Russlands Griff nach Afrika: Gold und Sold
Putins globale Machtpolitik richtet sich neu aus – auf Afrika. Ihm geht es um Rohstoffe, Lawrow spricht sogar von einer neuen „Weltordnung.“
Bereits im März war Russlands Chefdiplomat in Simbabwe, Mosambik, Angola und Äthiopien gewesen – alles Länder, zu denen bereits die Sowjetunion enge Beziehungen gepflegt hatte. Im Mai war Ugandas Vize-Außenminister Henry Oryem in Moskau zu Besuch. In derselben Woche reiste Faustin Archange Touadéra, Präsident der Zentralafrikanischen Republik, nach St. Petersburg zum Internationalen Wirtschaftsforum und sprach dort ausführlich mit Russlands Präsident Wladimir Putin.
Das ist kein Zufall. Putins Machtpolitik richtet sich global neu aus. Im Juni hat Russland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernommen, eine einmalige Chance, die Weichen dafür neu zu stellen. Und da spielen, wie schon zu Zeiten des Kalten Krieges, die afrikanischen Staaten eine wesentliche Rolle.
Von einer „neuen Weltordnung“, in welcher Afrika ein „wichtiger Eckstein“ darstelle, sprach Russlands Außenminister Lawrow in Ruanda. Dessen Präsident Paul Kagame hat in diesem Jahr den Vorsitz der Afrikanischen Union (AU) inne und will die verstaubte Union fit machen: mehr eigene Friedenseinsätze, weniger Abhängigkeit vom Westen – da kommt Russlands diplomatische Offensive gerade recht.
Lawrow versprach den Afrikanern in Kigali mehr Mitspracherecht im UN-Sicherheitsrat. Sein Vize versicherte kurz darauf den Kongolesen weniger Einmischung in die inneren Angelegenheiten und sagte gleichzeitig mehr militärische Zusammenarbeit zu. Klagen über Korruption und mangelnde Demokratie, wie sie vom Westen kommen – Fehlanzeige. Für Kongos Präsident Joseph Kabila, der schon anderthalb Jahre über das Ende seiner legitimen Amtszeit hinaus regiert, klingt das wie ein Heilsversprechen.
Militärisches Engagement und Energiediplomatie
Russland „versucht in Afrika jetzt aufzuholen“, erklärt Ronak Gopaldas, Direktor der Beratungsfirma Signal Risk in Südafrika. Der afrikanische Kontinent sei schon lange im Fokus der Supermächte. Seit Europa sich aber hauptsächlich mit Migration beschäftige und US-Präsident Donald Trump „America First“ ausgerufen hat, bemühten sich neben den Chinesen vermehrt Inder, Türken und Japaner um lukrative Deals in Afrika, so Gopaldas: „Russland will bei diesem Wettlauf nicht außen vor bleiben.“
Der russische Ansatz in Afrika sei ganz klar: „harte Machtpolitik, angeführt durch militärisches Engagement, kombiniert mit Energie-Diplomatie“.
Von 2005 bis 2015 hat Russland seine Direktinvestitionen in Afrika um 185 Prozent gesteigert. Wie weit die wirtschaftlichen Interessen gehen, zeigen die Gespräche zwischen Russland und Uganda Ende Mai. Eine gemeinsame Erklärung, die der taz vorliegt, listet die Diskussionspunkte auf: Atomenergie, Gesundheitsprojekte, Telekommunikation, Verschlüsselung von Regierungsdaten, Flughafen- und Grenzsicherung bis hin zu den klassischen russischen Sektoren Öl und Gas – Russland hat viel zu bieten, was Afrika dringend braucht.
Auch was die Finanzierung betrifft: Russlands zweitgrößte Bank VTB hat eine Tochtergesellschaft in Angola eröffnet, die dort den Großteil der russischen Investitionen mit Krediten deckt. Diese schielt jetzt auch in andere Länder Afrikas, ebenso wie die Promswjasbank, Gazprombank oder Eximbank. Russische Banken finanzieren Großprojekte wie Pipelines, die sich afrikanische Regierungen nicht allein leisten können. Das ist neu.
