piwik no script img

Schäden durch „Plastikfasten“Bärendienst für die Umwelt

Heike Holdinghausen
Kommentar von Heike Holdinghausen

Der BUND ruft vor Ostern zum Verzicht auf plastikverpackte Waren auf. Dabei sind Alternativen wie „grüne“ Pappe sogar noch umweltschädlicher.

Nützt der Umwelt sicher nicht: 40 Tage auf plastikverpackte Waren verzichten Foto: Mint Images/imago

O bwohl Fasten ja nie leichter fiel als in diesem Jahr, in dem wir eh nur fades selbst gekochtes Essen essen dürfen, in hübschen Läden in der Innenstadt nichts kaufen können und online ehrlich gesagt gar nichts mehr kaufen wollen, in dem sich auf Konsum also ohne große Spaßverluste verzichten lässt, gibt uns der BUND trotzdem eine Handreichung.

Wir sollen, schlägt die Umweltorganisation vor, 40 Tage Plastikfasten. Das soll die alltägliche Plastikflut vergegenwärtigen und dazu anregen, im Alltag auf unnötiges Plastik zu verzichten. Der Aufruf des BUND ist lang, erklärt erst, wie und warum Plastik schadet und bietet am Ende Alternativen: in Unverpackt-Läden einkaufen, mit Nachbarn Einkaufsgemeinschaften gründen, um „Trockenware in Großgebinden“ zu kaufen.

Diese Hinweise sind sicher ebenso richtig wie wichtig, nur: Noch weniger Menschen, die lesend bis zum Ende des Aufrufs durchhalten (in den sozialen Medien gibt es sowieso nur ein kurzes Anti-Plastik-Häppchen), werden sie umsetzen, werden Großgebinde kaufen oder ihr leeres Alu-Mehl-Döschen in den teuren Unverpackt-Laden tragen. Leider.

Außerhalb der sympathischen Öko-Nische werden die Adressaten des Fastenaufrufs üblich maskiert durch den Supermarkt schlurfen und zur „green“-beklebten Papp-Schachtel aus „nachwachsenden Rohstoffen“ greifen, die gar „kompostierbar“ ist. Und damit einen Umweltfrevel begehen, vor dem sogar Fachleute warnen, die sich für ein umweltfreundliches Verpackungswesen einsetzen.

Pappe und Papier für Lebensmittelverpackungen enthält aus technischen Gründen häufig große Anteile Frischfasern, also Holz aus wertvollen Wäldern. Um auf der Anti-Plastik-Welle zu reiten, entwickeln Verpackungshersteller gerade eine Vielzahl „innovativer“ neuer Verpackungen aus Pappe und Papier, häufig beschichtet, garantiert nicht recyclingfähig.

Wer so was kauft, schadet dem Klima, der Biodiversität, den Wäldern, dem Boden, den Gewässern. Vielleicht nutzt der Fasten-Aufruf des BUND seiner eigenen Sichtbarkeit, der Umwelt aber ganz sicher wenig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
Mehr zum Thema

34 Kommentare

 / 
  • 2G
    25968 (Profil gelöscht)

    ''Wer so was PRODUZIERT, schadet dem Klima, der Biodiversität, den Wäldern, dem Boden, den Gewässern"

  • "Naive Bauern"



    Bitte können Sie mir erklären wie man bei dem Thema Plastik auf die Überleitung zum routinemäßigen Angriff auf Landwirte kommt ?? Weil die Landwirte immer und an allem Schuld sind ??

  • Naja, wenn wir beim Thema Müllvermeidung und Papier vs. Plastik sind fällt mir ein:



    - Plastikverpackungen hat man häufig auch aus hygenischen Gründen. Es gibt Vorgaben, weshalb man z.B. auch nicht als Selbstabfüller in Läden gehen kann.



    - ich glaube, der Plastikmüll, der von Deutschland aus in die Meere gelangt ist insgesamt sehr gering, im Gegensatz zu Staaten wie die USA, welche lange Zeit ihren Müll direkt im Müll verklappt haben, wie wir unsere Säuren.



    - Sortenrein, warum kann man den Entsorgern nicht zumuten ordentlich Sortiermaschinen zu benutzen? Die verdienen soviel Kohle, da können sie auch was investieren und nicht Millionen Haushalte mit der meist schlechten Vorsortierung belästigen.



    - Verpackungsgrössen, in den letzten Jahren wurden die Mengen in den Verpackungen immer kleiner, z.B. 100g Schokolade ->80/90g. Wurst ähnlich, dabei ist das Verhältnis Verpackung zu Inhalt immer schlechter. Wer lässt das zu?

    Letztendlich stellt sich die Frage, wer zahlt drauf bzw. spart? Hersteller, Verbraucher, Entsorungs-/Ryclingsindustrie?

