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SPD will ran an Hartz IVWeniger Sanktionen, längerer Bezug

Parteichefin Andrea Nahles liefert Pläne für ihre „Sozialstaatsreform 2025“. Ältere arbeitslose Menschen sollen länger Arbeitslosengeld I erhalten.

SPD-Chefin Nahles fordert: Bezug von Arbeitslosengeld I bis zu 33 Monate und in Einzelfällen bis zu drei Jahre Foto: dpa

Berlin dpa/rtr | Die SPD will, dass ältere Menschen bei Arbeitslosigkeit künftig deutlich länger das Arbeitslosengeld I beziehen können. Dies ist Teil der Forderungen von Parteichefin Andrea Nahles für eine „Sozialstaatsreform 2025“, bei der sie auch die umstrittene Grundsicherung Hartz IV durch ein „Bürgergeld“ ersetzen will.

„Ab einem Alter von 50 Jahren wollen wir die Beitragszahlerjahre noch stärker anerkennen als heute“, sagte die Parteichefin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.„Wer 58 Jahre alt ist, kann heute 24 Monate lang Arbeitslosengeld I beziehen. Wir wollen den Bezugszeitraum auf bis zu 33 Monate verlängern“.

In Einzelfällen könne die Bezugsdauer sogar auf drei Jahre steigen. Die Mehrkosten können nach Darstellung der SPD-Chefin aus der Arbeitslosenversicherung gedeckt werden: „Deren Kassen sind voll, das Geld ist da“, sagte sie. Nach dem Ende der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I fallen Betroffene in die Grundsicherung.

Nahles hatte bereits im vergangenen Jahr eine Sozialstaatsreform gefordert und angekündigt: „Wir werden Hartz IV hinter uns lassen.“ Am Sonntag und Montag will sich die SPD-Spitze mit dem Thema befassen – bei einer Klausurtagung sucht sie Wege aus der Krise der Partei.

„Unsinnige Sanktionen müssen weg.“

In dem Interview bekräftigte Nahles ihre Forderungen und nannte Eckpunkte. „Unsinnige Sanktionen müssen weg“, sagte sie. „Entscheidend ist: Der Staat als Partner sorgt fünf Jahre lang für Halt und Perspektive – vom Arbeitslosengeld I über Qualifizierungsangebote bis zur Übergangsphase beim Bürgergeld“, so Nahles.

Auch soll nach dem Entwurf in den ersten zwei Jahren, in denen man Bürgergeld bezieht, die Angemessenheit der Wohnung nicht mehr infrage gestellt werden können. „Die Betroffenen brauchen ihre Kraft, einen neuen Job zu finden, nicht eine neue Wohnung“, sagte Nahles.

Die Höhe der Regelsätze will Nahles nicht erhöhen: „Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die für wenig Geld jeden Tag zur Arbeit gehen. Wenn wir denen das Gefühl geben, dass sich ihr Einsatz finanziell nicht mehr lohnt, zerstören wir jede Motivation.“

Das umgangssprachlich oft Hartz IV genannte Arbeitslosengeld II wurde 2005 unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder eingeführt. Viele in der SPD sehen in den Arbeitsmarktreformen der damaligen rot-grünen Regierung einen Grund für den Vertrauensverlust der Partei.

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12 Kommentare

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  • Taz: Die Höhe der Regelsätze will Nahles nicht erhöhen: „Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die für wenig Geld jeden Tag zur Arbeit gehen. Wenn wir denen das Gefühl geben, dass sich ihr Einsatz finanziell nicht mehr lohnt, zerstören wir jede Motivation.“

    Natürlich will Frau Nahles (SPD) die ALG-II-Regelsätze nicht erhöhen, denn schließlich ist das für die noch arbeitende Bevölkerung eine "Motivation" auch weiterhin für ein Ei und ein Butterbrot jeden Tag arbeiten zu gehen. Gerhard Schröder (SPD) hat damals aus Deutschland das Niedriglohnland Nummer 1 in Europa gemacht und das möchte die heutige SPD unter Andrea Nahles natürlich nicht ändern, sonst wären ja die Gewinne der Reichen in Gefahr. Mit Hartz IV hat man Millionen Bürger zu Arbeitssklaven gemacht. Zunächst die Hartz IV Empfänger, weil die mit dem § 10 SGB II in jeden Job gezwungen werden können und zum anderen die Bürger, die momentan noch einen Job haben, weil man ihnen sagt, wenn ihr nicht spurt, dann kommt ihr auch ganz schnell in Hartz IV.

