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SPD-Politiker über Umgang mit NSU 2.0„Die Grünen nicken alles ab“

Günter Rudolph kritisiert Hessens Innenminister für seinen Umgang mit rechtsextremen Drohmails. Auch die Grünen seien mitverantwortlich.

Zu Peter Beuth und die hessische Polizei: Von den Grünen kommt dazu nicht viel Foto: Arne Dedert/dpa
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Rudolph, vor zwei Jahren gab es das erste NSU-2.0-Drohschreiben an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız. Es gibt nun weitere Drohmails, unter anderem an Janine Wissler und die Kabarettistin Idil Baydar. Warum ist bis heute unklar, wer das getan hat?

Günter Rudolph: Das ist seit fast zwei Jahren die zentrale Frage. Es gibt keine schlüssige Erklärung, warum Polizei und Staatsanwaltschaft nicht in der Lage sind, den oder die Täter dingfest zu machen.

Wer ist daran schuld?

Politisch verantwortlich ist der Innenminister. Herr Beuth hat die Gefahr von rechts jahrelang kleingeredet und die Annahme, es könne rechtsextreme Zellen oder gar Netzwerke in der hessischen Polizei geben, zurückgewiesen. Bisher waren das für ihn lauter Einzelfälle, die nichts miteinander zu tun hatten.

Gibt es in der hessischen Polizei ein rechtes Netzwerk?

Es lässt sich nicht mehr ausschließen, dass es Rechtsextremisten in den Reihen der Polizei gibt, die miteinander vernetzt sind. Denn es gibt einen zeitlichen Zusammenhang zwischen gewissen Datenabfragen im Informationssystem der Polizei und dem Auftauchen der Drohschreiben. Das aufzuklären, ist Aufgabe des Innenministers. Daran ist Herr Beuth gescheitert. Wir erleben stattdessen einen öffentlichen Kampf des Ministers mit seinem Landeskriminalamt und seinem Polizeipräsidenten. Den hat Beuth entlassen, weil er ihn angeblich nicht informiert habe. Das erscheint mir wenig glaubhaft. Das Ergebnis ist jedenfalls Chaos in der Polizeiführung.

Beuth hat nun einen Sonderermittler eingesetzt. Reicht das?

Nein. Der Sonderermittler kommt aus der Polizeihierarchie. Sinnvoller wäre es gewesen, eine Person außerhalb der hessischen Polizei zu benennen. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft betont, dass sie weiterhin die Ermittlungen führt. Es ist also unklar, welche Kompetenzen der Sonderermittler überhaupt hat. Die SPD fordert seit langem einen unabhängigen Polizeibeauftragten, eine Art Anlaufstelle für Whistleblower. Die hessische Polizei braucht eine neue Führungskultur, in der Beamte ermuntert werden, nicht wegzuschauen.

Im Interview: Günther Rudolph

Der SPD-Abgeordnete ist Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im Hessischen Landtag.

Wie verhalten sich die hessischen Grünen?

Sie schweigen. Und wenn sie doch was sagen, dann kaum Kritisches. Die neueste Idee von Herrn Beuth ist ja, die Leitung des LKA zukünftig einem politischen Beamten zu übertragen, den der Minister jederzeit abberufen kann. Das LKA soll politisch an die Leine gelegt werden. Auch dazu hört man von den Grünen kein kritisches Wort. Die Grünen nicken alles ab, was von Beuth kommt. Sie sind daher auch für dessen Fehler in der Haftung.

Der grüne Fraktionschef Matthias Wagner hat aber vor ein paar Tagen strukturelle Änderungen angemahnt …

… will aber einen „Neuanfang“ mit Herrn Beuth. Wie das gehen soll, hat er nicht gesagt. Beuth ist verantwortlich, dass zwei Jahre lang nichts passiert ist.

Was erwarten Sie von der Sondersitzung des Innenausschusses am Dienstag?

SPD und Linksfraktion haben 37 detaillierte Fragen zur Drohbrief-Affäre vorgelegt. Wenn Minister Beuth wieder darauf beharrt, dass er leider nichts sagen dürfe, um den Erfolg der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht zu gefährden, werden wir uns das nicht bieten lassen. Wir brauchen endlich Ergebnisse. Es werden ja weiterhin Unschuldige von Rechtsextremen bedroht. Wenn Beuth nicht in der Lage ist, die Urheber dieser Drohbriefe zu finden, dann ist er der Falsche auf dem Posten. Dann muss er zurücktreten.

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6 Kommentare

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  • Bei der Polizei kann man wohl von jedem Rechner aus anonym Datenbanken abfragen? Kaum möglich, so ein System ohne Absicht einzurichten...

    Oder gaaaanz weit hergeholt: es wird verschleiert.

    • @Fabian Wetzel:

      Anonym wohl eigentlich nicht, aber vor Ort wird offenbar aus Bequemlichkeit jeweils ein Gemeinschaftsaccount benutzt.



      Das ist eigentlich untersagt, wird aber gemacht. Warum man jetzt nicht den Inhaber des Accounts zumindest wegen Fahrlässigkeit an die Hinterbeine langt, erschließt sich mir allerdings nicht.

  • Warum wird ausgerechnet von den Grünen erwartet, dass sie sich anders verhalten als die übrigen bürgerlich Konservativen in diesem Lande?

    • @Rolf B.:

      Was für eine Frage? Weil ihre Wähler erwarten, dass sie sich sozial, ökologisch und progressiv verhalten. Und das tun sie ja auch teilweise, wären da nicht die notorischen "Realos" à la Palmer, Kretschmann und eben Al Wazir und seine Hessen.

      • @Jörg Kahl:

        WählerInnen erwarten von ihrer Partei oft etwas, was Parteien versprechen und dann nicht einhalten.



        Für mich ist die Frage weniger wichtig, was WählerInnen erwarten. Vielmehr schaue ich mir genau an, was Parteien politisch umsetzen wollen und welche Klientel sie letztendlich bedienen. Mir sind die Grünen noch nie aufgefallen, dass sie bei einer Regierungsbeteiligung progressive Ziele verfolgen und auch umsetzen.



        In NRW war es die grüne Bildungspolitik, die eine Katastrophe war und zur Abwahl von rot-grün führte.



        In Hessen ducken sie sich weg.



        Und in HH könnte auch die FDP mit regieren. Von grüner Politik keine Spur.



        Und wenn ich an die Regierung Schröder/Fischer denke, dann wird mir übel. Progressiv ist in meinen Augen kein völkerrechtswidriger Angriffskrieg und auch nicht Hartz IV.



        Und die Ankündigung von Harbeck, Tempo 130 auf AB als Bedingung für eine Koalition mit der CSU und CDU zu machen, lässt befürchten, dass das offensichtlich grüne Klimapolitik in einer schwarz-grünen Koalition sein könnte.



        Da frage ich mich, was Sie unter "progressiv" verstehen.

  • Ach was! & Uppsalatata. - 😱 -

    Hat der Kunstvorbehalt - 👻 -



    Im Bayernkurier Immergriiens di taz wiedermal zugeschlagen! - 👹 -



    Knochenerweichungen - langsam - aber stetig.

    Na Mahlzeit