das nicht nur in Sachen World Wide Web. Aber heute soll es um die Digitalisierung gehen – um ihre Abwesenheit.
Ich habe schon alle Provider in meinem Leben durch. Nafrichten-Testergebnis: Almans können kein Internet. In der Metro in Kairo habe ich schon Video-Konferenzen abgehalten, in Südkorea war das Internet vor einem Jahrzehnt schon so schnell, wie es in Deutschland angeblich in zehn Jahren werden soll, in der Pampa neulich in den USA hatte ich exzellenten LTE-Empfang.
Apropos Empfang: In meinem Büro mitten in der deutschen Hauptstadt habe ich mal ein, mal zwei Balken auf der Empfangsanzeige meines Smartphones, aber nur, wenn ich an es am Fenster platziere und die Tür nicht schließe. Am Telefon würde ich wie ein Roboter klingen, manchmal komme ich mir auch so vor.
Ich bin viel in Deutschland unterwegs. Neulich hat mich ein Kollege angerufen und im verspäteten ICE erwischt. Wir haben uns drei Minuten überglücklich gewundert, dass wir uns hören konnten. Als wir zum eigentlichen Thema kamen, war der Empfang weg. Selbst schuld.
Mal wieder Probleme mit Internet
Meine Zugfahrten sind manchmal sehr lang, aber sie vergehen wie im klimafreundlichen Flug, weil der Nervenkitzel so groß ist, welches WLAN diesmal nicht funktionieren wird: WIFIonICE oder WIFI@DB. Freude, wenn ich über Landesgrenzen fahre und das WLAN im Zug in Tschechien, der Schweiz oder Dänemark plötzlich schnell ist, dass ich nicht mehr arbeiten muss und Serien streamen kann.
Wäre ich ein aufstrebendes, innovatives Start-up, ich würde meine App, die eigentlich niemand braucht, nicht in Deutschland entwickeln. Hab gehört, für so etwas braucht es ein bisschen Digitalisierung. Wer ist dafür eigentlich politisch verantwortlich? Ich weiß es nicht, mein Internet funktioniert ja nicht. Ich glaube, der Typ von der FDP heißt Volker Wissling oder so. Ist ja auch alles nur noch egal.
Den Gipfel des Frustes habe ich neulich erklommen, als das Lämpchen aus der Hölle wieder provokant blinkte und ich bei schlechtem Wetter ein Café aufsuchte. Ich bestellte am Tresen einen Kakao, setzte mich hastig hin, klappte meinen Laptop auf, rief die dringliche Mail mit dem üppigen Anhang auf, wollte sie abschicken und suchte nach dem lokalen Netzwerk, nur um die Info zu bekommen: Es gäbe gerade Probleme mit dem Internet.
Wenigstens war der Kakao lecker und ich schickte kurze Zeit später die Mail vor einem Supermarkt ab. Das WLAN dort funktionierte ausnahmsweise. Um herunterzukommen, kaufte ich mir ein Törtchen. So werde ich von Offline-Deutschland noch Diabetes bekommen.
Jetzt stellt sich die Frage, wie ich ohne Netz am Schreibtisch diesen Text an die Redaktion verschicken und an die Leser*in bringen kann. Ich habe eh wieder Heißhunger auf Törtchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku