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Russlands Beziehungen zur USAAchse der Freundschaft

In Moskau umschmeichelt man die USA als Freund und Verbündeteten gegen Europa und die Ukraine. Es ist eine 180-Grad-Wende in der russischen Rhetorik.

Wer sie mag: Matryoshkas in einem Souvenirshop in St. Petersburg Foto: Dmitri Lovetsky/ap

Der „beschränkte Nichtskönner in der Kleidung eines Umzugshelfers mit grausamen Sprachkenntnissen bricht sich vor laufenden Kameras das Genick“: So beschreibt Russlands wohl einflussreichster Propagandist Dmitri Kisseljow den Freitagseklat zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seinem amerikanischen Amtskollegen Donald Trump im Oval Office.

In seinen sonntäglichen „Nachrichten der Woche“ im russischen Staatssender Rossija-1 ist Kisseljow voll des Lobes für den „Großmeister Trump“. Den „Nichtskönner Selenskyj“ überschüttet er mit Häme. Über „die Konstruktion der Welt“ entscheide nun „ein Dreieck“, sagt er – und meint: „USA/Russland/China.“

Man sei historisch zwar noch nicht ganz bei der Konferenz von Jalta, dem Alliiertentreffen auf der Krim im Februar 1945, wo sich Russland, die USA und Großbritannien über eine Nachkriegsordnung und die Aufteilung Deutschlands verständigten. Aber, sagte Kisseljow: „Die Nato existiert nicht mehr. Europa interessiert keinen. Die Vereinten Nationen haben keine Stimme, auch die WHO und die WTO nicht.“

Dass die USA Russland nicht mehr als signifikante Cyberbedrohung wahrnehmen und deshalb die Maßnahmen zur Bekämpfung russischer Cyberaktivitäten einstellen wollen, wie US-Verteidigungsminister Pete Hegseth am Montag bekannt gab, dürfte Moskau noch zusätzlich erfreuen. Noch haben allerdings weder der Kreml noch die Pro­pa­gan­dis­t*in­nen die Nachricht kommentiert.

Trump ein „Bruder im Geiste“

Europa als der Bösewicht, Amerika ein verständnisvoller, zurückhaltender Freund – das ist die neue Masche der russischen Propaganda. Noch vor wenigen Wochen waren Russlands offizielle Stimmen wie auch das Staatsfernsehen und die Kriegsblogger darauf fixiert, die USA als das „Übel der Welt“ darzustellen. Die Eu­ro­päe­r*in­nen waren in ihren Augen „zustimmend grunzende Satelliten der Vereinigten Staaten“. Nun nennt Russlands Präsident Wladimir Putin Europa „rüpelhaft“ und die Propaganda tut ein Übriges: „Lasst uns zusammen mit Amerika Europa aufteilen“, heißt es in der Talk-Sendung von Wladimir Solowjow.

Seit Trump mit Putin telefonierte und letztlich das russische Narrativ übernahm, ist in der offiziösen Medienlandschaft Russlands eine demonstrative „Freundschaft“ zwischen Russland und den USA ausgebrochen. Putin selbst spricht seit dem Treffen der russischen und amerikanischen Delegationen in Saudi-Arabien von „anderen Amerikanern“ und bescheinigt Trump, „objektive Informationen“ zu konsumieren. Allein deshalb habe dieser seine Haltung gegenüber Russland geändert, sagte Putin beim ­Besuch einer Drohnenfabrik in Sankt Petersburg. Das Staats­fernsehen feiert Trump seitdem als ­Putins Bruder im Geiste, als „bescheidenen“ Friedensengel, der – zusammen mit Russland – die Ukrai­ne „zu Ende zerquetschen“ werde.

Kisseljow nennt den ukrainischen Präsidenten einen „Ertrinkenden“ mit „beschränktem Horizont“. Und der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew meint, die USA als „Besitzer des Saustalls“ hätten dem „undankbaren Schwein“ Selenskyj am Freitag eine „kräftige Ohrfeige“ verpasst. Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa stößt in der Radiosendung Solowjow live ins gleiche Horn: „Ein völlig kranker, unter Drogeneinfluss und Propaganda stehender Grobian“ sehe einfach nicht, dass „unsere, russische Seite die Sachen auf den Platz rückt, wo sie hingehören“.

Es ist eine 180-Grad-Drehung innerhalb von nur wenigen Tagen. „Wir hatten schon immer gute Beziehungen zu Amerika“, heißt es bei Solowjow auf Rossija-1. Und Kisseljow meint: Die „Enteisung“ habe begonnen. Von den „Alliierten“ Trump und Putin ist im Staatsfernsehen die Rede.

