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Russland-Ukraine-KriseErpressung ist nicht hinnehmbar

Gastkommentar von Sergey Lagodinsky

Die Abhängigkeit von Russland muss reduziert und die Energielieferungen diversifiziert werden, sagt der grüne EU-Abgeordnete Sergey Lagodinsky.

Rohre an den Anlandungseinrichtung der „Nord Stream 2“-Gaspipeline in Lubmin Foto: Michael Sohn/ap

D ie scheinbare leichte Entspannung im Konflikt mit Russland zeigt, dass eine Krise kurzfristig durch harte Diplomatie abgemildert werden kann. Doch der Sache werden wir erst gerecht, wenn wir in der EU mittel- und langfristig denken. Denn das Schlimmste, was Präsident Wladimir Putin aus der Krise lernen könnte, wäre, dass er Europa immer wieder durch Truppenbewegungen in Atem halten kann.

Daher müssen wir weiter denken: Auch wenn die Kriegsgefahr vorüber ist, können wir erst dann zur Tagesordnung in den EU-russischen Beziehungen übergehen, wenn Moskau aufhört, gegen das Nachbarland zu hetzen, Lügen zu verbreiten und es ständig zu bedrohen. Die Souveränität der Ukraine ist keine Verhandlungsmasse und kein Gegenstand von Erpressungen.

Langfristig müssen wir prekäre Abhängigkeiten von Russland schonungslos evaluieren und ausgleichen. Eine solche Bestandsaufnahme muss nicht bedeuten, dass wir alle Verbindungen kappen. Aber einseitige Dependenzen von überlebenswichtiger Bedeutung und ohne schnelle Ersatzoptionen sind strategisch unklug. Und da sind wir bei der Energieversorgung.

Nord Stream 2 ist Teil des Sank­tions­pakets, sollte Russlands Präsident Wladimir Putin im Konflikt mit der Ukrai­ne militärisch eskalieren. Doch im Umkehrschluss kann das nicht heißen, dass die Pipeline auch Teil des Belohnungspakets werden darf, wenn Kriegshandlungen ausbleiben. Hier kann und darf es keinen Automatismus geben. Die Prüfung von Nord Stream 2 durch die Deutsche Netz- und Europäische Energieagentur muss ergebnisoffen geführt werden. Der Maßstab ist das europäische Recht.

ist Rechtsanwalt, EU-Abgeordneter der Grünen und Osteuropa-Experte

Langfristig müssen Ökologie und Geopolitik zusammengedacht werden. Notwendig wäre deshalb ein Kassensturz: Welche Lieferungen aus Russland sind notwendig, welche können anders ersetzt werden? Wir brauchen Strategien, um die Energieversorgung zu diversifizieren und dauerhaft zu vergrünen. Erst dann gewinnt Europa – und speziell Deutschland – seine Handlungsfähigkeit zurück.

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14 Kommentare

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  • 4G
    47601 (Profil gelöscht)

    Schon lustig, daß Herr Lagodinsky glaubt die "harte Diplomatie"der NATO/EU hätte die Krise abgemildert. Es ist doch wohl eher so, daß der rechthaberische, imperiale "Westen" - dessen Imperium beständig an und wegen der eigenen, inkonsisten Politik schwächelt - Zugeständnisse machen musste. Dem "Westen" wirft im "Westen" komischerweise niemand vor einen Weltkrieg entfachen zu wollen, obwohl rings um Rußland/China mehr als 500 Militärbasen der USA bestehen und auch diverse west- und mitteleuropäischen Armeen nicht nur in Ihren jeweiligen Staaten aktiv sind, sondern ebenso in z.B. in Afrika, im Baltikum und Osteuropa Einsätze und Manöver fahren, oder Truppen stationiert haben. Russische Truppen stehen im Gegensatz dazu vorwiegend im eigenen Land und in einigen vergleichsweise wenigen Basen in angrenzenden Staaten oder Syrien.



