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Rückblick auf die zweite KriegswocheFragen ohne Antworten

Wer überfallen wird, muss sich wehren können. Aber lieber als die Twitter-Generalität sind mir Politiker, die sich eine Nacht zum Nachdenken gönnen.

Ukrainische Soldaten helfen einer Frau, den Fluss Irpin zu überqueren, März 2022 Foto: Vadim Ghirda/AP

D er 24. Februar hat die ganze Existenz verdüstert. Gut, mögen Sie jetzt einwenden, die war auch vorher nicht besonders sonnig, an den Peripherien unserer vielgepriesenen „Friedensordnung“ waren Gewalt, Krieg, Elend und Instabilität längst Alltag. Alles wahr, ändert aber nichts daran, dass wir anderntags in einer neuen Welt und einer neuen Existenz aufgewacht sind. Mit Meinungen und Emotionen, die sich dauernd widersprechen und sich wechselseitig ins Wort fallen.

Ein paar Dinge sind klar: Ein sadistischer Tyrann und seine Kamarilla haben ein unabhängiges, demokratisches Land überfallen. Die eine Seite hat von Grozny bis Aleppo schon bewiesen, was sie bereit ist, anzurichten, ist überdies eine waffenstrotzende Atommacht, die andere Seite wird bombardiert, während die Bür­ge­r*in­nen in den Kellern zittern. Putin senkt über die Bevölkerung Russlands selbst eine Despotie hinab, die die letzten Halme von Freiheit zertritt. „Both Sides“ können sich die Schlaumeier da sonstwohin stecken.

Zufällig konnte ich diese Woche Konstantin Wecker zu einem TV-Talk in Bruno Kreiskys Wohnzimmer empfangen, den Poeten, Liedermacher und Friedensbewegungsveteranen. Die einen singen seine Lieder mit feuchten Augen mit, kennen jede Zeile, andere halten ihn für eine naive Kitschschleuder, tut hier aber gerade nichts zur Sache. Kürzlich hat er eine neue Platte rausgebracht, „Utopia“ heißt sie, der Name ist natürlich schon Programm, und der Titelsong beginnt mit diesen Zeilen: „Stellt Euch einmal unsere Welt vor / Ohne Krieg ohne Gewalt.“

Das ist der pazifistische Traum, aber natürlich sind die meisten Linken da eh nie konsequent gewesen. Man konnte an einem Tag „Die Waffen nieder!“ skandieren, und am nächsten linken Guerilleros die Daumen drücken, die gegen Diktatoren kämpften und „No Pasarán!“ brüllen.

Wer überfallen wird, muss und soll sich wehren können. Wahnsinnige oder auch zynisch-rationale Aggressoren und Diktatoren kriegt man nicht durch gutes Zureden zur Vernunft, aber zugleich gerät man dann leicht in ein Fahrwasser, in dem nur mehr die militärische Lösung zählt, die Logik der Militarisierung. Die große Idee einer „gewaltfreien Welt“ wird dann lächerlich gemacht, und ich habe den Verdacht, das wird die Welt nicht besser machen. Schon die normale Diplomatie (die ja nicht von Peaceniks erfunden wurde), wird heute als moralisch fragwürdiges Appeasement verunglimpft. Aber natürlich soll man noch mit dem Teufel reden, wenn damit Krieg beendet werden kann.

Ja, ich finde unmissverständliche Antworten auf Kriegstreiber notwendig, aber zugleich nerven mich Kraftmeier in Pantoffeln, die im Internet härteste Reaktionen fordern und schon Verrat schreien, wenn Regierungen zwei Tage über weitreichende Sanktionen nachdenken und erst dann Swift-Boykott und anderes verhängen. Ich fühle mich bei Politikern, die sich eine Nacht zum Nachdenken gönnen, besser aufgehoben als bei der Twitter-Generalität.

Es wäre nötig gewesen, früher zu erkennen, dass sich bei Putin und den Leuten um ihn ein faschistischer Revanchismus durchsetzt, dem man entgegentreten muss, denke ich. Und denke im nächsten Augenblick, dass es nervt, die Geschichte von ihrem Ende her zu erzählen. War es wirklich so falsch, Fäden der Kooperation zu pflegen, darauf zu setzen, die wirtschaftlichen Verbindungen so eng zu knüpfen, dass Krieg „unführbar“ wird?

Wir haben in Europa – auch mit Putins Russland – die Wirtschaft so verschränkt, dass Krieg eigentlich „unführbar“ ist. Dennoch hat das diesen Krieg nicht verhindert. Den Preis an Verelendung, den die Welt wird zahlen müssen, können wir noch nicht mal abschätzen. Andererseits: Gerade wegen dieser Verflechtung droht Russland jetzt der ökonomische Zusammenbruch, was vielleicht am Ende doch heißt, dass Krieg unführbar ist.

Wir haben Fragen, aber noch keine klaren Antworten, wir haben einen Beginn von etwas, von dem wir das Ende noch nicht kennen. Klar ist nur: Es wird kein schönes sein.

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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19 Kommentare

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  • @INGO BERNABLE

    "Auf was wollen sie hinaus? Darauf, dass wenn "wir" uns das herausnehmen wir es eben auch Putin zugestehen müssen?"

    Nein. Natürlich nicht. Mich erschreckt allerdings die allzu kriegerische Rhetorik auf "unserer" Seite (dass die Ukrainer*innen das jetzt "müssen" verstehe ich),

  • Kriege verhindert man, indem man Putin diesen nicht gewinnen lässt.

  • Natürlich war es richtig zu versuchen Russland in die Weltwirtschaft zu integrieren und Handelsbeziehungen zwischen der EU und Russland zu pflegen - denn wer keine Strategie zum Frieden versucht, der ist faktisch auf dem Weg zum Konflikt und Krieg.