Russlands Pro­pa­gan­dis­t*in­nen überschlagen sich seit Tagen mit allerlei verbalen Schmeicheleien in Richtung USA, vor wenigen Wochen noch ein „kraftloses, inkompetentes Satansland“. Gestern noch „Zähl deine letzten Tage, Amerika! Wir lassen unsere Interkontinentalraketen auf Washington fliegen“, heute: „Wir haben dasselbe Denken, wir bilden ein Militärbündnis mit den USA“. „Irgendwie paradox“, heißt es in der Sendung „60 Minuten“, „aber nun sind Russland und die USA Zwillingsbrüder“. Der Seitenwechsel Trumps ist für Putin ein wunderbares Geschenk. Vorbei ist die russische Rhetorik, wonach die USA als verantwortlich für alles galten: für den Krieg in der Ukraine genauso wie für die nicht funktionierende Heizung in einem sibirischen Dorf.

Doch während Trump den Krieg in der Ukraine, wie er es seinen Wäh­le­r*in­nen versprochen hatte, schnell beenden will, kann Putin warten. Sein System ist längst auf den Krieg ausgerichtet, politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Es seien Selenskyj und die Europäer, die am Krieg festhielten, so das weiter verbreitete Narrativ.

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21 Kommentare

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  • Ein Anagramm. Ein halbes Gramm „Asche" der Freundschaft...

  • Der Hitler-Stalin-Pakt wird durch einen Trump-Putin-Pakt reanimiert, um Europa in die Zange zu nehmen und zu zerquetschen.

  • "Europa als der Bösewicht, Amerika ein verständnisvoller, zurückhaltender Freund – das ist die neue Masche der russischen Propaganda."



    Nicht nur der russischen. Es sei denn, wir betrachten Trump und seine Claqueure als Teil derselben. Die Versuchung liegt nahe.

  • Ist das jetzt die neue Achse des Bösen?

  • TrumPutin - was kann denn noch schlimmer werden ???

  • „Wir hatten schon immer gute Beziehungen zu Amerika“

    Moment, heißt das, dass die Amerikaner (parteiübergreifend) niemals vorhatten, Russland zu vernichten? Oh man Putins Leute sind echt eine Zumutung für ihre hiesigen Propagandisten.

  • Bei "Achse" gab es früher, also historisch, im Zusammenhang mit Geo-Politik und im Verbund mit einem extrem erpresserischen Stil bereits Schaudern bei den Kleinen im Völkerbund. Auch dort waren Austritte ein Signal. Die historische "Achse" stürzte die Welt in den Abgrund und schaffte mit Gewalt und Krieg einen Epochenbruch.



    Bei cicero.de



    "Der Völkerbund



    -Deutschlands Austritt ebnete den Weg in den Krieg



    1933 verließ Deutschland den Völkerbund. Adolf Hitler gewann so den entscheidenden Spielraum, um Wirtschaft und Politik auf einen Krieg vorzubereiten"



    /



    "25. März 1941: Jugoslawien tritt dem Dreimächtepakt bei



    An diesem Tag vor 78 Jahren unterzeichnete Jugoslawien den Dreimächtepakt und ging so, trotz vorigen Bekenntnissen zur Neutralität, ein Bündnis mit den Achsenmächten Deutschland, Italien und Japan ein."



    Bei history.de



    Eine neue Weltordnung braucht keinen weiteren Weltkrieg. Es wäre wohl der letzte.



    Eine neue Weltordnung braucht mehr Exekutivmacht der Vereinten Nationen.

    • @Martin Rees:

      "25. März 1941: Jugoslawien tritt dem Dreimächtepakt bei."



      Wenn diese Chronik aussagekräftig sein soll, müssten Sie aber dazu sagen, dass dieser Beitritt nach einem Putsch in Jugoslawien 12 Tage später rückgängig gemacht wurde und die Deutschen einen Monat später nach Jugoslawien und Griechenland einmarschiert sind und das Land im Juni kapituliert hat.



      Auch ein passender Eintrag aus dieser Chronik ist übrigens dieser: "9. April: der dänische Gesandte in Washington unterzeichnet eigenmächtig ein Abkommen über den amerikanischen militärischen Schutz Grönlands."

  • Eigentlich müssten die Patrioten in Trumpmuskovia formerly known as USA bei den Komplimenten aus Moskau vor Scham im Boden versinken.



    Eigentlich.



    Zum Glück war das erste, was der Kettensäge zum Opfer gefallen ist, die Scham und der Anstand...

  • Wenn das Trio der Mächtigsten weiterhin Deals bevorzugt, wäre die Freiheit Taiwans akut gefährdet und die Akte Panama noch nicht geschlossen. Offensichtlich wird nicht redlich im Auftrage oder geschäftsführend verhandelt, sondern eher geschachert. Dass immer wieder andere Konstellationen aus der Geschichte Erwähnung finden, in denen Erpressung die Grundlage geopolitischer Veränderungen war, ist nicht verwunderlich, denn die Geschichte der USA ist hier kein leeres Buch.



    "Ein vergessener Präsident hat die USA erst zu dem gemacht, was sie heute sind: James Polk führt sein Land 1846 in einen kurzen, aber heftigen Krieg gegen Mexiko. Der Sieg bringt den USA reiche Beute – und hinterlässt ein schwieriges Erbe"



    pm-wissen.com

    • @Martin Rees:

      Taiwan? Panama? schön wäre es, wenn es nur das wäre. Europa ist jetzt bedroht. Ja, wir!

