Sachbuch über Eifersucht: Die Angst vor dem Vergleich
Man fühlt sich hilflos, wenn man den anderen belauert. Man will ihn nicht verlieren. Eifersucht ist eine große Triebkraft, sagt der Psychologe Wolfgang Krüger.
Schnuckelchen“ steht da. Und: „Du Schussel.“ Damit bin nicht ich gemeint. Aber diese Worte stecken in meiner Mailbox, in einer Nachricht an mich, mit der ich um etwas Belangloses gebeten werde. Die Zeilen, die auch sonst nichts mit mir zu tun haben, wurden „weitergeleitet“. Sie gehören zu einer Korrespondenz zwischen einer Frau und einem Mann, die sich einander annähern. Ich will das nicht lesen, das ist mir zu intim, ich kenne diese Frau nicht. Von dem Mann hatte ich mich kurz zuvor getrennt. Er hat auf „Weiterleiten“ gedrückt.
Versehen? Absicht? Will er mich eifersüchtig machen?
Ja, sagt Wolfgang Krüger: Das soll eifersüchtig machen. Der Psychotherapeut muss es wissen, er ist, wenn man so will, der Porsche-Fahrer unter den Eifersuchtsexperten. Er ist spezialisiert auf all die Probleme, die Liebe so mit sich bringt. Diese Probleme sitzen jeden Tag in seiner Berliner Praxis. Er versucht, Paare, die sich bei ihm angiften oder anschweigen, aus ihrem Liebesdilemma zu befreien. Er hat gut zu tun.
Wolfgang Krüger: „Aus Eifersucht kann Liebe werden: Die Heilung eines ungeliebten Gefühls“. Kreuz Verlag, Freiburg 2013
Eifersucht, sagt er, spielt bei allen Menschen eine Rolle. Eifersucht ist eine der größten Triebkräfte: „Kaum etwas anderes löst so viele und so heftige Gefühle aus.“ Darüber hat er gerade ein Buch geschrieben, es geht weg wie Freibier.
Der Wunsch nach Einzigartigkeit
Eifersucht ist nicht schön, sie ist kläglich und peinlich. Sie ist die Angst vor dem Vergleich. Man fühlt sich hilflos, schwach und klein mit ihr. Warum gibt es sie überhaupt? Weil es sie geben muss, sagt Krüger. Sie zeigt einem, dass man wahrhaft liebt. Sie drückt den Wunsch nach Einzigartigkeit aus, den Drang danach, sein Leben mit einer ganz bestimmten Person teilen zu wollen. Diese Person will man nicht verlieren.
Das ist Romantik. Das ist Freiheit.
Will man so viel Freiheit? Eifersucht habe auch eine Schutzfunktion, weiß Krüger: Wenn man eifersüchtig ist, spüre man, dass sich der oder die andere allmählich aus der Beziehung verabschiedet. Dass da was nicht (mehr) stimmt. Und das sei gut so.
Immer wieder trifft Krüger auf Leute, die darüber den Kopf schütteln und sagen: Eifersucht – kenne ich nicht. Es sind meist Männer, die das von sich behaupten. Aber die, sagt Krüger, verleugnen ihre Gefühle. Oder leiden an Größenwahn. „Sie schalten ihre Alarmanlage aus.“ Und stehen plötzlich vor dem Nichts: Die Frau ist weg und das Selbstwertgefühl im Arsch.
Wohin nur mit diesem blöden Gefühl?
„Frauen haben die besseren Antennen.“ Krüger erlebt das immer wieder: Da fällt dreimal der Name einer anderen, einer, den sie noch nie gehört haben, ganz beiläufig im Gespräch, und schon spitzen sie die Ohren. Letzte Woche musste er jeden Abend länger arbeiten. Und das vorvorletzte Wochenende hatte er überhaupt keine Zeit. „Läuft da was?“ „Quatsch. Du bist doch bloß eifersüchtig.“ Glaub ich nicht, denkt sie. Sagt es nicht – und handelt. „Manche Frauen sind da sehr geschickt, sie lesen Handynachrichten und zapfen Mailboxen an“, sagt Krüger.
Alles nicht schön. Aber irgendwie muss man doch mit seiner Eifersucht umgehen. Wohin damit?
Am besten in ein Projekt stecken, rät Krüger. In Arbeit, die Spaß macht und einen selbst interessanter. „Seien Sie aktiv“, sagt der Therapeut: Freunde treffen, ausgehen, Theater, Kino, Sport, so was halt. Tun Sie sich selbst gut, seien Sie authentisch und mit sich selbst zufrieden. Seien Sie ausgelastet und kommunikativ. Und natürlich: zugewandt sein. Ein Mittel, das klingt, als sei es das Aspirin für die Liebe.
Krüger sagt: „Seien Sie verschwenderisch.“ Komplimente machen, Hingezogensein gestehen, Liebesbriefe schreiben. Gerade in langjährigen Beziehungen. Eine ehrliche, schutzlose Offenbarung kann bindender sein als Sex, meint Krüger. Aber auch das: Eine Rückenmassage am Abend, Hingabe in der Nacht, am Morgen ein Lächeln – wer läuft da schon weg?
Eifersucht kriegt man nie ganz weg, weiß Krüger. Man kann sie nur minimieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja