piwik no script img

SPD und NSA-AffäreKuschen für die Koalition

Thomas Oppermann kritisierte die Regierung wegen ihrer Haltung in der Spähaffäre scharf. Im Sommer. Jetzt ist der Sozialdemokrat handzahm geworden.

Hübsch, so ein rotes Spionage-Fernsichtgerät. Bild: imago/blickwinkel

BERLIN taz | Dieser Tage demonstrieren Union und SPD bilderbuchreif, wie sich Überzeugungen und Haltungen ändern, sobald aus dem politischen Gegner ein möglicher Koalitionspartner geworden ist. Besonders augenfällig vollzieht sich dieser Prozess im Fall von Edward Snowden.

In der Frage, wie die – geschäftsführende – Bundesregierung mit dem asylsuchenden und aussagewilligen Whistleblower aus North Carolina verfahren soll, vollzieht die SPD eine eindrucksvolle Volte. Vor allem deren Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Thomas Oppermann führt vor, wie sich Haltungen ändern können, wenn man beabsichtigt, aus der Opposition in die Regierung zu wechseln.

Oppermann, seines Zeichens auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG), hatte im Wahlkampf-Sommer beim Thema NSA-Enthüllungen noch heftig gegen die Regierung gekoffert. Der Bundeskanzlerin warf er vor, sie schlage sich im Fall Edward Snowden „seitlich in die Büsche“. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bescheinigte Oppermann nach dessen Aufklärungsreise nach Washington „transatlantisches Duckmäusertum“. Und der schwarz-gelben Bundesregierung hielt er vor, sie ließe sich „mit nichtssagenden Erklärungen und geschwärzten Seiten abspeisen“.

Mittlerweile haben wir November. Thomas Oppermann sitzt mit Angela Merkel am Verhandlungstisch für einen schwarz-roten Koalitionsvertrag. Es geht um inhaltliche Schnittmengen – und um Posten. Wenn alles gut läuft, könnte Oppermann neuer Bundesinnenminister werden. Die CDU ist nicht mehr Gegner, sondern Partner. Und unter Partnern wählt man dann schon mal das kleinere Besteck. Zwar fordert der Genosse Oppermann noch einen Untersuchungsausschuss des Bundestages zu NSA-Affäre. Von „Büschen“ und „Duckmäusern“ aber ist nichts mehr zu vernehmen.

Auch sein Parteivorsitzender hält sich mittlerweile wieder zurück. Dabei hatte Sigmar Gabriel noch Anfang Juli gefordert, die Bundesanwaltschaft möge in der von Snowden aufgedeckten Spionageaffäre Ermittlungen gegen die Chefs der verantwortlichen Geheimdienste in den USA und Großbritannien aufnehmen. Zudem schlug er vor, Snowden die Aufnahme in ein deutsches Zeugenschutzprogramm anzubieten. Die Bundesanwaltschaft, so Gabriel, müsse Snowden in Moskau als Zeugen vernehmen. „Und wenn sie den Eindruck hat, dass er ein verlässlicher Zeuge ist, muss man überlegen, ob er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden sollte.“

Informationen gegen Asyl

Nach dem überraschenden Besuch des Grünen-Politikers Christian Ströbele in Moskau ist das aktueller denn je: Snowden bietet einen Deal an. Informationen gegen Asyl. Der 30-Jährige will in Deutschland aussagen, wenn die Bundesrepublik oder ein anderes Land Asyl gewähren.

Nun steht die Frage im Raum, wie sich die größte Noch-Oppositionsfraktion verhält. Steht sie dem Whistleblower zur Seite, der öffentlich gemacht hat, dass der US-Geheimdienst NSA weltweit die Telekommunikation von Bürgern und Regierungen ausspäht? Durch den Angela Merkel erfahren hat, dass die NSA ihr Handy abgehört hat?

