Hohe Kosten für Politik-Talkshows: Reden ist teuer

Talkshows von Will oder Maischberger im öffentlich-rechtlichen Fernsehen kosten viel Geld. Vorschlag unseres Kolumnisten: Eine kleine Polittalk-Pause!

Anne Will unterhält sich mit Roderich Kiesewetter und Sahra Wagenknecht

Teuer: Anne Will talkt über „Frieden in der Ukraine“ mit Roderich Kiesewetter und Sahra Wagenknecht Foto: Wolfgang Borrs/NDR

Den Kol­le­g*in­nen vom Onlinedienst Business Insider, der zum Axel-Springer-Imperium gehört, ist dieser Tage mal wieder was zugeflogen. Genüsslich sezieren sie die Kosten für die Polit-Talks der ARD. Warum wird eigentlich nie was aus dem ZDF durchgestochen?

„Anne Will“ kostet bis Ende 2023 demnach ’ne runde Viertelmillionen pro Ausgabe, „Hart aber fair“ ist mit 195.000 Euro pro Sendung da schon günstiger und „Maischberger“ liegt bei 140.000 Euro. Im Vergleich zum Minutenpreis beim „Tatort“ ist das ein Schnäppchen. Bei „Hart aber fair“ beziehen sich die Angaben auf die Plasberg-Zeit. Wie es mit dem neuen Moderator Louis Klamroth läuft, weiß Business Insider nicht.

Allerdings wird auf eine weitverbreitete Augenwischerei hingewiesen: Es hat noch nie gestimmt, dass die ARD die jeweilige Ausgabe sendefertig angeliefert bekommt und nur noch die „Play“-Taste drücken muss. Zusätzlich zu diesen nicht ganz kleinen Beträgen, die an die Produktionsfirmen von Will, Plasberg und Maischberger gehen, zahlen die Sender nochmal ordentlich bei technischen und weiteren Kosten drauf.

Alle reden durcheinander

Nun lässt sich prima infrage stellen, warum die Talks überhaupt in „Eigenregie“ ihrer Mo­de­ra­to­r*in­nen produziert werden und nicht von den Sendern beziehungsweise der ARD selbst. Frank Plasberg war ja anfangs noch fester Redakteur beim WDR und hat sich als letzter der Truppe selbstständig gemacht. Nur so, erzählte er mal, hätte sich das Reingequatsche des ganzen WDR-Apparats unterlaufen lassen. Und das verrät das Grundproblem der ARD. In den Sendern gibt es zu viel Meinung und alle reden durcheinander.

Nach außen ins Programm schafft es diese Vielfalt aber nicht, was gerade die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD bemängelt. Die Che­f*in­nen der Rundfunk- und Verwaltungsräte fordern eine „Neuausrichtung“ der Talks und kritisieren zu wenig Meinungs- und Themenvielfalt. Recht haben sie.

Doch das Problem geht weiter. Da alle höchsten Wert auf Qualitä…, nee, sorry, Quote legen, wird fast jedes Thema zur Großkrise mit hoher Weltuntergangswahrscheinlichkeit zugespitzt. Da sitzt dann beispielsweise die tiefbesorgte Anne Will mit ihren Gästen am Abgrund und hat nur noch ein paar Zettel, an denen sie sich festhalten kann. Solcher Alarmismus ist kontraproduktiv in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung und dem Primat der wirren Meinung über harte Fakten.

Vorschlag: Wir machen eine kleine Polittalk-Pause. Das spart Geld, das in Dokus mit Meinungs- und Themenvielfalt gesteckt werden kann. Wenn die direkt nach dem „Tatort“ laufen, stimmen Quote und Qualität. „Nee, nee vor dem Tatort“, sagt die Mitbewohnerin. „Erst die Bildung, dann das Vergnügen!“

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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