„Versorgungszentrum für Kriegsschiffe“ am Roten Meer
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion war Russland in Afrika hauptsächlich militärisch präsent: Von der berühmten Kalaschnikow AK-47 über Panzer bis zum Kampfjet – afrikanische Armeen kaufen gerne bei den Russen. 13 Prozent seiner Rüstungsexporte liefert Russland nach Afrika. Russisches Gerät ist preiswerter und in der Regel gibt es Mechaniker und Piloten gleich dazu.
Für die UN-Truppen im Kongo (Monusco), Südsudan (Unmiss) oder Sudans Region Darfur (Unamid) stellen Russen und Ukrainer den Löwenanteil der Hubschrauber und Transportflugzeuge. Russland hat durch seine Piloten mehr Personal in afrikanischen UN-Missionen als Frankreich, Großbritannien und die USA zusammen.
Diesen Einfluss will Russland ausbauen. Jahrelang suchten die Russen nach einem geeigneten Marinestützpunkt in Afrika. In Dschibuti, wo unter anderem Frankreich, die USA und China Basen haben, wurde ihnen der Zugang verwehrt. Da guckte sich Putin anderweitig um.
Ausgerechnet der mit Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gesuchte sudanesische Präsident Omar al-Bashir bot ihm eine Basis am Roten Meer an. Strategisch ebenso gut gelegen, entlang der wichtigsten Handelsroute zum Suezkanal.
Als Bashir im November im russischen Schwarzmeerressort Sotschi Putin die Hand schüttelte und dieses Angebot unterbreitete, bot er sich als „Türöffner“ in Afrika an. Putin schlug sofort ein. Im Gegenzug versprach er Sudans Diktator, dessen marode Armee aufzurüsten. Kurz darauf bot Bashir den Russen „ein Versorgungszentrum für russische Kriegsschiffe im Roten Meer“, wie der russische Botschafter in Khartum an diesem Samstag konkretisierte.
Bashir ließ seine Kontakte spielen – vor allem ins krisengebeutelte Nachbarland Zentralafrikanische Republik.
Militärausbildung „für umsonst“, betont Moskau
Der zentralafrikanische Präsident Faustin-Archange Touadéra, 2016 gewählt, hat in der Schule einmal russisch gelernt. Touadéra befindet sich in einer misslichen Lage: Sein Land ist in Milizengebiete zerfallen, er regiert kaum mehr als die Hauptstadt, den Flughafen dort kontrolliert die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, und seine eignen Leibwächter haben nicht einmal Pistolen, er wird von ruandischen Blauhelmen beschützt.
Dann kam Putin ins Spiel. „Touadéra hat persönlich um Hilfe gebeten“, so Artjom Koschin, Sprecher des Außenministeriums in Moskau. Russland erwirkte im UN-Sicherheitsrat eine Ausnahme zum geltenden UN-Waffenembargo. Handfeuerwaffen, Maschinengewehre und Raketenwerfer wurden geliefert.
Und, so Koschin weiter: „Mit dem Wissen des UN-Sicherheitsrats sind auch fünf Militärausbilder und 170 Zivilisten entsandt worden“. Sie sollen in Zentralafrika die Spezialeinheiten trainieren – „für umsonst“, betont Koschin.
Als Präsident Touadéra Ende März zum ersten Mal eine Parade seiner frisch ausgebildeten 200 Soldaten abnahm, standen zwischen seinen ruandischen Leibwächtern Weiße neben ihm, in Uniform, aber ohne Abzeichen. Daneben: nigelnagelneue russische Ural-Panzer.
Die waren per Schiff über Tunesien und Kamerun angeliefert worden – ohne Genehmigung der UNO. Touadéra hat aber keine Scheu, die Fotos auf seinem Facebook-Profil zu zeigen.
„Russische Exklave“ im zentralafrikanischen Berengo
Die Parade fand im heruntergekommenen Palast von Berengo statt, 70 Kilometer außerhalb von Bangui. Zentralafrikas Diktator Jean-Bédel Bokassa hatte sich dort 1977 zum Kaiser auf Lebenszeit krönen lassen. „In diesem Palast ist nicht nur mein Vater, sondern alle meine Vorfahren sind dort begraben – jetzt darf ich nicht einmal mehr das Grab besuchen“, entrüstet sich dessen Sohn Jean-Serge Bokassa telefonisch aus Bangui gegenüber der taz.