      • @Jörg Schubert:

        Wohl auch richtig und berechtigt in der Reihe.



        Selbst inn Teheran wird sicher auch mancher Mullah oder Militär hellhörig ob der neuen Allianzen und der Lieferungen an Israel.

  • Dieser Sprech, den die Russen sich da angewöhnt haben, ist schon sehr widerlich. Das muss man erst einmal ertragen. Dennoch, Trump könnte einen Weg gefunden haben, den Krieg zu beenden, indem er Putin ernst nimmt und sich die Versäumnisse der EU zu Nutze macht.

    Viele kennen sicher die Rede von Jeffrey Sachs im Europäischen Parlament vom 19.2.25. Sie wurde in den letzten Tagen millionenfach geteilt. Sachs mahnt Europa, sich von den US abzunabeln und eine eigene Außenpolitik zu entwickeln. Vielleicht würde sich dann auch die Rhetorik der Russen wieder mäßigen.

    scheerpost.com/202...ropean-parliament/

    Diese Rede wäre einen Artikel wert!

    • @Hans-Peter Wagner:

      Sich von den USA abnabeln? Das müssen wir nicht mehr. Trump hat das längst erledigt. Spätestens seit Freitag sollte das doch klar sein!



      Jetzt müssen all unseren Begriffsstutzigen und Friedensbewegten noch verstehen, was das bedeutet.



      Ich halte weder von Merz noch von Von Der Leyen etwas. Aber sie haben sofort verstanden.

    • @Hans-Peter Wagner:

      "Trump könnte einen Weg gefunden haben, den Krieg zu beenden"



      Das stimmt. Sobald sich die Ukraine nicht mehr wehren kann, handelt es sich nicht mehr um einen Krieg.



      Nur noch um innerrussische Angelegenheiten.



      "...indem er Putin ernst nimmt..."



      Er nimmt Putin eben nicht ernst. Er hechelt ihm hinterher, damit dieser ihn lieb hat.

  • "Man sei historisch zwar noch nicht ganz bei der Konferenz von Jalta, dem Alliiertentreffen auf der Krim im Februar 1945, wo sich Russland, die USA und Großbritannien über eine Nachkriegsordnung und die Aufteilung Deutschlands verständigten."



    Die Aufteilung betraf mehrere Staaten u. die Konkursmasse mehrerer Imperien, zahlreiche Menschen unterschiedlicher Ethnien u. brachte große Fluchbewegungen mit sich. Ihre Vorgeschichte war die Konferenz v. Teheran, in der Analogie stehen wir vielleicht eher hier: Die Aufteilung der Kleinen zugunsten der Großen mit Grenzverschiebungen nach geographischen Maßstäben.



    wdr.de:



    "28. November 1943 - Die Teheran-Konferenz der "Großen Drei" beginnt



    Die Wochenschau-Bilder und Zeitungsfotos haben Symbolkraft: Mitten im Zweiten Weltkrieg sitzen US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der britische Premier Winston Churchill und der sowjetische Staatschef Josef Stalin Ende 1943 zusammen auf der Terrasse der sowjetischen Botschaft in Teheran. Die Botschaft ist klar: "Es ist ein starkes Signal an die Welt, dass die 'Großen Drei' die Zukunft gestalten werden im Nachkriegs-Europa",



    Polen wurde damals, wie die Ukraine heute, nicht wirklich gefragt, Opposition stört!

  • Dann braucht Putin ja gar keine Angst mehr vor der NATO zu haben und kann eigentlich aus der Ukraine einfach abziehen.

    Alle, die meinen, die NATO war schuld, werden sich nun freuen über den Frieden, der quasi ohne Verhandlungen zustande kommen kann.

    • @rero:

      Guter Punkt!



      Ernsthaft ist aber in Punkto Nato ein anderer Aspekt zu bedenken: Bislang war einer der wichtigsten Erfolge der Verbündeten der Beitritt Finnlands und Schwedens zur Nato. Das zeigte überdeutlich, dass Putin seinen Krieg im Prinzip verloren hatte und genau das eintrat, was er verhindern wollte. Durch Trumps Kehrtwende wird das jetzt hinfällig. Wenn die USA sich von der Nato abwenden (in dem vielbeachteten Kamingespräch hat Trump kurz vor dem Streit bei einer Frage nach dem Schutz des Baltikums schon geschwankt, und Musk hat erst gestern gefordert, jetzt solle man auch aus der Nato austreten), ist der Beitritt Skandinaviens nicht mehr von Bedeutung und Putin kann das ignorieren.

      • @Günter Picart:

        Genau! Putin kann jetzt in aller Ruhe seine Armee in Schuss bringen. Und wenn er soweit ist, steht ihm keine NATO mehr im Weg. Dann kann er Russland bis an die Westgrenze Portugals ausdehnen. Dass er dort hin will, hat er schon vor Jahren gesagt.

        • @Jörg Schubert:

          Ach ja, Die Trump-Truppe wird für hilfreiche Unterstützung - äh Unterlassung - auch hier die Hand aufhalten. Und wieder nichts bekommen...