SPD-Vize Ralf Stegner über CDU-Wahl: „Auf uns schauen“
SPD-Politiker Stegner ist es egal, wer die neue Chefin des Koalitionspartners ist. Wichtig sei, dass es grundlegende Veränderungen in der Arbeit der GroKo gibt.
taz: Herr Stegner, was bedeutet eine CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer für die Arbeit der Koalition?
Ralf Stegner: Es muss grundlegende Veränderungen in der Arbeit der Groko geben, das ist allen klar. Der nervende Streit zwischen CDU und CSU über die Flüchtlingspolitik, der Fall Maaßen – all das ist normalen Menschen nicht vermittelbar. Die Koalition muss deshalb bei vielen Themen deutlich besser werden. Das weiß auch eine CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer.
Bei welchen Themen müssen Sie besser werden?
Nehmen Sie die Dieselaffäre. Dieses Thema bewegt viele Menschen. Die Autokonzerne versuchen, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Die SPD aber wird nicht zulassen, dass Autofahrer, die betrogen wurden, auf den Kosten sitzen bleiben. Wir müssen außerdem etwas für die Luftreinhaltung in den Städten tun. Zudem ist doch klar: Wenn die Autos mit den Antrieben der Zukunft in Japan und China gebaut werden, gehen die Arbeitsplätze auch dorthin. Die Union wäre gut beraten, das einzusehen.
Glauben Sie, die Union rauft sich unter Kramp-Karrenbauer zusammen?
Ob ihr die Wiedervereinigung der Union gelingt, werden wir sehen. Die SPD war bisher der professionelle Teil der Koalition und hat viele Verbesserungen bei Arbeit, Familie und Rente durchgesetzt. Die CSU wird ja im Januar auch ihren Parteivorsitzenden auswechseln. Wir werden uns die Arbeit in der Großen Koalition genau anschauen. Bekanntlich haben wir im Koalitionsvertrag verabredet, zur Halbzeit, also Ende 2019, eine ehrliche Bilanz und gegebenenfalls die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Das werden wir tun.
Klingt nach einer Drohung.
Nein. Das ist eine Tatsache.
Ralf Stegner, 59, ist stellvertretender Vorsitzender der SPD und Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein. Er gehört dem linken Flügel seiner Partei an.
In der SPD wächst die Zahl derer, die aus der Groko aussteigen wollen. Wie wollen Sie diesen Trend stoppen?
Unsere Mitglieder haben sich im Mitgliedervotum mit großer Mehrheit für die Regierungsbeteiligung, aber gegen ein „Weiter so“ entschieden, deshalb die gerade angesprochene Revisionsklausel. Die SPD muss allerdings neben der Regierungsarbeit immer deutlich machen, dass sie als linke Volkspartei eigene Vorstellungen von der Zukunft des Landes hat: Bei der Zukunft der Renten, dem Abschied von Hartz IV oder einem sozialen Europa wollen wir etwas ganz anderes als die Union. Wir werden das lauter und klarer sagen müssen.
Ihr Tipp: Hält die Groko bis 2021?
Das hängt ganz stark von der Professionalität und Integrationskraft von CDU und CSU ab. Für die SPD gilt: Wir flüchten nicht aus unserer Verantwortung, aber Regierungsbeteiligung darf niemals zum Selbstzweck werden.
Mit Kramp-Karrenbauer bleibt die CDU in der Mitte. Wäre Ihnen der marktliberale Friedrich Merz lieber gewesen, weil er ein dankbarer Gegner gewesen wäre?
Ich glaube, dass die SPD sich nicht am Personal anderer Parteien orientieren darf. Stattdessen müssen wir auf uns selber schauen und uns um die großen Zukunftsthemen kümmern! Wir müssen Arbeit und Umwelt zusammenbringen, für eine solidarische soziale Sicherung in der digitalen Arbeitswelt sorgen und sicherstellen, dass Deutschland beim Kampf gegen die rechten Nationalisten und für ein soziales Europa sowie bei den globalen Gerechtigkeitsfragen mit gutem Beispiel vorangeht. Zudem gilt: Was Merz will, wollen ja viele in der Union. Die SPD wird aber in keinem Fall bei Steuererleichterungen für Spitzenverdiener mitmachen, die gesetzliche Rente aushöhlen oder das Asylrecht schleifen – egal, wer an der CDU-Spitze steht.
Merz kam aus dem Off, er hat große Fehler im Wahlkampf gemacht – und trotzdem mit gut 48 Prozent ein starkes Ergebnis geholt. Wie erklären Sie sich das?
In der Tat hat der Millionär Merz, der sich lustigerweise zur Mittelschicht zählt, erstaunlich viele Stimmen geholt. Die Sehnsucht in der Union gilt offenbar mehr dem Gestern als guten Ideen für die Zukunft. Die Volkspartei mitte-rechts ist gespalten und leidet an Erosionsprozessen, die andere nur bei der Sozialdemokratie sehen.
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