Russlands Außenminister kritisiert Westen: Sergej Lawrow wittert Umsturzpläne
Die westlichen Sanktionen hätten einen Regimewechsel in Russland zum Ziel, kritisiert Lawrow. Derweil erhält die Ukraine Kriegsgerät aus den Vereinigten Staaten.
![](https://taz.de/picture/81951/14/SergejLawrowKritik.jpg)
KIEW/MOSKAU/HAMBURG dpa/afp | Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat dem Westen vorgeworfen, mit den im Zuge der Ukraine-Krise verhängten Sanktionen einen „Regimewechsel“ in Russland anzustreben. „Der Westen zeigt unzweideutig, dass er (Russland) nicht zwingen will, seine Politik zu ändern, sondern dass er einen Regimewechsel erreichen möchte“, sagte Lawrow am Samstag in Moskau. Die Regierung in Kiew warf Russland derweil vor, 7500 Soldaten im Osten der Ukraine zu haben.
Im Westen würden „öffentliche Figuren“ derzeit dafür plädieren, gegen Russland weitere Sanktionen zu verhängen, „die die Wirtschaft zerstören und öffentliche Proteste provozieren“, sagte Lawrow bei einer politischen Diskussionsveranstaltung in Moskau laut der Nachrichtenagentur Tass. Die USA und die EU haben mehrere Runden von Sanktionen gegen Russland verhängt, um es im Konflikt in der Ukraine zum Einlenken zu bewegen.
Der Westen wirft Moskau vor, die prorussischen Separatisten im umkämpften Osten der Ukraine mit Kämpfern und Waffen zu versorgen. Moskau bestreitet dies. Die Sanktionen, die sich insbesondere gegen die wichtigen Energie-, Finanz- und Rüstungsindustrien richten, haben den Rubel abstürzen lassen und die Inflation in die Höhe getrieben. Im Gegenzug hat Russland die Einfuhr von Agrarprodukten aus den USA und der EU verboten.
Kiew warf Russland am Samstag vor, etwa 7500 Soldaten im umkämpften Osten des Landes einzusetzen. Diese trügen zur Verschlechterung der Lage in den von prorussischen Separatisten beanspruchten Gebieten bei, erklärte Verteidigungsminister Stepan Poltorak. „Leider hängt die Stabilisierung der Situation im Osten der Ukraine nicht nur von uns ab“, beklagte er.
Nachtsichtgeräte aus den USA
In der Krisenregion Donbass war es trotz einer offiziellen Waffenruhe erneut zu Kämpfen zwischen Regierungseinheiten und Rebellen gekommen. Dabei seien innerhalb von 24 Stunden mindestens vier Soldaten getötet worden, teilte die prowestliche Führung in Kiew mit. Zehn Armeeangehörige wurden zudem verletzt.
Unterdessen erhält die ukrainische Armee für ihren Kampf gegen prorussische Separatisten Kriegsgerät aus den USA. Washington liefere dem krisengeschüttelten Land unter anderem Radareinrichtungen zur Artillerieaufklärung sowie Nachtsichtgeräte und Schutzwesten, berichteten Medien am Samstag in Kiew. Einen Teil der Ausrüstung habe US-Vizepräsident Joe Biden bei seinem Besuch in der früheren Sowjetrepublik am Freitag übergeben, hieß es.
Die Ukraine hatte den Westen um Kriegsgerät für die Gefechte gegen die Aufständischen im Osten des Landes gebeten. Die Nato lehnt die Lieferung von Waffen und Munition ab.
Steinmeier warnt vor unnötiger Schärfe im Dialog
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat vor einer dauerhaften Abspaltung der Ostukraine vom Rest des Landes gewarnt. In der Region seien „die Dinge hoffentlich nicht entschieden“, sagte Steinmeier dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Er nehme „Russland beim Wort, dass es die Einheit der Ukraine nicht zerstören will“. Die Realität spreche aber derzeit „eine andere Sprache“, sagte Steinmeier. Das Ende des Konflikts sei offen.
Der Minister warnte vor einer unnötigen Schärfe im Dialog mit Russlands Staatschef Wladimir Putin. „Die rhetorische Eskalation zwischen den Hauptstädten“ sei beim Gipfeltreffen der 20 weltweit führenden Industrie- und Schwellenländer vor einer Woche im australischen Brisbane und danach „gefährlich angeschwollen“, sagte er. Es sei unklug, wenn Gipfel wie diese, „wo letzte Möglichkeiten zum direkten, vielleicht vertraulichen Gespräch bestehen, als öffentliches Forum inszeniert werden“, sagte Steinmeier.
Am Rande des Gipfels hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lange mit Putin gesprochen. Später meldete sie sich mit scharfer Kritik zu Wort und warf Moskau wegen der Ukraine-Krise „altes Denken in Einflusssphären“ vor, das „internationales Recht mit Füßen tritt“. Der Minister sagte nun, es gebe keine Meinungsverschiedenheiten mit Merkel. Solche Behauptungen seien „an den Haaren herbeigezogen“.
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