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„Sächsische Separatisten“ mit AfD-Kontakt

Seit 2020 sollen sich Rechtsextreme in Sachsen auf einen Umsturz vorbereitet haben. Die Bundesanwaltschaft hat sie nun festnehmen lassen. Dabei fielen Schüsse

Von Anne Fromm, Jean-Philipp Baeck, Johannes Grunert und Konrad Litschko

Es sind junge Rechtsextreme, die sich selbst als „Sächsische Separatisten“ bezeichneten: Die Bundesanwaltschaft hat am Dienstagmorgen acht Neonazis, 21 bis 25 Jahre alt, in Sachsen festnehmen lassen und wirft ihnen rechtsterroristische Pläne vor. Unter den Beschuldigten sind mehrere AfD-Lokalpolitiker. Bei einer der Festnahmen fielen Schüsse. Die Gruppe unterhält Verbindungen nach Österreich, insbesondere nach Wien und in den Bezirk Krems, wo ebenfalls Durchsuchungen stattfanden.

Gegründet 2020, soll die Gruppe bis zu 20 Mitglieder umfasst haben. Laut Bundesanwaltschaft war sie „militant“ ausgerichtet, ihre Ideologie von „rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen“ geprägt. Die Mitglieder verbinde eine „tiefe Ablehnung“ der demokratischen Grundordnung und der Glaube, dass Deutschland vor dem „Kollaps“ stehe. An dem entsprechenden „Tag X“ soll die Gruppe geplant haben, mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls weiteren ostdeutschen Bundesländern zu erobern, um dort ein nationalsozialistisches Regime zu errichten. Unerwünschte Gruppen sollten „durch ethnische Säuberungen entfernt“ werden.

Die Gruppe führte wohl wiederholt paramilitärische Trainings durch, übte Häuserkampf, den Umgang mit Schusswaffen sowie Nacht- und Gewaltmärsche. Sie soll sich Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten besorgt haben.

Rädelsführer soll Jörg S. gewesen sein, der im polnischen Zgorzelec festgenommen wurde, Nachbarort von Görlitz. Sein Großvater war Politiker der FPÖ in Österreich. Sein Vater, Hans Jörg S. jun., ist ein mehrfach verurteilter Rechtsextremist aus Österreich, der in den 80er Jahren in der militanten Neonazi-Szene aktiv war und später nach Sachsen zog. Auch der Bruder Jörn S. wurde festgenommen. Bei dem Vater und einem weiteren Bruder fanden nach taz-Informationen Durchsuchungen statt, aber keine Festnahmen.

Zu den Beschuldigten gehören zudem drei AfD-Lokalpolitiker: Kurt Hättasch, Kevin R. und Hans-Georg P. Letzterer saß bis Ende 2022 im Leipziger Stadtbezirksbeirat. Kevin R. ist seit August 2024 stellvertretendes Mitglied im Sozialausschuss und im Beirat für Kultur, Jugend und Sport in Grimma. 2021 war R. „Medienbeauftragter“ und „Koordinator“ des Parteinachwuchs, der Jungen Alternative (JA) im AfD-Kreisverband Landkreis Leipzig.

Hättasch gehört aktuell zum Vorstand desselben AfD-Kreisverbands und wurde 2024 in den Stadtrat von Grimma gewählt. Erst Ende Oktober war er zum Schatzmeister der Jungen Alternative Sachsen gewählt worden. Im Juni nahm er an einer Sonnenwendfeier in Strahwalde teil, über die die taz berichtete. Bei der Zusammenkunft hatten sich AfD-Politiker und Mitglieder der JA mit Neonazis, Hooligans und Völkischen getroffen und den Nationalsozialismus verherrlicht: Es wurden Lieder der Hitlerjugend gesungen und ein SS-Standartenführer geehrt. Im Frühjahr 2022 zeigen Fotos Hättasch im sachsen-anhaltischen Schnellroda bei der Anreise zur „Frühjahrsakademie“ im damaligen „Institut für Staatspolitik“ des neurechten Ideologen Götz Kubitschek – auch der Identitäre Marin Sellner war vor Ort.

Aus Sicherheitskreisen wurde der taz bestätigt, dass bei der Festnahme von Hättasch in Grimma auch Schüsse fielen. Dieser wurde dabei am Kiefer verletzt und musste im Krankenhaus behandelt werden. Hättasch habe selbst zu einer Waffe gegriffen. Ob das Projektil von dort oder aus einer Polizeiwaffe stammte, werde noch geklärt.

AfD-Bundeschef Tino Chrupalla nannte die Festnahmen „schockierend“. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, würden Parteiausschlussverfahren eingeleitet. Der Szeneanwalt Martin Kohlmann, auch Anführer der Kleinpartei „Freie Sachsen“, gab in einem Video an, Jörg S. zu vertreten. Er sprach von einer „relativ harmlosen Wandergruppe“, die „zur nächsten Terrorgruppe hochgepuscht werden soll“.

Innenministerin Nancy Fae­ser (SPD) sprach von einem „sehr wichtigen Ermittlungserfolg“. Die Sicherheitsbehörden hätten „frühzeitig militante Umsturzpläne von Rechtsterroristen vereitelt“. Auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von „ungeheuerlichen Plänen“ und einem „großen Erfolg“ der Behörden. Für Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang verdeutlichten die Festnahmen „die anhaltend hohe Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands, die vom Rechtsextremismus ausgeht“.

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte der taz, die Sicherheitsbehörden müssten weiter rechtsextreme Netzwerke „entschlossen auflösen“, dabei müsse auch international gut koordiniert vorgegangen werden. Sein Parteikollege Marcel Emmerich forderte auch eine genaue Informierung im Bundestag über die Gruppe. „Auch mit Blick auf ein mögliches AfD-Verbotsverfahren wird der Handlungsbedarf deutlich“, sagte er der taz. „Wir müssen den parlamentarischen Arm der extremen Rechten vor dem Bundesverfassungsgericht auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen.“ Auch Martina Renner (Linke) erklärte: „Die AfD ist integraler Teil des Rechtsterrors und eine akute Gefahr.“

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