    Die wesentlichen Kräfte die eskalieren sind Politiker und Medien im Westen, denen nicht gefällt, daß Rußland eine zunehmende Eigenständigkeit anstrebt um nicht abhängig vom Westen zu werden, der aus eigenem Mangel, scharf auf die Ressourcen Russlands ist. Das Interesse der USA liegt, wiederum auch darin Westeuropa in US-amerikanischer Abhängigkeit zu halten und noch abhängiger zu machen um die Ziele des Pentagon gegenüber Rußland/China leichter oder überhaupt durchsetzen zu können (deren Realisierung sowieso recht fragwürdig ist). Dazu zählt natürlich auch das Interesse, Rußland vom europäischen Gasmarkt zu verdrängen um dort das teurere, umweltschädlichere US-Frackinggas zu verkaufen, wozu der vom Westen propagandierte "Krieg" natürlich sehr nützlich wäre. Hinzuzufügen wäre noch, daß Nordstream wesentlich von der BRD initiiert wurde um den Transit durch Polen/Ukraine zu umgehen und russisches Gas nach Westeuropa zu befördern. Dies sicherlich nicht zum Null-Tarif.



    Ich hoffe Herr Lagodinsky übernimmt im Zweifelsfalle gerne die steigenden Gaspreise für die Verbraucher in der BRD. Sie werden es Ihm sehr danken:)

  • Es ist eine volkswirtschaftliche Binsenweißheit, das man sich von keinem Lieferanten abhängig machen darf. Russland lieferte in den vergangenen Jahren etwa 67%. Das war vor dem Bau von Nordstream 2 das wichtigste Gegenargument. Mittlerweile hat sich Russland noch die Verfügungsgewalt über die deutschen Speicher angeeignet. Wir benötigen leider noch länger Gas, grüne Energie ist leider nur eine langfristig sinnvolle Lösung. Nordstream 2 war auch geopolitisch von Russland gewollt um die Transitländer zB Ukraine umgehen zu können. Es wurde auch über Südlink ( Gas aus Vorderasien) gesprochen. Als Alternative das böse amerikanische Frackinggas zu verdammen ist doch sehr kurz argumentiert. Es gibt mehrere Lieferländer für LNG nur wir haben keine Entladeterminals. Ein sinnvoller Ansatz wäre aus meiner Sicht die Liefermenge einzelner Staaten auf max 30% oder weniger zu begrenzen. Leider bauen unsere anderen Lieferländer ( Niederländer, Norweger ) Ihre Liefermengen ab. Abhängigkeit von einem Lieferanten macht das Gas mittelfristig teurer, das sind Wirtschaftsgrundlagen. Egal mit wem man Geschäfte macht. Für mich ist nicht eindeutig zu klären, ob Fracking Gas oder russisches Gas umweltschädlicher ist. Die Förderung in Russland mit maroden Anlagen und Leitungen erscheint nicht besonders gut.

  • @forist Ja, es ist so traurig. Ich möchte wissen, wer da die betreffenden PolitikerInnen unter Druck setzt .. und warum diese Debatte nicht transpartent in der Öffentlichkeit geführt wird.

    Fracking Gas aus den USA ist das Letzte!

  • Welche Lieferungen aus Russland sind notwendig, welche können anders ersetzt werden?

    Und das Preisschild für diese Gedankenspiele?



    Wer zahlt den Spaß?

  • "Die Abhängigkeit von Russland muss reduziert und die Energielieferungen diversifiziert werden,"



    Dem ersten Satzteil stimme ich uneingeschränkt zu: Abhängigkeit von einem einzelnen Staat ist immer abzulehnen - sei es bei medizinischen Masken, Chips, Gas oder Erdöl....



    Aber wie kommt ausgerechnet ein Grüner dazu, da eine Diversifizierung bei Gaslieferungen zu fordern?



    Macht endlich Tempo bei der Umstellung auf erneuerbare Energien!



    Macht Europa komplett unabhängig von fossilen Energien! Dann gehen die Gelder nicht mehr an Despoten und Terror-Finanzierer sondern an heimische Betriebe - und dem Klima wird auch noch geholfen!



    Wäre das nicht viel sinnvoller?

