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Saarland vor der BundestagswahlLandesliste der Grünen abgelehnt

Die zerstrittenen Saar-Grünen scheiterten am Freitag vor dem Landeswahlausschuss mit ihrer Landesliste. Noch ist eine Beschwerde dagegen möglich.

Jeanne Dillschneider bei der Wahl zur Spitzenkandidatin Foto: Becker Bredel/imago

Frankfurt/Main taz | Das spezielle Saarland-Virus, das bislang Grünen und Linken im Bundestagswahlkampf zu schaffen machte, hat jetzt final die Grünen voll erwischt. Vor dem saarländischen Landeswahlausschuss scheiterte die zerstrittene grüne Landespartei am Freitag mit ihrer Landesliste. Damit werden bei der Bundestagswahl im September auf den Stimmzetteln im Saarland die Grünen nicht mit Zweitstimme wählbar sein. Allenfalls Grüne DirektkandidatInnen könnten angekreuzt werden.

Das vor dem Landeswahlausschuss unterlegene „Grüne Bündnis Saar“, eine innerparteiliche Gruppierung, die im Juli eine zweite Wahl der Landesliste durchgesetzt hatte, kündigte gegenüber der taz an Beschwerde einzulegen. Darüber entscheidet der Bundeswahlleiter spätestens am 5. August. Danach sind Korrekturen nicht mehr möglich. Die ebenfalls umstrittene KandidatInnenliste der Saar-Linken nahm am Freitag dagegen die letzte Hürde. Sie wurde zugelassen.

Mit der Entscheidung vom Freitag findet für die Saar-Grünen ein wochenlanger erbitterte Streit über die Kandidatur ihres ehemaligen Landesvorsitzenden Hubert Ulrich ein bitteres Ende. Der hatte sich nach der verlorenen Landtagswahl 2017 eigentlich zurückgezogen, um Platz für einen Neuanfang zu machen. Doch in einem Coup ließ der 63jährige sich im Juni auf einem Landesparteitag zum Spitzenkandidaten wählen.

Mit einer Anfechtung der Liste konnten die Ulrich-GegnerInnen die Annullierung dieser Wahl erreichen. Ulrichs Wahl auf Platz eins hatte gegen das Frauenstatut verstoßen, bei der Wahl stimmten Parteimitglieder mit, die kein Stimmrecht hatten. Es folgte ein juristisches Tauziehen.

Beschwerde beim Landeswahlausschuss

Am 17. Juli wählte schließlich ein zweiter Parteitag eine neue Liste mit der 25jährigen Juristin Jeanne Dillschneider an der Spitze. Weil das Bundesschiedsgericht für diesen zweiten Parteitag die Delegierten aus Ulrichs Ortsverband Saarlouis von dieser Wahl ausgeschlossen hatte, beschwerten sich sieben von ihnen beim Landeswahlausschluss, mit Erfolg.

Ulrich hatte öffentlich die Einmischung der Bundespartei in die Entscheidungsfindung im Saarland beklagt. Vor 30 Jahren war er erstmals zum Landeschef der Saar-Grünen aufgestiegen. Seitdem sorgte er auch bundesweit für Schlagzeilen.

Nach einer Dienstwagenaffäre musste er zurücktreten, die dubiose Parteispende eines prominenten FDP-Mitglieds brachte ihn in Erklärungsnot, weil er 2009 gegen eine starke innerparteiliche Opposition eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP durchgesetzt hatte, obwohl auch ein Linksbündnis mit SPD und Linken möglich gewesen wäre.

Kein Comeback für Ulrich

Schließlich kam die verpatzte Landtagswahl 2017, bei der sich Ulrich gegen das Frauenstatut der Partei als Spitzenkandidat durchsetzte und am Wahltag mit vier Prozent aus dem Landtag flog. Aus dem geplanten Comeback in den Bundestag wird nun nichts mehr. Allerdings hat der erbitterte innerparteiliche Streit dafür gesorgt, dass auch kaum eine andere Grüne aus dem Saarland im nächsten Bundestag sitzt.

Auch wenn an der Saar nur rund ein Prozent der bundesweit möglichen Stimmen vergeben werden, gilt diese Nichtzulassung der KandidatInnenliste auch als Schlappe für die Kampagne der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Den entscheidenden Fehler machte nämlich das Schiedsgericht der Bundespartei, das die Delegierten von Ulrichs Ortsverbands Saarlouis vom Landesparteitag ausgeschlossen hatte.

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15 Kommentare

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  • Wo man hinschaut, in der SPD, bei den Linken sowieso und jetzt auch noch beiden Grünen. Jeder kämpft nur noch für sich, jeder hält seine Position für unvereinbar mit denen dereigenen Mitstreiter.

    Persönliche Machtkämpfe und Grabenkämpfe, bornierte Prinzipien und aufgblasene Randthemen sind längst wichtiger als das große Ganze. Und das in einem Wahljahr, wo die Union nach x Skandalen eigentlich mit dem Rücken zur Wand steht und ein "Politikwechsel" greifbar schien.

    Wie mich diese vollblinden Ego-Trips nerven....

  • "Weil das Bundesschiedsgericht für diesen zweiten Parteitag die Delegierten aus Ulrichs Ortsverband Saarlouis von dieser Wahl ausgeschlossen hatte, beschwerten sich sieben von ihnen beim Landeswahlausschluss, mit Erfolg."

