Russische Hacker: EU warnt vor Cyberangriffen
Brüssel warnt kurz vor der Bundestagswahl vor bösartigen Aktivitäten der Gruppe Ghostwriter. Dahinter soll Russlands Militärgeheimdienst stecken.
Brüssel taz | Kurz vor der Bundestagswahl hat die EU mutmaßliche russische Cyberangriffe scharf verurteilt. Die Angriffe durch eine Hackergruppe namens Ghostwriter seien „inakzeptabel“ und bedrohten „demokratische Werte und Prinzipien“, erklärte EU-Außenbeauftragter Josep Borrell am Freitag in Brüssel. Hinter Ghostwriter wird der russische Militärgeheimdienst GRU vermutet.
Die Stellungnahme so kurz vor der Wahl kam selbst für EU-Insider überraschend. Borrell hatte sein Statement nicht angekündigt. Im täglichen Pressebriefing der Kommission wurden die Vorfälle mit keinem Wort erwähnt. Die EU hatte zwar schon früher vor Desinformationskampagnen oder Hackerangriffen gewarnt. Von einer ernsten Störung der Bundestagswahl war in Brüssel bisher aber keine Rede.
Auch in Berlin gab es keine Vorwarnung – und offenbar auch keine große Eile. Schon am 9. September hatte der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Cyberangriffen eingeleitet. Ein Behördensprecher sagte, es gehe um den „Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit“. Die Bundesregierung hatte zuvor scharf gegen russische Beeinflussungsversuche protestiert.
Doch warum dauerte es so lange, bis dies eine europäische Reaktion auslöste? Ausgerechnet zwei Tage vor der Bundestagswahl? Auf Nachfrage der taz verwies ein EU-Sprecher nur auf das Borrell-Statement. Darin wird jedoch kein direkter Bezug zu Deutschland hergestellt. Vielmehr ist die Rede von „bösartigen Cyberaktivitäten“ in „einigen EU-Mitgliedstaaten“. Diese mutmaßlich russischen Angriffe träfen „zahlreiche Parlamentarier, Regierungsvertreter, Politiker und Mitglieder der Presse und der Zivilgesellschaft in der EU“. Sie zielten darauf ab, in Computersysteme und persönliche Konten einzudringen und Daten zu stehlen.
Warnung kommt überraschend
Ob diese Daten eingesetzt wurden, um die Bundestagswahl zu stören oder gar zu beeinflussen, bleibt in dem EU-Statement unklar. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte im Juli erklärt, die Einflussversuche seien noch „auf niedrigem Niveau“. Die deutschen Behörden seien für alle Fälle gewappnet. Umso überraschender kommt nun die scheinbar akute Warnung aus Brüssel. Die Hacker-angriffe müssten „sofort enden“, forderte Borrell. „Wir rufen die Russische Föderation dringend auf, die Normen für verantwortliches Staatsverhalten im Cyberspace zu respektieren.“ Die EU behalte sich „weitere Schritte“ vor.
Leser*innenkommentare
Kappert Joachim
Der rechte Flügel Europas warnt vor Wahlfälschungen. Trump hätte es nicht besser machen können.
tomás zerolo
Ärgerlich, dieses wolkige Herumgefuchtel.
Ich bezweifle nicht im Geringsten, dass Russland entweder durch ihre Propagandamaschine (RT [1]), direkt durch die Geheimdienste [2]) oder durch vorgelagerte, "auf eigene Rechnung" arbeitende Operationen à la Fancy Bear [3] versuchen, hier Einfluss zu nehmen.
Aber dieses unbestimmte "die tun was, und wir tun auch was" -- ganz ehrlich, ich fühle mich da nicht wie einErwachsener behandelt.
[1] Nein, die Russen sind nicht die einzigen, die einen Propagandasender betreiben. Wir haben de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Welle
[3] en.wikipedia.org/wiki/Fancy_Bear
Rainer B.
Noch ein Grund mehr, warum „Digitalisierung“ ansich noch lange kein Mehrwert ist.
Es gibt Bereiche, in denen man ganz bewußt auf Digitalisierung verzichten sollte, solange es überhaupt noch möglich ist. Die enormen Risiken einer durchdigitalisierten Welt waren auch in diesem Wahlkampf mal wieder gar kein Thema. Ähnlich wie beim Klimawandel stößt man hier bei fast allen Parteien auf erstaunlich wenig bis komplett fehlendes Problembewußtsein. Ich sach's mal so: Naivität ist durchgängiges Programm.