Oppermann, der PKG-Chef, wählt den Mittelweg. In der ARD erklärte er am Sonntagabend, er sei für eine schnelle Befragung von „Herrn Snowden“. In Moskau. Asyl oder eine Aufenthaltsgenehmigung für Snowden in Deutschland seien „natürlich nicht ausgeschlossen“. Doch Oppermann nennt Bedingungen: Neben einer humanitären Lösung für Snowden müsse die US-Spähaffäre aufgeklärt und die „schrankenlose Überwachung durch US-Geheimdienste“ beendet werden.

Zudem müsse darauf geachtet werden, „dass die deutsch-amerikanische Beziehung in Takt bleibt“ und „wieder auf die Wertebasis zurückgeführt“ wird. Schließlich: „Ich bin nicht sicher, ob wir stark genug sind, diesen Konflikt bis in die letzte Konsequenz auszuhalten.“ Mit anderen Worten: Erst mal muss man die verfahrene Situation mit Washington lösen – dann könnte Snowden geholfen werden.

„Per Beschluss zwingen“

Dass es auch anders geht, zeigen Vertreter der anderen Oppositionsparteien. Die neue Grünen-Chefin Simone Peter forderte die Bundesregierung in der ARD auf, „jetzt endlich zu handeln“ und Edward Snowden nach Deutschland zu holen. Und Linksparteichef Bernd Riexinger erklärte gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung, das Parlament müsse die Regierung „per Beschluss dazu zwingen, Snowden Asyl und Gelegenheit zu einer Zeugenaussage zu geben“. Im Bundestag seien „drei von vier Parteien“ für dessen Aufnahme.

Dumm nur, dass eine davon, die SPD, das inzwischen nicht mehr so formuliert. Es sind diese Tage, in denen sich die Reihen neu formieren. Aus der stärksten Oppositionspartei SPD soll ein Koalitionspartner werden. Und wenn die Sozialdemokraten dem Koalitionsvertrag mit der Union im Dezember ihren Segen geben, bleibt von der parlamentarischen Opposition nur mehr ein Hauch dessen, was sie bisher war. Während die Großkoalitionäre dann gemeinsam über satte 504 Stimmen verfügen, haben Linke und Grüne gerade mal noch 127. Das ist keine Größe, die Schwarz-Rot auch nur annähernd gefährlich werden könnte.

Die Frage, ob einem Edward Snowden Asyl gewährt werden soll, könnte einen ersten Eindruck davon vermitteln, wie in den kommenden vier Jahren die Kontrolle der Regierung durch das Parlament aussieht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Ich habe Herrn Oppermann eben in einer Mail empfohlen, das Buch "Geheimer Krieg" von Christian Fuchs und John Goetz zu lesen, zumal darin auch aufgezeigt wird, dass alle deutschen Regierungen das rechtswidrige Handeln von US amerikanischen Agenten und Mitarbeiter von Diensten wie der CIA nicht nur stillschweigend billigen sondern es teilweise sogar aktiv unterstützen.

     

    Bleibt abzuwarten ob er es tatsächlich liest und ob er dann Konsequenzen aus den Informationen zieht.

     

    Wer das Buch gelesen hat wird nicht mehr erwarten, dass irgend eine deutsche Regierung auch nur das Geringste gegen die USA unternehmen wird - gleichgültig worum es sich handelt. Das Maximum wird ein bisschen Theater fürs Volk sein bei dem man den USA schon vorher mitgeteilt hat, dass man das natürlich nicht ernst meine.

  • M
    Malnachgehakt

    "Na Anja, was machst du so in deiner Freizeit?"

    "Schreibst du?"

  • PH
    Peter Haller

    Ich denke mal, dass Snowden so klug ist, der deutschen Regierungspartei CDUSPDCSU den Steinbrück zu machen !

    Mit so einem verlogenen und analfixiertem Verein würde ich nicht mal die Hand geben, geschweige denn das Vertrauen.

    Mein Tip an Merkel und ihre Gespielen: vergesst das ganze NSA-Getue und kümmert euch wieder um die Herdprämie, da seid ihr besser aufgehoben !!

