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Russische Gegenoffensive35.000 russische Soldaten in Kursk

Nach der überraschenden ukrainischen Offensive auf das russische Gebiet Kursk schlägt Russland jetzt zurück. Selenskij sagt, alles verlaufe nach Plan.

08.09.2024: Ein vom russischen Verteidigungsministerium veröffentlichtes Bild, das russische Panzer im Gebiet Kursk zeigen sollen Foto: Pressedienst des russischen Verteidigungsministeriums via ap

Berlin taz | Russland hat den ukrainischen Angriff auf das russische Gebiet Kursk gestoppt und gleichzeitig am Mittwoch und Donnerstag zehn bisher von der ukrainischen Armee besetzte russische Dörfer zurückerobert. Dies berichten übereinstimmend russische und ukrainische Quellen. In der Ukraine reagiert man gelassen auf diese Meldung.

Die ukrainischen Streitkräfte hätten diese Gegenoffensive erwartet, erklärte Präsident Selenskij auf einer Pressekonferenz mit dem litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda in Kyjiw. „Die Russen haben Aktionen einer Gegenoffensive im Gebiet Kursk begonnen. Alles läuft nach unserem ukrainischen Plan“, so Selenskij. „Im zweiten Monat der Kursk-Operation leiteten die russischen Militärs Aktionen ein, die man als Gegenoffensive bezeichnen kann. Tatsächlich sind auf russischer Seite inzwischen 35.000 Soldaten im Gebiet Kursk“, berichtet Militär Olexandr Kowalenko von der ukrainischen NGO „Information und Widerstand“ (informazini sprotiv).

Offensichtlich glaube die russische Militärführung, so Kowalenko, es ließe sich mit dieser Zahl von Soldaten die ukrainische Armee aus der Region Kursk vertreiben. Begonnen habe die russische Gegenoffensive, so Kowalenko, in den Gebieten Opanasivka-Snahist, Schuravly-Kalyniv, Pogrebky und Borky. Das russische Militär, so das ukrainische Portal glavred.com, wolle mit seiner Gegenoffensive die Blockade des Bezirks Gluschkowskij beenden, die Kontrolle über die Straße Korenevo-Troizkoje und die für die Logistik wichtige Strecke Korenevo-Safonowka wiedererlangen, um somit den eigenen Nachschub zu erleichtern.

Selenskij, so glavred.com, habe in diesem Zusammenhang von einem „Siegesplan“ der Ukraine gesprochen, dessen Erfolg vor allem von der Unterstützung der USA und anderer Partner abhänge. Konkreteres war indes über diesen Plan, der „psychologischen, politischen und militärischen Einfluss auf die Russische Föderation haben“ werde, bislang nicht zu erfahren. Der ukrainische Militärexperte Iwan Kiritschewski geht auf Radio Liberty sogar von 60.000 Mann aus, die das russische Militär für die Gegenoffensive einsetzt.

Tragisch ist dieses Ungleichgewicht für ihn offensichtlich nicht. Schließlich, so Kiritschewski, habe die Ukraine angegriffen, als ihr eine dreifache Überlegenheit von 30.000 Mann gegenübergestanden habe. Und nun müsse sie sich eben gegen 60.000 verteidigen.

Russland meint, Kursk schade der Ukraine

Ganz anders wertet man dagegen die neue Situation auf der russischen Seite. In der russischen Business Gazeta geht der russische Militärexperte Wiktor Litowkin davon aus, dass die ukrainische Besetzung von Teilen des Gebietes Kursk in erster Linie der Ukraine schade. Dadurch seien Kräfte gebunden, die die Ukraine eigentlich in anderen Gebieten, wie Donezk oder Saporischschja brauche. Und deswegen sei es wichtig, die ukrainischen Militärs weiter auf russischem Gebiet zu binden, so Litowkin.

Demgegenüber sieht das russische Portal 360.ru die Verteidigung der Ukrainer „zusammenbrechen wie ein Kartenhaus“. 12.000 ukrainische Soldaten sind nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums im Gebiet Kursk ums Leben gekommen. Auch die russische Seite hat bei den Kämpfen und Luftangriffen Menschen verloren.

Nach Angaben des Sonderbotschafters des russischen Außenministeriums, Rodion Miroshnik, sind allein in der vergangenen Woche 126 Russen verwundet und mehr als 15 Zivilisten getötet worden. Insgesamt seien im August bei ukrainischen Angriffen auf die zivile Infrastruktur mehr als 850 Zivilisten verletzt und etwa 100 Menschen getötet worden.

Wechselseitiger Beschuss

Miroshnik zufolge werden 12 Gebiete der Russischen Föderation regelmäßig von der Ukraine beschossen. Unterdessen wurde bekannt, dass in der Nacht auf Freitag in der ostukrainischen Stadt Charkiw drei Menschen durch einen russischen Luftangriff getötet wurden. Eine weitere Person wurde in der Nähe der Stadt Jampil getötet.

Am 6. August hatte das ukrainische Militär die ukrainisch-russische Grenze überschritten, war 35 Kilometer auf russisches Gebiet vorgedrungen und hatte im Anschluss nach eigenen Angaben mehr als 82 Siedlungen besetzt. Möglicherweise wollte man damit erreichen, so mutmaßt Glavred.com, dass Russland Teile seiner Truppen von der Front Richtung Kursk abziehe und Russland zu einem gerechten Frieden zwingen.

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2 Kommentare

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  • So, so. Kursk schadet der Ukraine...



    Ganz Russland schadet der Ukraine. Und dem Weltfrieden.

  • Die Zahl 12000 ist natürlich kompletter Blödsinn, die das russische Verteidigungsministerium hier verbreitet.



    Die Ukrainer verlieren in Kursk sicherlich sehr viele Soldaten, aber nicht in dieser Dimension.



    Allerdings ist Selenskij's Gelassenheit, "alles verläuft nach Plan" auch nur ein leicht durchschaubarer Bluff. Es sei denn sein Plan war es tausende Soldaten für einen kleinen PR Coup zu verheizen.