    Die SPD hat es einfach nicht kapiert - oder sie hofft weiterhin auf die Dummheit des Wählers, dass der das neue Märchen von einer "sozialen und gerechten SPD" glaubt. Eine sogenannte "soziale Partei", die immer noch an den Lippen eines Gerhard Schröder hängt (ein Mann der den Spitzensteuersatz für die Reichen gesenkt hat und der eine "Behörde" wie die Jobcenter trotz Art. 1 GG und Art. 20 GG überhaupt erst möglich gemacht hat), die braucht kein sozial denkender Mensch in Deutschland mehr.

  • Die SPD hat dafür gesorgt, dass es einen Niedriglohnsektor gibt und fast 15 Jahre nichts dagegen getan und benutzt nun die Niedriglöhner dazu auf Regelsatzerhöhungen zu verzichten, um einen Einkommensunterschied beizubehalten, wie Scheinheilig und Heuchlerisch!



    Der ganzen Misere einen neuen Namen zu geben, Bürgergeld, wird auch nichts nutzen, denn die Betroffenen werden in jedem Fall diejenigen sein, die nicht das Geringste davon haben!



    Selbst wenn jemand der Arbeitslos geworden ist nicht sofort eine neue Wohnung suchen muss, wird es noch genug finanzielle Probleme geben, um die Wohnung zu halten!



    Wenn er nach 2 Jahren immer noch keine Arbeit gefunden hat, wird im dann aber sehr schnell klargemacht, ab hier ist dein Abstieg unaufhaltsam!



    Wenn die geplanten Weiterbildungen laufen wie bisher, ist in jedem Fall damit zu rechnen, dass derjenige sich mit einem sehr viel schlechteren Beruf abfinden muss, oder sich auf eigene Kosten weiterbildet!

    Wer einmal in diesen Mühlen des Arbeitsamtes war, wenn es um eine Weiterbildung geht, der weis was dort für ein Blödsinn verzapft wird, den Job wegen eines kaputten Rückens verloren, aber dann eine Fortbildung zum LKW Fahrer machen müssen, als ein Beispiel zu sehen!

    Diese Rederei um das abändern von Hartz IV wird sich spätestens nach den Wahlen im Herbst diesen Jahres verlaufen haben, denn nach diesen Wahlen wird die SPD erkennen, dass es mit müden Plattitüden nicht möglich ist Wahlen zu gewinnen, denn alle Glaubwürdigkeit hat die SPD schon längst verspielt!

    Hinzu kommt noch, dass die Partner der GroKo sicher nicht gewillt sind einer Partei, die mit viel Wohlwollen noch bei 15% liegt, dabei zu unterstützen, einen so großen Umsturz in der Sozialpolitik bewerkstelligen zu lassen!

    Es wäre für die SPD auch sehr Sinnvoll, wenn sie sich mal Gedanken zu den nun Angekündigten Mindereinnahmen von fast 25 Milliarden machen würde und verhindern würde, das der Digitalpakt für Schulen deshalb fallen gelassen werden soll, laut Scholtz!!!

    • @urbuerger:

      Die SPD hat nicht für einen Niedriglohnsektor gesorgt, sondern diesen durch Hartz IV deutlich reduziert. Die Sanktionen kamen 2007, seit 2008 ist der Niedriglohnsektor deutlich zurück gegangen, trotz Millionenfachem Zuzug niedrig Qualifizierter. Hartz IV war echte Armutsbekämpfung!

      • @Wombat:

        "Hartz IV war echte Armutsbekämpfung!" - Meinen Sie das ernst? Die Wahrheit ist: Hartz IV bekämpft nicht die Armut, sondern die Armen.

        Noch etwas. Seit Jahren werden die Hartz IV Regelsätze systematisch niedrig gerechnet, wie das Fernsehmagazin 'Monitor' der ARD 2018 berichtete. Mit solchen Tricksereien wird aber nicht nur bei den ALG II Empfängern gespart (ca. 10 Milliarden Euro im Jahr), sondern auch bei den Einkommenssteuerzahlern, denn Hartz IV ist daran gekoppelt. Je höher der Hartz IV Regelsatz nämlich ist, um so höher ist der Freibetrag für die Einkommenssteuerzahler in diesem Land. Da man aber die Hartz IV Sätze nicht anhebt, wird natürlich auch der Freibetrag nicht angehoben, und so holt sich der Staat noch einmal 15 Milliarden Euro vom Steuerzahler. Etwa 25 Milliarden Euro spart der Staat so im Jahr an seine Bürger.