  • PH
    Peter Haller

    Ich denke mal, dass Snowden so klug ist, der deutschen Regierungspartei CDUSPDCSU den Steinbrück zu machen !

    Mit so einem verlogenen und analfixiertem Verein würde ich nicht mal die Hand geben, geschweige denn das Vertrauen.

    Mein Tip an Merkel und ihre Gespielen: vergesst das ganze NSA-Getue und kümmert euch wieder um die Herdprämie, da seid ihr besser aufgehoben !!

  • KF
    Krämpfe für die Freiheit

    Tja, Scheisse mit dem Gewissen, wenn die Führer-Nation das eigene Land besetzt hat!

  • Zudem müsse darauf geachtet werden, „dass die deutsch-amerikanische Beziehung in Takt bleibt“ und „wieder auf die Wertebasis zurückgeführt“ wird, meint Oppermann.

    Ich fürchte, die Wertebasis der US-Seite ist eine andere. Wie auch der Takt.

  • Das die Sozen kein Rückgrat haben ist hinlänglich bekannt. Da ist es sinnvoller mit dem Hund spazieren zu gehen, als dagegen anzuschreiben.

    Alternativ könnte Claudia Roth Snowden ehelichen, die taz und ihre Anhänger scheint in dieser Hinsicht flexibel zu sein, wie ich kürzlich las.

  • Im Sommer war er eine Witzfigur und man fragte sich, was denn eigentlich noch der Unterschied zur NPD war. Das sind naemlich weniger Rassisten als Revisionisten und nur unter dem Gesichtspunkt finde ich die Geschichte interessant. "Magazin fuer Souveraenitaet" heisst das in "serioes". Dagegen waren die AfD-Leute Waisenknaben. Aber die "Linken" haben den Trend voll erkannt.

  • WH
    Wer hat uns verraten...

    Ein - leider - sehr schön und treffend formulierter Artikel. In diesem zusammenhang bringt es ein Lied auf den Punkt: http://www.youtube.com/watch?v=8vFL0QWxugI

  • RW
    Rainer Winters

    ... und das andere PKG-Mitgleid Michael Hartmann / SPD spielt auch den sinnenlosen Affen: Hört nichts, sieht nichts ...

     

    Aber immer fein Anzug tragen, gell?

  • A
    Alecs

    Dieser Richtungswechsel beim Oppermann fällt mir auch schon seit ca. 2 Wochen auf.

     

    Ich halte von der SPD schon lange nichts mehr, man sieht ja auch warum.

     

    Dass in der BRD immer mehr Menschen die Glaubwürdigkeit in der Politik einfach nicht mehr Ernst nehmen können, liegt doch einfach auf der Hand.

     

    Es ist immer dasselne Theater. Geht mir und vielen anderen gewaltig auf die Klöten. Diese Heuchler!

  • I
    ion

    Herrn Oppermann dürfte inzwischen wohl klar geworden sein, dass eine unkontrollierbare Aussage-, Publikations-möglichkeit Snowdens’ (, der angeblich ca. 1,6 Millionen Seiten zum NSU-Thema haben soll) auch ein echter Supergau für die SPD (und deren vormaligen Regierungszeit) werden könnte.

     

    Hans-Christian Ströbele

    http://www.stroebele-online.de/bundestag/anfragen/7202683.html

    &

    Thomas Oppermann

    im

    ZDF, Berlin direkt vom 3. November 2013 ::

    http://hstreaming.zdf.de/zdf/veryhigh/13/11/131103_sendung_bdi.mov

  • die SPD wollte doch nie eine Koalition mit den Grünen, das war alles nur Theater. Geplant war schon immer eine sog. große Koalition. Und wenn ich jetzt so höre, was z.B. die Kohle-Kraft so von sich gibt, dann kann ich nur sagen armes Deutschland.

    • @Tadeusz Kantor:

      Ich denke, dass doch eher ziemlich früh klar war, dass es zu dieser Koalition nicht kommen würde..