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SPD-Entschluss gegen EnteignungenJetzt bloß kein teurer Aktionismus

Kommentar von Stefan Alberti

Anders als die grünen und linken Koalitionspartner stellt sich die Berliner SPD gegen Enteignungsvolksbegehren. Gut so, findet unser Autor.

Ist keine SPD-Position: Forderung auf Hauswand nach Enteignung der Deutschen Wohnen Foto: dpa

E infach mal mutig sein, mal die Bedenken beiseiteräumen und ein klares Zeichen setzen. Die Argumentation der letztlich unterlegenen Enteignungsfreunde beim SPD-Parteitag am Samstag hatte durchaus was. Eine mutige Forderung kommt oberflächlich betrachtet natürlich besser, als nüchtern abzuwägen, langweilig nachzurechnen und ermüdend Folgen abzuschätzen.

Bloß ging es bei der Debatte nicht darum, ein schwieriges neues Kuchenrezept zu probieren – sondern um eine Entscheidung, die Folgekosten zwischen 20 und 36 Milliarden Euro gehabt hätte: die Enteignung aller großen Wohnungsunternehmen in Berlin. Es ist richtig, dass die Berliner SPD dies abgelehnt hat.

Denn zum Mutigsein gehörte am Samstag auch, sich einzureden, die milliardenschweren Entschädigungen ließen sich allein über die Mieteinnahmen und dauerhaft günstige Krediten finanzieren, ohne dass ein einziger Euro aus dem Berliner Landeshaushalt nötig wäre. Wäre das nur von den Jusos zu hören gewesen, ließe sich das unter jugendlichem Leichtsinn verbuchen.

Doch zu den Befürwortern des Enteignungsvolksbegehrens in der fast zweistündigen Debatte gehörten auch zwei führende SPD-Parlamentarierinnen, Bau-Ausschuss-Chefin Ülker Radziwill und die führende Bildungspolitikerin Maja Lasić. Die müssten es besser wissen.

Fatale Folgen für die Landesfinanzen

Denn Milliardenkredite sind nicht über Jahrzehnte zu jetzigen Minizinsen zu haben. Bei einem Zinssatz von 4 bis 5 statt 1 Prozent aber stünde bei einem 10-Milliarden-Euro-Kredit etwa plötzlich knapp eine halbe Milliarde Zinsen jährlich an – ohne dass dadurch ein einziger Euro des Kredits getilgt wäre.

Lasić und Radziwill müssten zudem wissen, dass sich mit Verstaatlichung bei den Mieterinnen und Mietern die Erwartung von Mietsenkungen verbindet – was sonst macht den Unterschied zu einem privaten Eigentümer aus? Über suboptimalen Service klagen auch schon mal Mieter landeseigener Gesellschaften. Wie aber sollen sinkende Mieteinnahmen helfen, Milliardenkosten zu decken?

137 der rund 240 Delegierten waren schließlich klüger und stellten sich gegen das Ziel des Volksbegehrens. Zum Glück: Denn ansonsten hätten sich die SPDler im Abgeordnetenhaus gleich am Montag mit den Fraktionen von Linkspartei und Grünen, die schon seit Längerem das Volksbegehren unterstützen, zusammensetzen und dieses Enteignungsgesetz basteln müssen – mit fatalen Folgen für die Landesfinanzen.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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10 Kommentare

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  • Vernunft siegt hier über vermeintlich einfache Lösungen: Eine Entschädigung zum jetzigen Marktpreis wäre ein Witz, eine zum ehemaligen Kaufpreis ist juristisch vermutlich nicht durchzusetzen (ich bitte um fachlichen Widerspruch). Der Individualkapitalismus ist längst in unseren Gehirnen abgespeichert.

    Die Hilflosigkeit bei drastisch gestiegenen Mieten kann nur mit Absenkungsmöglichkeiten überwunden werden. Vielleicht sollte man die Energien darauf konzentrieren. Der entscheidende Satz ist: "Über suboptimalen Service klagen...Mieter landeseigener Gesellschaften." Deren Mieten nur sehr knapp unter denen z.B. der Deutschen Wohnen liegen. Also erstmal bei sich selber aufräumen.



    Bei den Zinsen glaube ich nicht, dass sich da etwas in den nächsten zehn Jahren ändert, wissen tuts mans nicht.



    Hohe Zinsen hatten ja genau zur Privatisierung des Landesbestands der GSW durch PDS und SPD geführt.

  • Der Siedlungsbau der Weimarer Zeit kann so nicht als Vorbild dienen. Die Wohnungen in den Siedlungen waren für ärmere Menschen zu teuer. Erhaltene Mietverträge zeigen auch, dass in ihnen weit überwiegend Angehörige der Mittelschicht wohnten. Die Hauszinssteuer wurde in den Altbauten mit der Miete erhoben. Das heißt, überwiegend sollten die Armen in den Mietskasernen die Verbesserung ihrer Lage selbst bezahlen – was nicht gehen kann und auch nicht ging. Voraussetzung wäre eine stärkere Rückverteilung von oben nach unten gewesen.



    Heute ist ein großer Teil der Siedlungen privatisiert und gehört der Deutsche Wohnen, die sie zum Teil als Eigentumswohnungen weiter verkauft. Wenn man hier noch etwas retten will, dann ist die Enteignung erstmal die Grundvoraussetzung. Dabei kann es aber nicht stehen bleiben. Dass die Siedlungen in den 1920ern „Licht, Luft und Sonne für Alle“ gebracht hätten, ist eine Legende. Heute sollten wir darum kämpfen, dass es doch noch Wirklichkeit wird!

    • @Margit Englert:

      Klar! Da bin ich gerne mit dabei!

  • Nach der Einführung der parlamentarischen Demokratie im damaligen Deutschland im Jahr 1918 und damit auch in der damals kreisfreien Stadt Berlin, gab es in Berlin eine große Wohnungsnot. Nach der Gründung von Groß-Berlin im Jahr 1920 hat die Stadt damals einige Maßnahmen eingestielt: Es wurde eine Sondersteuer namens "Hauszinssteuer" eingeführt und dann ein Stadtbaudirektor namens Martin Wagner unter Vertrag genommen. Dieser hat dann unter anderem zusammen mit Bruno Taut die Einnahmen aus der Hauszinssteuer in die Hand genommen, und durch kommunale Eigenbetriebe ganz doll viele kommunale Wohnungen bauen lassen. Beispielsweise die in Britz oder die Weiße Siedlung in Charlottenburg oder die Carl-Legien-Siedlung in Prenzlauer Berg, um nur einige zu nennen. Damals in der Weimarer Zeit ging das. Müsste heutzutage eigentlich auch noch irgendwie machbar sein ...

    • 0G
      07301 (Profil gelöscht)
      @Magga:

      Heutzutage beträgt die Steuerlast ein vielfaches von der damaligen Steuerlast.

      Dies liegt daran, dass Deutschland mittlerweile ein Sozialstaat ist und somit vile Bevölkerungsschichten in den Genuß von solchen Leistungen kommen (z.B. Rente, die jemand anderes zahlt; Krankenversicherung; Krankengeld; Arbeitslosenversicherung; öffentliche Infrastruktur zum Sozialpreis).

      Damals in der Weimarer Zeit ging das nicht. Das müsste doch auch wieder machbar sein, hierauf zu verzichten.

  • Das ist grossartig Herr Alberti. Wie Sie uns Ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse als Volkswirtschaft verkaufen. Ganz im Sinne einer politischen Handlungselite, die nicht müde wird der Gesellschaft zu erklären, ihre Funktion bestünde - seien wir doch pragmatisch und ehrlich - allein darin kaufmännische Angestellte jener zu sein die tatsächlich bestimmen was läuft.



    Selbstverständlich wehrt sich mit dem Senat ein vergleichsweise Dorfparlament gegen die informellen "Gesetze des Marktes" die in Wahrheit gar nicht unser aller gesetzliche Grundlage sind. Auch ein bisschen weltmasstabliches, redliches Bewusstsein muss schon sein. Da kann man selbstverständlich den Rechenstift ansetzen und vorrechnen: Da würden man ja in der Schuldknechtschaft pleite gehen, wollte man von den Feudalherren das Land kaufen das man bearbeitet. Also lieber nicht.



    Oder mal drüber nachdenken was so ganz grundhaltungsmässig richtig schief läuft. Gehört doch nachweislich immer wenigeren immer mehr. Und ist historisch-kritisch betrachtet das Zeitfenster immer eng, in dem diese wenigen noch ohne viel Tote, Leid und Zusammenbruch davon zu überzeugen sind das ihnen das Viele nicht zusteht.



    Weltmasstablich redlich gesehen kann man von ohne viel Tote, Leid und Zusammenbruch ja gar nicht mehr reden. Aber hier im Dorf sind wir ja mit den Lebensmittelpreisen wohnen beschäftigt. Bei denen noch nicht mal die soziale Realität Grundlage sein darf. Was geht uns dann der Rest an. Alles ja rechtsgültige Verträge. Und wo kämen wir hin, gälten die plötzlich nicht mehr. Ja wo kämen wir hin, gälten die endlich nicht mehr. Zumindest nicht so selbstverständlich wie der Betriebswirtschaftler das glaubt. Während er beansprucht Volkswirtschaftler zu sein. Nur eigentlich ja ohne Volk.



    Und eigentlich haben die Wenigen die Verträge nach Gutdünken ja schon lange gekündigt. Es geht Herr Alberti um die republikanische Demokratie. Nicht um eine dynastische. Also. Was Schulden wir denen wirklich?

  • Wenn es stimmt, dass der Landeshaushalt für die Enteignung nicht ausreicht, dann ist er zu klein. Das Geld ist ja da, das zeigt allein schon die Existenz von Marktpreisen, aber es ist in den falschen Händen. Es geht um die Verteilung des Reichtums insgesamt. Die Ausbeutung beginnt da, wo das Geld aufgeteilt wird zwischen Löhnen, Profiten, Steuern. Wenn dann Löhne zu niedrig sind und Steuern nicht reichen, auf der anderen Seite aber Profite sind, die z.B. in Grundeigentum angelegt werden, für eine zweite Runde der Ausbeutung, dann wird klar, dass soziale Bewegungen nicht begrenzt sind auf eines der Felder. Die Mieter*innenbewegung hat einiges an Druck aufgebaut und auch einiges schon erreicht. Immer klarer wird, dass die Parole „Wohnen darf keine Ware sein“ zu kurz greift. Es gilt, grundsätzlich für eine gerechte, humane und demokratische Verteilung zu streiten. Demokratie statt Kapitalismus!

    • 0G
      07301 (Profil gelöscht)
      @Margit Englert:

      Sind löhne keine profite?

      • @07301 (Profil gelöscht):

        nein. Ein Produktionsbetrieb kommt ohne Profite aus (besser sogar, weil er die freien Mittel dann im Betrieb einsetzen kann), aber nicht ohne Löhne, denn ohne Löhne keine Arbeit.

      • @07301 (Profil gelöscht):

        nein. Ein Produktionsbetrieb kommt ohne Profite aus (besser sogar, weil er die freien Mittel dann im Betrieb einsetzen kann), aber nicht ohne Löhne, denn ohne Löhne keine Arbeit, keine Produktion.