Satire im Wahlkampf: Die PARTEI macht Politik nicht besser
Politik ist bieder, die Medien sind es auch – nur Satire kann die Verhältnisse noch kritisieren, so eine gängige These. Doch sie stimmt leider nicht.
Ist es denn wirklich so eintönig? Immerhin gibt es eine Alternative. Die Rettung des politischen Diskurses, so lautet seit vielen Jahren eine häufig vorgetragene These, würde allenfalls der Satire gelingen. Wo Politik immer verrückter, Medien immer zahmer und der Diskurs immer langweiliger würde, da sei die Satire der letzte verbliebene politische Gegenpol. Erst vor kurzem diskutierte ein Kollege ebendiese These auf taz.de.
Angeführt wird dann gern der satirische Wahlkampf der PARTEI, der Satirepartei des Titanic-Magazins und die kritische Aufarbeitung der Regierungspolitik Donald Trumps durch US-amerikanische Late-Night-Talker wie John Oliver oder Trevor Noah. Das ist eine Lesart des Öffentlichen, die freilich hervorragend ins populäre Klima der allgemeinen Politikverdrossenheit passt.
Doch der Reihe nach: Wie steht es eigentlich um die deutsche Satire? Die erwähnte PARTEI hat Sonntag Dutzende Facebook-Gruppen der AfD gekapert und dort internen Foren mäßig witzige Namen wie „I love Antifa“ und „Hummusliebe“ gegeben. Wow, was für ein Coup: Damit haben Shahak Shapira & Co. es den bösen Rechtspopulisten tüchtig gezeigt und satirisch entlarvt, dass – Überraschung! – in den entsprechenden Gruppen Hetze betrieben wird.
Gefangen im eigenen Gefälligkeitskosmos
Darüber hinaus hat die PARTEI allerdings humoristisch wenig zu bieten. Während sich Kançlerkandidat Serdar Somuncu bierernst gibt und im Interview mit der taz ironiefrei die Arbeit des Parteivorsitzenden Martin Sonneborn im Europäischen Parlament lobt, muss man hinter Sonneborn mit der Lupe nach anderen PARTEI-Mitgliedern suchen, die einem mehr als ein Schmunzeln entlocken. Gags, allerdings auch abgedroschene. Insofern ist die Satirepartei genauso dröge wie die etablierten Parteien und Medien.
Ähnlich den gescholtenen Parteien und Medien hat sich die deutsche Satire in ihren eigenen Gefälligkeitskosmos zurückgezogen. Spartensendungen wie „Die Anstalt“ (ZDF) oder der Kabarettist Volker Pispers richten sich an ein Publikum, das nicht erst davon überzeugt werden muss, dass der Irakkrieg schlecht war und ein Tempolimit auf Autobahnen gut wäre.
Die zur Schau getragene Liebe zu Kabarettisten wie Dieter Hildebrand einst galt und gilt unter großstädtischen Intellektuellen als Identifikationsmerkmal – in eigener Sache. Außerhalb des eigenen Selbstversicherungsmilieus erreichen die vermeintlichen Volksaufklärer niemanden.
Und das eigene Publikum in seiner Selbstgefälligkeit angreifen – das käme dem deutschen Kabarett kaum in den Sinn. Nie werden die Überzeugungen des Publikums hinterfragt. Das wäre dann ja wirkliche Kunst. Auch Jan Böhmermann ist ein Unterhaltungskünstler, dessen gefälliger und wenig zielgerichteter Fernsehklamauk wenig intellektuelles Reflektionspotenzial bietet.
Unterhaltung ohne Anliegen
Satiriker ersetzen klassischen Journalismus und Wissenschaft nicht. Sie profitieren von diesen Disziplinen. Der „Anstalt“-Beitrag zur Elitenvernetzung bekannter Print-Journalisten geht etwa nicht auf eine eigene Recherche zurück, sondern auf die Dissertation des Journalisten und Medienwissenschaftlers Uwe Krüger. Auch die vielgelobten Late-Night-Aufklärer in den USA recherchieren ihre Inhalte nur teilweise selbst.
In der Sendung „Last Week Tonight“ widmet sich Moderator John Oliver in bis zu zwanzigminütigen Segmenten wöchentlich großen Missständen in der US-amerikanischen Gesellschaft, greift Themen auf, etwa zu Kredithaien oder zu Masseninhaftierung von kleinen Drogenverkäufern. Dabei bedient er sich fast durchweg journalistischer Beiträge, die lokale Zeitungen und Rundfunkanstalten recherchiert haben. Er ersetzt also keinen kritischen Journalismus, sondern ist dessen Nutznießer.
Im Übrigen verspricht Donald Trump – genau wie bei den herkömmlichen Medien – Clicks und Quote, weshalb jeder Satiriker, der den US-Präsidenten durch den Dreck zieht, auf ein großes Publikum hoffen kann. US-amerikanische Satiriker sprengen die Trumpsche Mediendialektik also keineswegs. Ohne jedes Anliegen lacht man sich in die politische Tragödie und kommt hinter den Kulissen auch gut mit dem politischen Gegner aus. So ist der linke Late-Night-Talker Bill Maher seit Jahren privat mit der extrem rechten Kommentatorin Ann Coulter befreundet. Politische Berichterstattung ist also in erster Linie Entertainment.
Die Überhöhung politischer Satire gegenüber Medien und Politik zeigt auch eine ungesunde Einstellung gegenüber demokratischen Institutionen. Denn wer nur noch Satirikern Glaubwürdigkeit zuspricht, ist gedanklich auch nicht mehr weit weg von #lügenpresse. Dann lieber Langeweile.
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