SPD-Wahlkampfveranstaltung in Hessen: Männer über Bord
Drei führende SPD-Frauen machen Wahlkampf in Hessen auf einem Boot. Eingeladen sind explizit Journalistinnen. Einige Männer schäumen vor Wut.
T he liner, she’s a lady, and‚’er route is cut an’ dried“, dichtete schon „Dschungel-Buch“-Autor Rudyard Kipling. Im Englischen sind alle Schiffe weiblich. Auch wenn der Kahn „Kaiser Wilhelm“ heißt, ist er eine sie. Von daher passt es, dass die hessische SPD zum Endspurt des Wahlkampfs mit ihrer Spitzenkandidatin Nancy Faeser aufs Wasser geht. Mit in See stechen als Unterstützer*innen drei SPD-Frauen, die es schon als Ministerpräsidentin geschafft haben. Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz, Anke Rehlinger von der Saar und Mecklenburg-Vorpommerns Manuela Schwesig sind am Samstag neben vielen weiteren geladenen weiblichen Gästen an Bord.
Das ist zumindest aktueller Stand des Seewetterberichts. Da allerdings die hessische SPD in ihrer Einladung an die Medien keck darum bat, möglichst Frauen zwecks Berichterstattung zu schicken, brach dann ein Sturm los. Ach was, ein Orkan! Der Vorsitzende der hessischen Landespressekonferenz (LPK) Ewald Hetrodt von der FAZ pustete sich sogar soweit auf, vom „Anschlag auf die Freiheit der Presse“ zu sprechen.
Kein Männerverbot geplant
Dabei hatte es in der Einladung bloß geheißen, „mit Blick auf die ausschließlich weiblichen Gäste der Schifffahrt fänden wir es thematisch stimmig, wenn auch die Presseplätze mit Frauen besetzt würden“. Es ist auch gar kein Männerverbot geplant. Männliche Journalist*innen müssen nicht die Planke laufen, aber die Einlader*innen würden sich „wirklich freuen“, wenn aus den Redaktionen halt die Frauen anschipperten.
„Das ist nicht lustig“, greinte LPK-Kapitän Hetrodt den Kolleg*innen vom epd ins Logbuch. Doch, denn einen solchen Sturm im Wasserglas hat Hessen lange schon nicht mehr gehabt. Nicht lustig ist allerdings das ptolemäische Weltbild, das die offenbar auch noch aus dem 19. Jahrhundert übrig gebliebenen männlichen Badewannenkapitän*innen aus der LPK als Kompass haben. In der LPK sitzen Journalist*innen, die hauptsächlich über Landespolitik berichten. In Hessen sind das rund 80, drei Viertel davon Männer. Ein kurzer Blick in die Heuerliste zeigt aber, dass so ziemlich alle Redaktionen auch Frauen in ihrem LPK-Kahn haben.
„Wie sonst auch, Machos und nicht stubenreine Hunde müssen draußen bleiben!“, witzelt die Mitbewohnerin. Nein, es bedeutet nicht, dass die Männer hier tabu sind. „Ist die Pressefreiheit oder die Gleichberechtigung älter?“, fragt sie noch. Und so sorgen Frauen vor Flusslandschaft immer noch bei Männern für Verlustängste vor Bötchenfahrt.
Zumal sie in diesem Fall eher weiblicher Natur sein dürfte. In Hessen liegt die SPD schließlich nicht so dolle. Und wenn es im Gedicht heißt, „her route ist cut and dried“, also die Sache wäre erfolgreich und klar, kann davon keine Rede sein. Wir wünschen gute Fahrt und hohe Wellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands