SPD Bremen streitet über Abrüstung: Fehde um den Frieden
Wieso stimmten die Bremer SPD-Bundestagsabgeordneten einer Erhöhung des Verteidigungsetats zu? Beschlüssen des Landesverbands läuft das zuwider.
Zu Verstehen ist die Diskussion in Bremen vor dem Hintergrund des bundesweiten Bemühens um „Erneuerung“ der Sozialdemokraten. Letzte Umfragen sehen sie knapp bei dramatischen 14 Prozent. Auch die Bremer GenossInnen strampeln dagegen an. Der Bremer Fraktionsvorsitzende flirtet mit der Linkspartei und der Landesverband versucht, sich ein klareres Profil zu geben: linker, sozialer, friedenspolitischer.
Im April beschloss der Landesparteitag unter dem Titel “‚Erneuerung‘ nur mit klarem friedenspolitischen Profil“, für eine „Entspannungspolitik“ einzustehen. Abgelehnt werde das Ziel, die Nato-Militärausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern. „Die Modernisierung der Bundeswehrausrüstung darf sich mittelfristig nur im Rahmen der allgemeinen Haushaltssteigerung bewegen“, heißt es darin weiter. Eine Forderung, die SPD-Staatsrätin Ulrike Hiller zuletzt auf dem Antikriegstag im September wiederholte.
Im jüngst beschlossenen Bundeshaushalt für 2019 nun ist – neben der Erhöhung der Ausgaben für Soziales, Arbeit und Familien – die Steigerung des Verteidigungsetats von 38,5 auf 43,2 Milliarden Euro um knapp zwölf Prozent veranschlagt. Der Etat des Entwicklungsministeriums wächst von 9,4 Milliarden Euro auf 10,2 Milliarden mit acht Prozent aber nicht so stark wie der des Verteidigungsministeriums. Das weicht ab vom Koalitionsvertrag, in dem sich SPD und Union darauf geeinigt hatten, die Erhöhung der Verteidigungsausgaben und Mittel der Entwicklungshilfe eins zu eins zu koppeln. Und es weicht ab von den Bremer Beschlüssen.
"Beginn einer Aufrüstungswelle"
Kritik kommt deshalb unter anderem von den Jusos. „Aufrüstung ist das völlig falsch Signal“, sagt deren Landesvorsitzender Sebastian Schmuggler. Auch andere GenossInnen der Parteibasis haben Redebedarf und sorgen sich insbesondere darum, dass die SPD nach außen verlogen wirken könnte.
Diskutiert wird darüber deshalb nun auf der nächsten Sitzung des SPD-Landesvorstands am 14. Dezember. Bei dessen Mitgliedern ist die Stimmung gespalten. Der ehemalige Juso-Landeschef David Ittekkott erklärte, er könne nachvollziehen, dass man den ganzen Haushalt nicht wegen eines Postens ablehnen könne. Schriftführer Karl Bronke hingegen formuliert explizite Kritik an der Erhöhung des Verteidigungsetats, will das aber nicht allein Ryglewski und Schmidt anlasten.
Deutlicher wird SPD-Vorstandsmitglied und Bürgerschaftsabgeordneter Arno Gottschalk. Er hat an dem friedenspolitischen Beschluss des Landesverbands maßgeblich mitgearbeitet und hätte von Ryglewski und Schmidt eine Enthaltung bei der Haushaltsabstimmung erwartet. „Das ist der Beginn einer Aufrüstungswelle, wie ich sie mir nicht wünsche in diesem Land“, sagt er. „Die Frage ist: welche Haltelinien haben die Genossen im Bund?“
Arno Gottschalk, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter
Ryglewski hingegen überraschen die Vorwürfe. In einer Koalition müsse man immer abwägen. „Der Schutz des Rentenniveaus, der soziale Arbeitsmarkt, das Gute-Kita-Gesetz, der Ausbau der Ganztagsschulen – auch das steht alles im Haushalt“, sagte Ryglewski der taz. „Das sind Maßnahmen, von denen Bremen und Bremerhaven direkt profitieren.“ Deshalb habe sie dem Haushalt „sehr gerne“ zugestimmt. Bei der Erhöhung der Verteidigungsausgaben wiederum finde der größte Aufwuchs in den Bereichen Beschaffung und Materialerhalt statt, sagt die Bundestagsabgeordnete. Die Parlamentarier hätten eine Verantwortung für die Ausstattung der SoldatInnen in Auslandseinsätzen.
Dieser Argumentation widersprechen sowohl Gottschalk als auch Bronke: Die Mehrausgaben für Rüstungsgüter wie U-Boote hätten mit dem Material der Soldaten in Mali, Kosovo oder Afghanistan wenig zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“