Bis vor kurzem war er Innen- und Sicherheitsminister, dann überwarf er sich mit Touadéra. Der Grund: „Er hat meinen Privatbesitz heimlich an die Russen vergeben.“
Der Exminister klagt: Eigentlich müsste das Parlament über internationale Abkommen abstimmen. „Doch über die Beziehungen zu den Russen hat der Präsident heimlich alleine entschieden.“ Jetzt sei der alte Kaiserpalast zu einer „russischen Exklave“ verkommen, „jenseits der Kontrolle unserer Regierung“, so Sohn Bokassa. Berengo verfügt über eine Flugpiste, die lang genug ist für russische Transportflugzeuge.
Nicht nur 175 Ausbilder hausen dort, sondern mindestens 300 bis 400 Russen, behauptet Bokassa: „Wer dort einreist und was diese Leute mit sich führen – darüber hat unsere Regierung keine Kontrolle, ich durfte nicht einmal deren Pässe kontrollieren“, so der Exsicherheitsminister.
Er ist sich sicher: Lediglich fünf Russen seien offizielle Armeeausbilder, die übrigen sind „Gestalten mit zweifelhafter Visage und Kleidung – für mich sehen sie eindeutig aus wie Söldner“.
Heute Öl in Syrien, morgen Gold in Afrika
„Wagner“ heißt die private Sicherheitsfirma, unter deren Deckmantel der russische Militärauslandsgeheimdienst (GRU) mittlerweile weltweit agiert. Ob in der Ostukraine, auf der Krim, in Syrien oder Libyen – Wagner ist der entscheidende Player in Putins Kriegen, ähnlich wie einst die US-Firma Blackwater.
Firmengründer Dimitri Utkin war bis 2013 Oberstleutnant und befehligte eine Speznas-Einheit des GRU. 2014 kämpfte er mit seiner Söldnereinheit in Syrien. Er registrierte seine Firma offiziell in Argentinien. Der Finanzmogul hinter Wagner ist Jewgeni Prigoschin, auch bekannt als „Putins Koch“, weil seine Cateringfirma die ausladenden Partys des Präsidenten ausrichtet. Sie liefert auch Nahrungsmittelrationen für Russlands Armee.
Nach Einsätzen in Syrien und Libyen bereiteten sich Wagner-Söldner zu Beginn des Jahres für Sudan und die Zentralafrikanische Republik vor – dies berichtete der russische Investigativ-Journalist Igor Puschkarjow im März, nachdem er heimlich im Wagner-Trainingscamp im Kaukasus Söldner interviewt hatte.
Zur selben Zeit erhielt die russische Firma M-Invest Ltd. Konzessionen für Goldminen in den beiden Ländern. Auch hinter dieser Firma steckt Oligarch Prigoschin.
Wagner-Sicherheitsleute sollen nun in der Zentralafrikanischen Republik und im Sudan die M-Invest-Goldminen sichern. Der Sprecher des russischen Außenministeriums bestätigt: „2018 wurde mit der Erkundung von Mineralien und Rohstoffreserven begonnen“, um die zentralafrikanische Wirtschaft zu „stabilisieren“. Im Norden des Landes gibt es neben Gold Diamanten, Öl und Uran – fast alles unerschlossen.
Besonderes Interesse am Uran
Das Problem: Den Norden der Zentralafrikanischen Republik beherrscht Noureddine Adam, ein muslimischer Rebellengeneral, der 2013 mit der Rebellenallianz Seleka kurz sogar in Bangui regiert hatte. Jüngst wurden aber auch in Adams Territorium russische Cessna-Flugzeuge gesichtet.
Adam will sich zu seiner Russen-Connection gegenüber der taz nicht äußern. Laut verschiedenen Quellen soll er sich mit russischen Unterhändlern in Khartum getroffen und eine Villa im Tschad gebaut haben.
Für Uran interessieren sich die Russen in Afrika besonders. Der russische Nuklearkonzern Rosatom reichert 36 Prozent des weltweiten Urans an, vor allem für die zivile Nutzung. Die soll auch in Afrika, wo der Bedarf an Strom enorm ist, den Energiehunger stillen.
In der gemeinsamen Erklärung Russlands mit Uganda steht die Atomenergie an erster Stelle. In Kigali nannte Lawrow als wichtigen Verhandlungspunkt die „friedliche Nutzung der Kernenergie“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr