Russland-Ukraine-Krise: Erpressung ist nicht hinnehmbar
Die Abhängigkeit von Russland muss reduziert und die Energielieferungen diversifiziert werden, sagt der grüne EU-Abgeordnete Sergey Lagodinsky.
D ie scheinbare leichte Entspannung im Konflikt mit Russland zeigt, dass eine Krise kurzfristig durch harte Diplomatie abgemildert werden kann. Doch der Sache werden wir erst gerecht, wenn wir in der EU mittel- und langfristig denken. Denn das Schlimmste, was Präsident Wladimir Putin aus der Krise lernen könnte, wäre, dass er Europa immer wieder durch Truppenbewegungen in Atem halten kann.
Daher müssen wir weiter denken: Auch wenn die Kriegsgefahr vorüber ist, können wir erst dann zur Tagesordnung in den EU-russischen Beziehungen übergehen, wenn Moskau aufhört, gegen das Nachbarland zu hetzen, Lügen zu verbreiten und es ständig zu bedrohen. Die Souveränität der Ukraine ist keine Verhandlungsmasse und kein Gegenstand von Erpressungen.
Langfristig müssen wir prekäre Abhängigkeiten von Russland schonungslos evaluieren und ausgleichen. Eine solche Bestandsaufnahme muss nicht bedeuten, dass wir alle Verbindungen kappen. Aber einseitige Dependenzen von überlebenswichtiger Bedeutung und ohne schnelle Ersatzoptionen sind strategisch unklug. Und da sind wir bei der Energieversorgung.
Nord Stream 2 ist Teil des Sanktionspakets, sollte Russlands Präsident Wladimir Putin im Konflikt mit der Ukraine militärisch eskalieren. Doch im Umkehrschluss kann das nicht heißen, dass die Pipeline auch Teil des Belohnungspakets werden darf, wenn Kriegshandlungen ausbleiben. Hier kann und darf es keinen Automatismus geben. Die Prüfung von Nord Stream 2 durch die Deutsche Netz- und Europäische Energieagentur muss ergebnisoffen geführt werden. Der Maßstab ist das europäische Recht.
ist Rechtsanwalt, EU-Abgeordneter der Grünen und Osteuropa-Experte
Langfristig müssen Ökologie und Geopolitik zusammengedacht werden. Notwendig wäre deshalb ein Kassensturz: Welche Lieferungen aus Russland sind notwendig, welche können anders ersetzt werden? Wir brauchen Strategien, um die Energieversorgung zu diversifizieren und dauerhaft zu vergrünen. Erst dann gewinnt Europa – und speziell Deutschland – seine Handlungsfähigkeit zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“