    • @Andreas Peters:

      leider schaffen wir es durch unsere Müllexporte in andere Länder sehr wohl Plastikmüll in die Meere einzutragen

      • 2G
        25968 (Profil gelöscht)
        @Opossum:

        Wer erlaubt denn den Export von Müll? Sie, ich, das Volk? Wir zahlen alle dafür, dass er (so denken wir) ordentlich entsorgt wird, und müssen dann aus Medien erfahren, dass unsere Aldiverpackungen vor Polinesien im Meer schwimmen ...Wer den Fehler findet darf ihn behalten.

  • Die These, jemand würde mehr oder weniger zwangsläufig andere umweltschädliche Verpackungen wählen, wenn er auf die Plastikverpackungen verzichtet, ist - ganz schlicht gesagt - Mumpitz. Viele Dinge muss man gar nicht verpacken, für andere Dinge kann man selbst mitgebrachte umweltfreundliche Verpackungen verwenden.

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Auch bei diesem Thema( ähnlich in Bezug auf überdimensionierte Autos) wird mir das Auditorium widersprechen: Platikmüll gibt es nicht, weil er gekauft wird, sondern weil es erlaubt ist, Plastiktüten zu produzieren bzw. zu importieren.

    • @97760 (Profil gelöscht):

      Na Plastik-Tüten lassen sich ja einfach durch eigene Stoffbeutel ersetzen.



      Aber viele Dinge müssen halt verpackt werden und da ist Plastik im Kern nur dann schädlich, wenn man's in die Natur wirft.



      Insofern sind manche Überlegungen bei genauerer Betrachtung schon Humbug.

      • 2G
        25968 (Profil gelöscht)
        @Ruhrpott-ler:

        Und was machen wir, wenn übermorgen Erdöl alle ist? Also: Wir könnten auch einfach heute global sagen: Erdöl bleibt im Boden!!! Alle hätten die selben Voraussetzungen weltweit- keiner könnte meckern, weil ja der Andere Vorteile hätte. Genauso mit AKW etc. ...weiß nur keiner- psssst.

  • Förderlicher wäre es, wenn sich Gesetzgeber, Umweltverbände und Industrie auf einheitliche und leicht zu recyclende Plastikverpackungen einigen würden. Wenn es nur z.B. 4 Sorten gibt, diese nicht in Verbundverpackungen gestellt werden dürfen und nicht mit giftigen Weichmachern, Farben etc. belastet sind, dann sind diese gut zu recyclen. Es muss dann aber auch eine Recyclingquote von mindestens 90% durchgesetzt werden.



    In diesem Fall wären Plastikverpackungen sicherlich umweltfreundlicher als geschichtete Kartonagen.

  • Plastikverpackungen sind sowohl vom Rohstoff her (Erdöl) als auch vom Ende des Produktzyklus (wenig wird recykelt, viel wird verbrannt, wenn es in die Umwelt gelangt wird es nicht natürlich abgebaut) problematisch.



    Papier und Karton haben höhere Recyclingraten (auch wenn Beschichtungen dies verhindern können) und natürlich ist auch Altpapier an Bäumen gewachsen; dennoch kann der Ersatz von Plastik durch Papier die Belastung der Umwelt verringern (wenn auch nicht völlig vermeiden). Ich teile die Einschätzung der Autorin da nicht.

    • @undnix:

      Müllvermeidung heißt das Zauberwort.

      • @Justin Teim:

        Vermeiden ist immer richtig, verbrennen sorgt immerhin dafür, das kein Plastik ins Meer gelangt.

      • @Justin Teim:

        Müllvermeidung möchte ich ergänzen, wenn wir auf unsere tägliche Droge Zucker, in welcher Form auch immer, verzichten könnten. Auf einen Schlag spart unser Land 50 bis 80 Prozent Plastikverpackung ein....Schauen Sie doch mal auf die Inhaltsangabe....Zucker gibt's für die, die das noch nicht wissen, in knapp 20 verschiedenen Varianten...Mahlzeit

    • @undnix:

      Das recyclen ist sehr Energie aufwendig und bringt im meist eine schlechtere CO2 Bilanz. Selbst Jutetaschen sehen nicht so gut aus.

      www.br.de/radio/ba...ier-tuete-100.html

      Tragetaschen aus Baumwolle sind nicht automatisch umweltfreundlicher, sondern erst nach vielfacher Wiederverwendung. Das ergab eine Untersuchung der Federal Laboratories for Material Testing and Research der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Grund sind die hohen Emissionswerte bei der Herstellung. Während bei der Herstellung einer Papiertüte etwa 60 Gramm Kohlendioxid ausgestoßen werden, sind es bei einer Plastiktüte aus Neugranulat etwa 120 Gramm und bei einer Baumwolltasche sogar 1.700 Gramm CO2.

      • 2G
        25968 (Profil gelöscht)
        @Justin Teim:

        Aha: Wer ist denn für die hohen Emissionswerte verantwortlich?

      • @Justin Teim:

        Und eine Papiertüte hält meist nur einmal..

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wenn man den Plastikwahn wirklich stoppen wollte, ginge das innerhalb eines Jahres. Davon bin ich überzeugt.



    Man will aber nicht!