    Ich denke, das war jetzt genug parteischädigendes Verhalten und kriminelle Energie, um einen ganzen Ortsverband aus der Partei auszuschließen. Hubert Ulrich hält die Füße still und lässt seine Buddies die Drecksarbeit erledigen. Ein Muster, das sich jetzt schon einige Male wiederholt. Allen gemeinsam ist ihr unbedingter Wille, den Landesverband zu beherrschen, und ihr völliger Unwille zu lösungs- und konsensorientierter Parteiarbeit.

    Das Bundesschiedsgericht (!) der Grünen hat die korrupte Krawalltruppe völlig zu Recht suspendiert, wegen erwiesenem Wahlbetrug und parteischädigendem Verhalten. Sie ist die parteiinterne Speerspitze und "grüner Arm" eines ganzen Netzwerks von korrupten Partei- und Wirtschaftskadern im Saarland. Der Landeswahlausschluss als letzte Landes-Instanz trägt sein Scherflein dazu bei, das progressive Grüne Bündnis Saar politisch auszuschalten.

    Nun bleiben dessen Beschwerde und die Entscheidung des Bundeswahlleiters (!) abzuwarten. Es ist zu hoffen, dass wenigstens Georg Thiel einen unabhängigen, nicht parteipolitischen Standpunkt einnimmt, und diese Möglichkeit gibt es ja immerhin.

    • @What would The Doctor do?:

      Den politischen innerparteilichen Gegner von einer Wahl auszuschliessen kennt man sonst nur von Diktaturen. Hatten wir schon mal vor einer Weile auch in Deutschland

    • @What would The Doctor do?:

      Sie meinen es ist parteischädigend, wenn man sich wehrt, weil man ohne legitimenGrund von einer Wahl ausgeschlossen wurde? Oder ist für Sie ein legitimer Grund, dass man vermutlich den falschen Kandidaten wählen würde?

      Ich finde dass dies ein sehr fragwürdiges Demokratieverständnis offenbart.

  • Frauen-Statut wichtiger als innerparteiliche Demokratie? Realistisch hatte nur der erste Listenplatz Aussicht auf ein Bundestagsmandat. Wenn man aber nur ein Mandat vergeben kann, warum muss das dann an eine Frau gehen? Dazu kommt dann noch, dass man eine bestimmte Kandidatin dem Landespartetag aufzwingen wollte. Wie kann es sein, dass ein und dieselbe Kandidatin dreimal vergeblich kandidiert? Warum kandidiert im zweiten oder dritten Wahlgang keine andere Frau?



    Im vierten Wahlgang wird dann Herr Ulrich demokratisch gewählt. Das passt dann der Bundesspitze, allen voran Frau Baerbock nicht, und das Bundesschiedsgericht beschließt das demokratische Wahlergenis zu annulliert und, damit bei der erneuten Wahl auch sichergestellt wird, dass Hert Ulrich nicht erneut gewählt wird, entzieht man etlichen Delegierten das Wahlrecht was dermassen gegen alle elementare, demokratische Grundsätze verstösst, dass jedem eigentlich klar sein musste, dass eine derartig zustande gekommene Liste nie und nimmer akzeptiert werden kann.



    Schlimm genug, was bei den zerstrittenen Saar-Grünen abläuft, aber viel schlimmer ist die Demokratie-Verachtung der Bundes-Grünen.



    Eigentlich wollte ich trotz Bauchschmerzen bei der Bundestagswahl wieder die Grünen wählen, aber allmählich werden sie für mich unwählbar.

    • @vulkansturm:

      Gute Zusammenfassung….

  • Besser keine Liste ,als eine mir nicht genehme Liste.

    Dumm,Dümme, Grüne Saar

    Glückwünsch an die Grünen Strategen

  • RS
    Ria Sauter

    Frau Dillschneider wäre gut beraten sich um ihre Seelengesundheit zu kümmern.



    Es läuft zeitgleich ein Verfahren wegen Vergewaltigung. Anscheinend hat ihr Lebensgefährte, ein SPD Mensch, diese Straftat begangen.



    Das war den Saar Grünen bekannt. Diese Frau in den Wahlkampf zu drängen ist auch eine Straftat.

    • @Ria Sauter:

      Das ist ja eine total weirde Argumentation! Warum sollte man als Opfer eines Verbrechens nicht für politische Ämter zu kandidieren und woher nehmen Sie sich das Recht, anderen Menschen vorzuschreiben, was in ihrem Leben Priorität hat?

  • Damit fahren die Grünen mit ihrem Frauenstatut nun endgültig gegen die Wand. Hätte man es bei Herrn Ulrich belassen, wäre die Wahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne Beanstandung geblieben.

    Glückwunsch.

    • @DiMa:

      Geht es hier nicht eher um den Egotrip eines einzelnen Mannes, der seine Partei erfolgreich über den Abgrund geführt hat?

      • RS
        Ria Sauter
        @Sonntagssegler:

        Erfolgreich in den Abgrund ist der passende Ausdruck.

    • @DiMa:

      Eine Wahl, bei der Leute ohne Stimmrecht mitstimmten? Unwahrscheinlich.

  • Götterdämmerung der Heiligenscheine. Baerbock hat`s zuerst verbockt.

    • @lulu schlawiner:

      Mit Verlaub: verbaerbockt!