        Diese Regierung schröpft alle Bürger, egal ob arbeitslose Menschen oder Menschen die noch in Arbeit sind, und die SPD macht da immer noch fleißig mit. Rotkäppchen hat sich auch nicht von dem Wolf, der Kreide gefressen hat, reinlegen lassen, und aufgeklärte Bürger werden sich auch nicht mehr von den "Märchen" der Agenda-2010-SPD reinlegen lassen. Entweder dreht sich die SPD um 180° und wird wieder zu der sozialen Partei die sie vor Schröder war oder sie wird in den nächsten Jahren verschwinden.

      • @Wombat:

        können sie dafür irgendwelche Belege nennen? Was sie sagen stimmt so nicht. Mit der Agenda 2010 hat das ALG II (Hartz IV) dafür gesorgt, dass der Billiglohnsektor in Deutschland enorm zugenommen hat. Dies liegt daran, dass Leute durch die Sanktionen Arbeiten annehmen müssen, die ihnen nicht einmal das Niveau des ALG II sichert. Durch die dann gezahlten Aufstockungen, werden die Arbeitsplätze im Billiglohnsektor ganz direkt vom Staat finanziert. Das ist sehr Skuril, da eine Firma ja nur dann funktionieren sollte, wenn sie ein funktionierendes Geschäftsmodell hat, und damit auch ihren Angestellten ein Auskommen sichern kann. Firmen, die ihren Angestellten weniger als ALG II zahlen und bei denen der Staat aufstocken muss, haben offensichtlich kein solches Geschäftsmodell. Wieso ist es dann gerechtfertigt gerade Firmen zu subventionieren (weil nichts anderes ist Aufstocken und in den meisten Fällen auch Wohngeld zahlen) die Arbeitsplätze im Billiglohnsektor schaffen?



        Freundliche Grüße,



        F.Diel

  • Ein einfaches und gerechtes Prinzip möchte ich Frau Nahles vorschlagen: Wer länger in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, kann auch länger Leistungen beziehen. Am besten gestaffelt im Verhältnis 12 zu 1, also nach 12 Jahren ein Jahr Arbeitslosengeld, nach 24 Jahren Versicherungszeit zwei Jahre Arbeitslosengeld und nach 36 Jahren auf einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz drei Jahre Arbeitslosengeld. Keine Ausnahmen und keine Anrechnung von Ersatz- oder Zurechnungszeiten.

  • "Die Höhe der Regelsätze will Nahles nicht erhöhen: „Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die für wenig Geld jeden Tag zur Arbeit gehen".



    Vielleicht einfach den Mindestlohn erhöhen?



    Erst den Niedriglohnsektor und den Sanktionsapparat Harz V einführen und dann den zu niedrigen Mindestlohn als Argument gegen eine Erhöhung der Regelsätze zu nehmen. Was für Heuchler!

    • @Andreas J:

      Danke, ziemlich genau das habe ich auch gerade gedacht.



      Die SPD so: "Wir wollen Hartz IV voll ändern und so. Wir haben uns gedacht wir nennen es jetzt anders. Und außerdem streichen wir die Behörden jetzt in freundlicheren Farben. Gut oder?"



      Ne. Nix gut daran und auch keine echte Änderung in Sicht.



      Mindestlöhne rauf auf 15 € netto! Hartz IV-Satz an den Mindestlohn koppeln! Sanktionen ersatzlos streichen! Und die SPD auflösen...



      Das wäre mutige Politik für die Eigentumslosen. Arbeiter*innen freundliche Politik sozusagen, aber sowas kann von den Genossen der Bosse natürlich keine*r erwarten...

    • @Andreas J:

      So niedrig ist der Mindestlohn ja nun ach nicht. Eine weitere Erhöhung würde der Beschäftigungslage bei den Billig-Jobs nicht gut tun. Vergesen Sie nicht, daß es etliche Arbeitnehmer gibt, die nicht sonderlich qualifiziert sind, und kaum etwas anderes ausüben können.

      • @Wellmann Juergen:

        Ich gehe davon aus, dass du nicht für den Mindestlohn arbeitest, ansonsten hättest du eine andere Sichtweise.

        • @Hampelstielz:

          Eine andere Sichtweise ändert leider nichts an den Funktionalitäten des Arbeitsmarktes. Rechnet sich etwas nicht, dann wird es nicht getan. Oder wegrationalisiert.

          • @Wellmann Juergen:

            Ah, ein selbsternannter Realist und VWLler. Der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft als vorgegebene Naturgesetzmäßigkeit.



            Der Mensch bohrt sich kilometerweit in die Erde, gestaltet den Lebensraum so um, wie es ihm passt, anstatt sich anzupassen, aber den Kapitalismus, das menschengemachte Elend kann er nicht angehen.