SPD-Politiker über Umgang mit NSU 2.0: „Die Grünen nicken alles ab“
Günter Rudolph kritisiert Hessens Innenminister für seinen Umgang mit rechtsextremen Drohmails. Auch die Grünen seien mitverantwortlich.

taz: Herr Rudolph, vor zwei Jahren gab es das erste NSU-2.0-Drohschreiben an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız. Es gibt nun weitere Drohmails, unter anderem an Janine Wissler und die Kabarettistin Idil Baydar. Warum ist bis heute unklar, wer das getan hat?
Günter Rudolph: Das ist seit fast zwei Jahren die zentrale Frage. Es gibt keine schlüssige Erklärung, warum Polizei und Staatsanwaltschaft nicht in der Lage sind, den oder die Täter dingfest zu machen.
Wer ist daran schuld?
Politisch verantwortlich ist der Innenminister. Herr Beuth hat die Gefahr von rechts jahrelang kleingeredet und die Annahme, es könne rechtsextreme Zellen oder gar Netzwerke in der hessischen Polizei geben, zurückgewiesen. Bisher waren das für ihn lauter Einzelfälle, die nichts miteinander zu tun hatten.
Gibt es in der hessischen Polizei ein rechtes Netzwerk?
Es lässt sich nicht mehr ausschließen, dass es Rechtsextremisten in den Reihen der Polizei gibt, die miteinander vernetzt sind. Denn es gibt einen zeitlichen Zusammenhang zwischen gewissen Datenabfragen im Informationssystem der Polizei und dem Auftauchen der Drohschreiben. Das aufzuklären, ist Aufgabe des Innenministers. Daran ist Herr Beuth gescheitert. Wir erleben stattdessen einen öffentlichen Kampf des Ministers mit seinem Landeskriminalamt und seinem Polizeipräsidenten. Den hat Beuth entlassen, weil er ihn angeblich nicht informiert habe. Das erscheint mir wenig glaubhaft. Das Ergebnis ist jedenfalls Chaos in der Polizeiführung.
Beuth hat nun einen Sonderermittler eingesetzt. Reicht das?
Nein. Der Sonderermittler kommt aus der Polizeihierarchie. Sinnvoller wäre es gewesen, eine Person außerhalb der hessischen Polizei zu benennen. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft betont, dass sie weiterhin die Ermittlungen führt. Es ist also unklar, welche Kompetenzen der Sonderermittler überhaupt hat. Die SPD fordert seit langem einen unabhängigen Polizeibeauftragten, eine Art Anlaufstelle für Whistleblower. Die hessische Polizei braucht eine neue Führungskultur, in der Beamte ermuntert werden, nicht wegzuschauen.
Der SPD-Abgeordnete ist Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im Hessischen Landtag.
Wie verhalten sich die hessischen Grünen?
Sie schweigen. Und wenn sie doch was sagen, dann kaum Kritisches. Die neueste Idee von Herrn Beuth ist ja, die Leitung des LKA zukünftig einem politischen Beamten zu übertragen, den der Minister jederzeit abberufen kann. Das LKA soll politisch an die Leine gelegt werden. Auch dazu hört man von den Grünen kein kritisches Wort. Die Grünen nicken alles ab, was von Beuth kommt. Sie sind daher auch für dessen Fehler in der Haftung.
Der grüne Fraktionschef Matthias Wagner hat aber vor ein paar Tagen strukturelle Änderungen angemahnt …
… will aber einen „Neuanfang“ mit Herrn Beuth. Wie das gehen soll, hat er nicht gesagt. Beuth ist verantwortlich, dass zwei Jahre lang nichts passiert ist.
Was erwarten Sie von der Sondersitzung des Innenausschusses am Dienstag?
SPD und Linksfraktion haben 37 detaillierte Fragen zur Drohbrief-Affäre vorgelegt. Wenn Minister Beuth wieder darauf beharrt, dass er leider nichts sagen dürfe, um den Erfolg der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht zu gefährden, werden wir uns das nicht bieten lassen. Wir brauchen endlich Ergebnisse. Es werden ja weiterhin Unschuldige von Rechtsextremen bedroht. Wenn Beuth nicht in der Lage ist, die Urheber dieser Drohbriefe zu finden, dann ist er der Falsche auf dem Posten. Dann muss er zurücktreten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!