    • @Mainzerin:

      "Wir brauchen Strategien, um die Energieversorgung zu diversifizieren und dauerhaft zu vergrünen."

      Mit Verlaub, das klingt nicht nach der Forderung von anderweitigen Gaslieferungen.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    "Langfristig müssen Ökologie und Geopolitik zusammengedacht werden"

    Das wäre doch mal ein guter Ansatz für die Grünen, die lieber eine Abhängigkeit von der kommenden Trump-Regierung und amerikanischem Fracking-Gas herstellen wollen.



    Und dafür auch schon lange vor der Ukraine Krise in Brunsbüttel Fakten geschaffen haben.

    Verlogener geht's doch garnicht mehr, oder?

  • Die Abhängigkeit von Russland wegen der Gaslieferungen wäre Geschichte, wenn wir hierzulande komplett auf Erdgasnutzung verzichten würden. Wir sollten sowieso wegen des Klimawandels dringend unseren Verbrauch fossiler Brennstoffe zurückschrauben. Warum also ist diese verdammte anachronistische Pipeline überhaupt gebaut worden?

    • @Ein alter Kauz:

      Der Verbrauch fossiler Brennstoffe könnte jederzeit drastisch reduziert werden ,wenn man entsprechend den Energieverbrauch senkt. Wie weit geht IHRE PERSÖNLICHE Verzichtsbereitschaft? Selbst zum Fahrradfahren braucht man ja heute Strom,statt welchen selber zu erzeugen (Dynamo).



      Ich möchte mich auch noch weiterhin in Naturlandschaften bewegen statt in Windparks und Solarfarmen. Nennen sie mich altmodisch ,aber Bäume und sonstiges Grünzeug finde ich einfach ansprechender. Außerdem müssen die die ganzen Windräder etc. auch erst noch gebaut werden. Gas ist eine Übergangslösung ,deswegen auch die Pipeline.

  • Unreflektiert auf Russland einzuschlagen, ist kein seriöser Journalismus!!



    Die gegenseitige Eskalation ist kontraproduktiv. Schon mal in den Sinn gekommen, dass Russland viele Importe



    aus Deutschland auf Eis legen könnte, oder schlimmer, dass viele Unternehmen (Großkonzerne) das Schicksal der Deutschen Welle erleiden könnten?



    Das russische Volk ist leidensfähiger als unsere vielfach klagenden Mitbürger.



    Das journalistische Säbelrasseln geht mir auf den Senkel und das von der taz...

  • Es genügt ein winziges Detail, um die Abhängigkeit fast vollständig zu lösen: Gasspeicher.



    Die sind sogar schon da.



    Man darf nur nicht die groteske Dummheit begehen, und sie ausgerechnet durch Gasprom betreiben zu lassen!



    Eine ständige Bundesreserve für 3 Monate, Füllung im Sommer, 30% Verkauf ab Februar - das dürfte ohne große Akrobatik sogar wirtschaftlich sein.



    Man darf nur nicht das Ziel aus den Augen verlieren: Reserve, nicht Gewinnmaximierung!

    • @mensch meier:

      Gazprom gehören zwar die Gasspeicher, aber diese wurde quasi vermietet. Verantwortlich für das Gas und damit die Menge in diesen Speichern sind die Mieter, also diverse Energiekonzerne.

      Und genau diese haben das, aufgrund von langfristigen Verträger wesentlich billigere Gas von Gazprom nun auf dem Spotmarkt teuer verkauft eben wegen der Gewinnmaximierung.

  • „Denn das Schlimmste, was Präsident Wladimir Putin aus der Krise lernen könnte, wäre, dass er Europa immer wieder durch Truppenbewegungen in Atem halten kann.“

    Vielleicht sollte „Europa“ (Wieso nennt der Autor hier nur Europa, es sind doch die USA, die alle Kirre machen) „lernen“, dass man sich durch Truppenbewegungen, bzw. deren Geheimdienst -Interpretationen, nicht verrückt machen lassen sollte.

    • @guzman:

      Doch, sollte man.



      Putin hat wiederholt bewiesen, dass er gerne in "Bruderstaaten" einmarschiert.