    Die Regierung tut lieber alles, um die Industrie zufriedenzustellen. Jeder zusätzliche Euro für den Umweltschutz bedeutet geringeren Profit. So einfach ist das.



    Das wird bei den vielen naiven Bauern besonders deutlich!

    Frau Schulze tut sicherlich ihr Bestes, nur reicht das eben bei weitem nicht.



    Das kann man von Klöckner nicht behaupten.

    Das Ergebnis dieses "Handelns" sehen wir ja täglich in jedem Supermarkt.

    Viele Filme und Reportagen zu Plastikmüll in den Meeren werden angefertigt. O Gott, wie schlimm denken dann die Leute und rennen in den Supermarkt um Tomaten in einer Plastikbox zu kaufen. Auch der Konsument hat Macht!

    Wählt weiter CDU, SPD und FDP!



    Garantiert wird sich fast nichts ändern!

  • „üblich maskiert durch den Supermarkt schlurfen und zur „green“-beklebten Papp-Schachtel aus“



    Warum hier ein Verweis darauf kommt, dass die anderen maskiert rumschlurfen wundert mich doch schon sehr... schlurfen klingt schon sehr nach in einer Masse willenlos mitlaufen. Kann man nur hoffen dass das ein unbeabsichtigter Zufall war und kein subtiler Hinweis einer fehlgeschlurften Autorin

    • @MaFra123:

      Sowas nannte man früher mal ,,Stil"... 🤦🤦

  • Es ist besser, mehr Papierverpackungen als Kunststoffverpackungen zu verwenden.

    • @Francebeton:

      Toll, ein Problem so lange reduzieren bis man seine Ansicht in einem Satz raushauen kann. Das stimmt so einfach nicht.

  • Da beißt sich die Katze in den Schwanz... :{

    Bzgl der Nachhaltigkeit und tatsächlichen Umweltfreundlichkeit dieser "innovativen" Verpackungen wüsste ich gerne mehr! Ist das mal wieder so ein Schuss in den Ofen, oder gibt es nicht auch gute Ideen?!

  • Guter Artikel! "Öko Verpackungen aus Papier/Pappe" sind nicht nur Augenwischerei sondern meist schädlicher als Plastik Verpackungen.

    • @Justin Teim:

      Können Sie die Behauptung, Papierverpackungen seien schädlicher als Plastikverpackungen, irgendwie belegen? Zum Beispiel anhand des Vergleichs der Schäden in den Weltmeeren?

      • @Chutriella:

        Wie viele Plastikverpackungen aus Deutschland landen den in den Weltmeeren?

        • @Strolch:

          Och, da kommt schon einiges zusammen.



          Man zeigt ja immer mit dem Finger auf die anderen. Man zeigt z.B. gerne auf die Phillipinen, aber wenn man den Müll mal genauer anschaut, stellt man fest, dass die Verpackungen auch auf deutsch sind. Und vielleicht lässt sich der ein oder andere gelbe Sack erkennen. Und vielleicht fällt zufallig was vom Schiff ins Meer hinein oder von der phillipinischen Mülldeponie in den Fluss.

          www.deutschlandfun...:article_id=482235

        • @Strolch:

          Fragen Sie Justin Teim. Die Verharmlosung kommt ja nicht von mir.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Hier eine aktuelle Untersuchung, das Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen nichts bringt. Im besten Fall sparte man 2 kg CO2 pro Tonne Kunststoff!

    www.sciencedirect....0306601?via%3Dihub

  • danke für den Artikel. Was fehlt sind Fakten.



    "Holz aus wertvollen Wäldern" Was ist damit gemeint. Hoffentlich nicht unsere Fichten Monokulturen. Holz aus Ostländern ist für die Verpackungsindustrie viel zu teuer, da auf dem Holzmarkt damit mehr Geld verdient wird wenn es in die Möbelproduktion geht.



    Um welche Mengen geht es eigentlich? Und warum ist aus Erdöl produziertes Plastik, besser als aus Holz produzierte Pappe?



    Wie schon formuliert, es fehlen die Fakten!

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Sonnenhaus:

      Weil das Allgemeinbildung ist, dass bei der Herstellung von Cellulosefasern, also Papier und Pappe Unmengen an Wasser, Energie verbraucht und Unmengen an Chemikalien in die Umwelt gelangen.



      Weniger Verpackung ist da die Lösung.



      Und Großpackungen. Weil, aber das kann sich jeder denken...

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Welche Chemikalien gelangen in welcher Menge bei der Pappeherstellung in die Umwelt? Und welche bei der Herstellung von Plastikverpackung?

        Wieviel Pappverpackung landet in der Umwelt, wieviel Plastikverpackung? Lassen Sie uns teilhaben an den Fakten Ihrer Allgemeinbildung!

        • 2G
          25968 (Profil gelöscht)
          @Chutriella:

          Genau: Meine Allgemeinbildung hätte mir gesagt,dass in Papierfabriken die Kreisläufe von Wasser und Chemikalien bereits geschlossen sind ...