Salvini blockiert Seenotrettung: Nach Spanien ist es zu weit
Mehrere Länder sind bereit, die Geflüchteten der „Open Arms“ aufzunehmen. Salvini sperrt sich trotzdem. Unterdessen spitzt sich die Situation an Bord weiter zu.
Italiens Innenminister Matteo Salvini hatte kürzlich die Regierungskoalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung aufgekündigt. Der italienische Rechtsaußen-Politiker strebt angesichts guter Umfragewerte seiner Lega-Partei Neuwahlen an. Regierungschef Giuseppe Conte wird sich am Dienstagnachmittag vor dem Senat in Rom zur politischen Krise in dem Land äußern.
Die Situation an Bord der vor Lampedusa ankernden „Open Arms“ belastet die Crew und die rund 100 Geflüchtete an Bord zunehmend. In der Nacht zum Dienstag holte die italienische Küstenwacht acht weitere Geflüchtete und einen Mitarbeiter aus medizinischen Gründen von Bord, wie die Crew auf Twitter mitteilte. Auf Fotos zeigt sie einen kollabierten Flüchtling.
Am Morgen sei erneut ein Migrant ins Wasser gesprungen, um an Land zu schwimmen. „Die Situation ist außer Kontrolle“, twitterte die Crew. Die „Open Arms“ sucht seit 19 Tagen einen sicheren Hafen für die Geflüchteten. Spanien bot Häfen bei Gibraltar und auf den Balearen an. „Open Arms“-Initiator Oscar Camps lehnte dies unter Verweis auf die zu langen Strecken ab.
„Humanitärer Imperativ“
Camps schrieb in der Nacht auf Twitter, unter den aktuellen Bedingungen an Bord könne das Schiff nicht einmal mehr eine Reise von drei Tagen zu den Balearen antreten. Die Psychologen an Bord hätten eindringlich davor gewarnt, mit den verbliebenen fast 100 Menschen erneut aufs offene Meer zu fahren.
Camps kritisierte zugleich die spanische Regierung: Während der vergangenen fast drei Wochen habe das Schiff die Regierung in Madrid gebeten, die „Open Arms“, die unter spanischer Flagge segelt, zu unterstützen, internationales Recht gegen Italiens Innenminister Matteo Salvini durchzusetzen. Salvini hat die Häfen für zivile Seenotretter geschlossen. Stattdessen wolle sich Spanien jetzt mit Italien einigen.
Der Sondergesandte des UN-Menschenrechtskommissariats für das Mittelmeer, Vincent Cochetel, verlangte, die „Open Arms“ müsse sofort in den nächstgelegenen Hafen einlaufen. Das sei nicht nur ein „humanitärer Imperativ“, sondern auch eine gesetzliche Verpflichtung des internationalen Seerechts, schrieb er auf Twitter.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung