SUVs in der Stadt: Schrumpft euch doch selbst!
Müllfahrzeuge werden kleiner, weil immer dickere SUVs die Straßen verstopfen. Was für ein Müll. Auf allen Ebenen.
E ndlich hat auch die Autoindustrie begriffen, dass es so nicht weitergeht. Im Wortsinne. Weil es in den Innenstädten zu eng geworden ist, bietet sie ihre dicksten Brummer jetzt auch in schmal an. Genauer gesagt: in etwas weniger überbreit. Hört sich toll an? Ja. Ist aber Müll. Auf allen Ebenen.
Denn natürlich geht es nicht um die überdimensionierten SUVs, die sämtliche Städte verstopfen. Nein, die Autoindustrie setzt jetzt auf abgespeckte Müllfahrzeuge. Mercedes hat jetzt eine Slimversion auf den Markt gebracht. Die ist nur 2,40 Meter breit, 10 Zentimeter weniger als die herkömmliche Version – die kommt nämlich immer seltener durch die Straßen, weil rechts und links die dicken SUVs parken. Statt das Problem an der Wurzel zu packen, müssen andere sich jetzt also dünn machen.
Angeblich steht SUV ja für „Sport Utility Vehicle“, also in etwa „sportlich nutzbare Karre“. Wenn es denn so wäre. Dann könnten die wie ihre Fahrzeuge aufgeblasenen Insassen auf einem zur Buckelpiste umgebauten Nürburgring rumrumpeln und alle anderen in Ruhe lassen. Fußball oder Fangen darf heute ja auch keiner mehr auf der Straße spielen. Warum also soll dort ausgerechnet Platz für egomanen „Autosport“ sein?
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Wenn die Super Unpraktischen Vehikel denn wenigstens gefahren würden. Aber meistens stehen sie einfach nur rum. Woran man das sieht? Früher gab es in Berlin alljährlich eine Art Weihnachtswunder: Vom 23. bis 27. Dezember blieben in Wohnkiezen massenhaft Parkplätze leer. Weil: driving home for christmas mit Sack und Pack und Tonnen von Geschenken. Da nutzen halt alle ihre Autos. Mittlerweile tritt dieser Effekt an jedem langen Wochenende ein. Da parken die Stadtautobesitzer im grünen Umland und ärgern sich, dass es dort nicht mehr so schön ist. An normalen Werktagen aber, wenn man nur in der Innenstadt unterwegs ist, setzen sich allenfalls notorische U-Bahn- oder Fahrradhasser hinters Lenkrad. Denn auch Autobesitzer sind ja nicht blöd und ruckeln stundenlang durch verstopfe Straßen. Viele zumindest nicht.
Der heutige Golf frisst 30 Prozent mehr Raum
Fast ist es schon wie in New York. Da müssen die begehrten kostenlosen Parkplätze in den Seitenstraßen zweimal die Woche geräumt werden, weil dann die Straßenreinigung kommt. Autoinhaber:innen fahren dann so lange um den Block – oder lassen irgendeinen schlecht bezahlten Menschen cruisen – bis die Reinigungsfahrzeuge durch sind. Dann eilen sie zurück zur Parklücke. Das Auto wird nur noch gebraucht, um den Parkplatz zu blockieren, den man ohne Auto gar nicht bräuchte.
Umso irrer, dass die Parkplatzzustellkisten immer fetter werden. Und das trifft selbst das vielleicht deutscheste aller Autos. Auch der Golf ist längst ein Schwerst Uebergriffiger Volkswagen geworden. Die aktuell angebotene Variante ist 17 Zentimeter breiter und 58 Zentimeter länger als der Ur-Golf von 1974. Und sie frisst fast 30 Prozent mehr Stadtraum. Kein Wunder, dass da kein Müllauto mehr vorbeikommt.
Unter der Fettleibigkeit ihrer Kisten leiden übrigens auch die Fahrer. Dummerweise merken es die meisten nicht einmal. Wenn sie in ihren pupswarm geheizten Weichledersesseln durch die engen Straßen eiern, immer in Angst mit dem teuren Blech irgendwo anzuecken, hupen sie erst mal die dort ebenfalls strampelnden Radler:innen aus dem Weg. Ohne zu erkennen, wer hier das Problem ist. Und wo die gemeinwohlorientierte Lösung liegt.
Neulich wurde in Berlin übrigens eine Isetta gesichtet. Freundlich knatternd und nicht mal 1,40 Meter breit. Da passt der dickste Müllwagen vorbei. Und selbst ein Schrottabschlepper mit einem SUV am Haken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland