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SPD mit Schulz und ScholzMachtkampf im Verborgenen

Die SPD soll kritischer auf den globalen Kapitalismus schauen, sagt Parteichef Schulz. Olaf Scholz ist unsichtbar anwesend.

Bei Martin Schulz' Rede am Montag unsichtbar anwesend: Olaf Scholz (l.) Foto: dpa

Berlin taz | Links neben Martin Schulz steht die Statue von Willy Brandt, dreieinhalb Meter hoch und einschüchternd. Wie eine Erinnerung an die großen Zeiten der SPD. Die scheinen ferner denn je. Nun sucht die SPD nach Gründen für das Wahldebakel und wie man es besser machen kann. Das ist nicht einfach.

In Schulz’ Leitantrag für den Parteitag am 9. Dezember, der den SPD-Chef in seinem Amt bestätigen soll, ist auch Selbstkritisches zu lesen. Die Wahlkampagne habe zu wenig thematisch zugespitzt, dafür habe die SPD dauernd neue Botschaften zu Bildung, Rente, Arbeit gesendet. Zu viele hätten den Eindruck gehabt „die SPD treibe jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf“.

Die Partei soll, so kündigt Schulz an, wieder kritischer auf den globalen Kapitalismus schauen. Man müsse den „ungebändigten Neoliberalismus“ an die Kette legen. Auch der Agenda­kurs wird kritisiert, allerdings in watteweichen Formulierungen. Die SPD sei bei wichtigen Themen zu sprunghaft gewesen und müsse die Politik der letzten 20 Jahre hinterfragen.

Der SPD-Chef will nun, dass die Partei offener wird. In Online-Foren soll, auch wer nicht den Frondienst täglicher Parteiarbeit macht, künftig mit entscheiden können. Bei Treffen mit der Basis hat Schulz gelernt, dass sie Macht will und kein top down. „Beteiligungskultur“ nennt Schulz das, und es klingt schon wieder eher altsozialdemokratisch als nach Frischluft.

Regionalkonferenzen, Strukturreformen, Öffnung der Partei nach außen und kapitalismuskritische Sprüche, all das hat es schon mal gegeben, nach der Niederlage 2009. Die Parteispitze besucht die Basis, gelobt Besserung, verspricht Partizipation, nimmt eine Parteireform ins Auge, die meist irgendwann wieder in Schubladen verschwindet.

Schulz will nun, dass ab 2019 die Basis den Vorsitzenden wählt. Es soll ein Akt direkter Demokratie sein, weg vom Hinterzimmer-Image. Als Schulz bei der Pressekonferenz in der Berliner SPD-Zentrale gefragt wird, warum man die Urwahl des SPD-Chefs nicht schon jetzt einführt, statt den Parteitag am 9. Dezember ihn zum Vorsitzenden wählen zu lassen, antwortet er: Es gebe nur einen Kandidaten, da mache ein Basisvotum wenig Sinn. „Ich kann mich ja nicht verdoppeln.“ Schulz lächelt dünn.

Schlag gegen den Chef

Unsichtbar anwesend ist an diesem Montag Olaf Scholz, Erster Bürgermeister in Hamburg. Der Oberpragmatiker, dafür spricht viel, hält sich für den besseren Vorsitzenden. Scholz werden Ambitionen nachgesagt, den Laden zu übernehmen. Dass er in der Deckung bleibt, hat auch mit fehlenden Mehrheiten zu tun. Schulz weiß die Basis und starke Landesverbände wie Nordrhein-Westfalen hinter sich.

Der Machtkampf im Verborgenen gewinnt kurz vor dem Parteitag an Brisanz. Im Spiegel feuert Scholz eine Breitseite gegen Schulz ab. Die Klage über Organisationsmängel gehöre für ihn zu Ausflüchten, sagt er. Die erfolgreiche Kanzlerkandidatur Gerhard Schröders sei erst im April 1998 ausgerufen worden, viel später also als jetzt, „trotzdem hat die SPD eines der besten Resultate ihrer Geschichte erzielt“.

Das ist ein Schlag gegen den Chef. Die Sturzgeburt, mit der er zum Kandidaten gekürt wurde, ist für Schulz eine wichtige Ursache für das Debakel. Erst Ende Januar hatte sein Vorgänger Sigmar Gabriel überraschend angekündigt, ihm den Vortritt zu lassen. Da waren es gerade noch acht Monate bis zur Wahl. Zu spät für eine auf Schulz zugeschnittene Kampagne. Schulz’ Leitantrag wiederholt diese Klage. Die späte Kür sei „zur Achillesferse“ der ­Wahlkampfkampagne geworden.

Gerhard Schröders Generalsekretär

Scholz kann auch mit linkem Anti-Agenda-Sound wenig anfangen. Er hält die Arbeitsmarktreform bis heute für ­einen Erfolg. Schließlich drückte er sie als Generalsekretär unter Gerhard Schröder mit durch. Schon vor zehn Tagen heizte Olaf Scholz Spekulationen über einen Kampf um die Spitze an, indem er ein Papier zur Zukunft der SPD veröffentlichte.

Wieder wurden die Unterschiede zu Schulz deutlich. So zählte Scholz etwa die diversen Sozialreformen der SPD in beiden Großen Koalitionen auf. Auch das Wahlprogramm der SPD habe daran angeknüpft, der Wahlkampf habe ganz im Zeichen der sozialen Gerechtigkeit gestanden, schrieb er. „Es ist daher nicht plausibel möglich, das Wahlergebnis damit zu begründen, dass die SPD sich nicht genügend für soziale Gerechtigkeit einsetze.“

War das eine Distanzierung von Schulz? Manche in der SPD deuteten Scholz’ Papier so. Schließlich steht er in Hamburg für einen mittigen Kurs, der auch das konservative Bürgertum begeistert. Ob zwischen Schulz und Scholz aber ein echter politischer Dissens besteht oder ob es um links oder rechts geht, weiß kein Mensch.

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10 Kommentare

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  • Das ganze Elend der SPD zeigt sich darin, dass in der Partei unser Hamburger Scholzomat von manchen als Hoffnungsträger gesehen wird. Seit seinem einsamen G20-Beschluss traut der Mann sich in Hamburg nicht mehr in die Öffentlichkeit...die Hamburger SPD hat bei der BTW überdurchschnittlich verloren und ist ein lebloser Torso.

  • Ob man uns ein o für ein u vormachen will, kann uns Ex-Wählern der SPD egal sein.

     

    Sch.o.lz wie Sch.u.lz haben es vor der Wahl beide verpasst, im Frühsommer 17 aus der GroKo auszusteigen, als hinter verschlossenen Türen mit Hilfe der GG-ändernden 2/3-Mehrheit die deutsche Infrastruktur -speziell Straßen und Schulen- über ÖPP an private Profiteure und Spekulanten verhökert wurde.

     

    Ohne echte personelle Erneuerung wird es nichts mit irgendwelchem angeblichen Mitte-Links-oder-Mitte-Rechts-Geschrei.

  • Solange die SPD an der Agenda festhält wird es weiter bergab gehen.

     

    Mit Scholz geht nur schneller!

     

    Eine deutliche Trennung von den Positionen des "Seeheimer Kreises " wäre wünschenswert.

  • Vielleicht wäre es sogar besser gewesen Schulz erst im letzten Monat vor der Wahl als Kandidaten bekannt zu geben, schließlich hatte er einen dreimonatigen Höhenflug in den Umfragen. Aber dann war der Damof raus aus dem Schulz Zug...

     

    Schulz hat wenigstens ein bisschen Unterschiede zu Kanzlerin gezeigt, hätte Scholz kandidiert, hätte man plakatieren können: "Aus Raute wird Halbglatze. Sonst ändert sich nix!"

  • "Scholz kann auch mit linkem Anti-Agenda-Sound wenig anfangen. Er hält die Arbeitsmarktreform bis heute für einen Erfolg"

     

    Scholz glaubt, dass die SPD in der Mitte die CDU/CSU und die FDP schlagen kann. Das ist ein Irrtum und die schlechten Wahlergebnisse der SPD seit 2003 sind ein klarer Beleg dafür, dass die Partei mit ihrer Mitte-Strategie nicht gewinnen kann.

     

    Aber wenn Scholz antritt, sind wir ihn dann vielleicht los bzw. wir haben ihn dann irgendwo im Bundestag als rührigen Abgeordneten aus Hamburg.

     

    Schulz ist in meinen Augen ein Idiot, dass er die SPD weiter führen will, weil diese Partei gar nicht aus dem Bereich 20 Prozent rauskommen wird.

     

    Sie will es eigentlich auch gar nicht, denn dann müsste sie in die Offensive, müsste echte Probleme ansprechen und für echte Lösungen streiten - etwas dass sie seit 2003 nicht mehr macht, wahrscheinlich aus Angst vor sich selbst, dass noch jemand eine Reform ausdenkt, die wieder das eigene Klientel beutelt.

     

    Die SPD hat mit Riester und Hartz-IV ein Verarmungsprogramm für eine richtig große Gruppe von Menschen ausgedacht und Scholz u. Schulz beharren darauf, dass dies gut gewesen ist.

     

    Ja, fragt sich nur für wen? Für die 20 Prozent unserer Gesellschaft, die sowieso ohne Sorgen lebt?

     

    Warum kann ein einfacher Arbeiter heute nicht mehr seine Familie ernähern, warum erhält er keine normale Rente mehr, warum müssen seine Kinder absteigen und auf dieser Linie weitermachen?

  • Wer die (Wahlkampf-) Situation 2017 mit der von 1998 vergleicht, hat nichts kapiert.

    1998 gab's im Volk eine Wechselstimmung, die SPD hatte nicht nur einen Kanzlerkandidaten Schröder, sondern auch einen Vorsitzenden Lafontaine und die SPD hatte in der Zeit vor 1998 lange keine Regierungszeit und sie hat auch vor 1998 keine "Reformen" initiiert und durchgesetzt (nicht nur keine "Agenda2010", sondern auch keine Riester-Altersrentenänderungen und auch keine Eichel-Steueränderungen). Sie hat vor 1998 auch nicht in einer GroKo mitregiert und demzufolge keine Rentenänderung a la Müntefering ("Rente ab 67") und Anderes mehr mitbeschlossen.

     

    Alles, was ich bisher gelesen habe, sagt, dass die "Agenda2010" nicht die positiven Auswirkungen hatte, die ihr von interessierter Seite auch heute noch zugeschrieben wird.

     

    Also, man sollte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen auch wenn beides Obst ist, das auf Bäumen reift und gedeiht.

  • Wenn sich Scholz durchsetzt, kann die SPD gleich geschlossen Merkels CDU beitreten .

  • De Quidje aus OS - Olaf I. v. Hummel Hummel -

    "… bleibt in der Deckung" - klar!

     

    Büroklammer gegen Lampenschirm!

    Na Seevus. Prickelnd geht anders!

    Solange aber gibt Herr von Dochnida -

    Den kläffenden Wadenbeißer!*

    kurz - Kreisklasse im Abstiegskampf!

     

    (* Seine Philippika a tv schon vor der Wahl!

    "Provinzler - nie was hingekriegt - Anfänger

    Stümper - etc …& selbst einsetzen bitte!"

    &

    Wunderbar retourniert vom

    CDU-Arbeiterführer Rüttgers Club aus

    Pullerheim (remember - "Rinder statt Kinder"!)

    "… ach & jetzt soll ich anschließend

    Herrn Schulz loben!";))

    Nu - vllt müssen für diese SPezialDemokraten

    Demnächst doch noch die nach unten offenen

    Wahlergebnisse - gesondert ausgewiesen werden!

    Newahr & Na Mahlzeit.

  • Bei der SPD wird viel heiße Milch geschlagen. Hoffentlich fällt der so erzeugte Schaum relativ schnell zusammen.

    Scholz als "Pragmatiker" hat den Mindestlohn von 12 Euro anvisiert. Dann wissen also alle, die die letzten Jahre real für weniger gearbeitet haben in etwa wie hoch die volkswirtschaftliche Gruppenverarsche ausfällt. SPD hat daran einen nicht unbedeutenden Teil. Hoffentlich fliegen auf dem PArteitag richtig die Fetzen (trotz der Regievorbereitung) und die Verantwortlichen von ihren Posten.