    Das kann natürlich auch im Desaster enden, wie wir gerade sehen, aber deshalb war der Versuch nicht falsch.



    Hätten wir es anders gemacht, dann wären wir schon lange in diesem Krieg oder einem anderen.

    Das Grundproblem bleibt: Putin erkennt nicht das Selbstbestimmungsrecht seiner Nachbarn an - darüber kann es schwer einen Kompromiss geben, es sei denn wir schließen uns dieser Denke an und definieren einen neuen "eisernen Vorhang" und wer auf der anderen Seite sein muss und keine Demokratie, Souveränität und Prosperität haben darf.

    Es gibt nur ein gutes Ende für diese ganze Geschichte: Putin tritt ab oder wird abgetreten, und sein Nachfolger ist liberaler. Alle anderen Wege werden über kurz oder lang zu mehr Konflikten und am Ende Kriegen an Russlands Westgrenzen führen - und sollte das ein NATO-Land betreffen, werden wir doch noch den 3. Weltkrieg haben, den wir in den 80ern befürchtet und schon ausgeschlossen gewähnt haben.



    Wenn Putin bleibt, dann verlieren alle - die Frage ist nur wieviel über welchen Zeitraum.

  • Sie schreiben Gedanken, die mir genauso durch den Kopf gehen......Am Ende bleibt, dass auch miteinander reden den Krieg nicht verhindert hat aber miteinader reden den Krieg irgendwann beenden muss.



    Denn wenn nicht geredet wird hilf gar nichts.



    Je mehr Leute, wie etwa Gerhard Schröder mit Wladimir Putin reden um so besser. Man hört, dass Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Jerusalem erwogen werden, gut!



    Telefonat Makron- Scholz mit Putin gut! Je mehr Kontakte Wladimir Putin und seine Leute nach außen bekommen um so besser!



    Gebt denen einen Weg das ganze Desaster beenden zu können. Erinnern wir uns an den Winterkrieg. Am Ende wurde verhandelt. Wladimir Putin wird verhandeln und verstehen, dass man besser miteinander als gegeneinander leben kann. Vielleich könnte auch Konstantin Wecker nach Moskau reisen um mit Wladimir Putin zu reden, kein Scherz, vollkommen ernsthaft!! Ruft Ihn an, fahrt dort hin redet mit Putin und nochmal redet mit Putin, damit nicht noch mehr Menschen in der Ukraine sterben müssen.

    • @Günter:

      "Wladimir Putin wird verhandeln und verstehen, dass man besser miteinander als gegeneinander leben kann."

      Beschäftigen Sie sich mal ein wenig mit dem Herrn; es gibt da ganz gute Dokus (z. B. auf Arte). Ihre Vorstellung ist weit von der Realität entfernt.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Schon die normale Diplomatie (die ja nicht von Peaceniks erfunden wurde), wird heute als moralisch fragwürdiges Appeasement verunglimpft.“ Der Botschafter der Ukraine in DE setzt da gerade neue Maßstäbe, entwickelt eine „Diplomatie 2.0“ (Es fällt mir schwer, der eigenen Sprachlosigkeit Ausdruck zu verleihen. )

  • „Kraftmeier in Pantoffeln, die im Internet härteste Reaktionen fordern“ fragen sie diese Typen mal, ob sie ihr Auto zwecks solidarischer Energieersparnis für ein paar Tage im Monat stehen lassen…

  • @SÀMI2

    Ja, ja zu allem. Ich habe auch Verständnis dafür, das ein Mensch in der Ukraine gerade nicht so genau hinguckt, wer oder was diese Asov-Brigaden (u.a.) sind. Hauptsache sie sind fähig und willens, eine Waffe zu führen.

    Dennoch, sie sind da, unschön, und haben während des langen low-level Krieges zur Eskalation beigetragen. Die Berichte über Menschenrechtsverletzungen im verlinkten Wikipedia-Artikel sind zumindest glaubwürdig (genauso wie diejenigen über die Donbas-Separatisten).

    So ein langer Krieg brutalisiert beide Seiten, das mag ein Teil von Putins Strategie gewesen sein, das ist bestimmt auch ein Teil der Strategie dieser Rechtsextremisten gewesen.

    Auf Kosten aller anderen: der ukrainischen Zivilbevölkerung, des Kanonenfutters auf russischer Seite und letztlich auch der russischen Bevölkerung.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      ""Dennoch, sie sind da, unschön, und haben während des langen low-level Krieges zur Eskalation beigetragen.""

      ==

      ""Am 24. Februar hielt Wladimir Putin eine Rede, die eine von ihm bereits befohlene Invasion rechtfertigen sollte. Neben vielem anderen Unsinn behauptete er, die Ukraine sei im Begriff, sich Atomwaffen zu beschaffen. Dieses Argument wiederholte Russlands Außenminister in Genf.

      Nicht nur, dass es für diese Behauptung keine Grundlage gibt.

      Die Ukraine hat keine Atomwaffen und auch kein Atom-waffen-programm.



      ==



      ==



      Die Ukraine hat mehr für die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen getan als jedes andere Land.



      ==



      ==



      Anfang der 1990er Jahre verfügte die Ukraine über das drittgrößte Atomwaffenarsenal der Welt, ein Erbe der Sowjetunion. Im Gegenzug für Sicherheitsgarantien des UK`s, der USA und der Russischen Föderation erklärte sich das Land 1994 bereit, vollständig abzurüsten. Als die nukleare Abrüstung 1996 abgeschlossen war, wurden als Zeichen des Friedens Sonnenblumen um die leeren ukrainischen Silos gepflanzt.""

      Quelle: taz, Wie man Perversion liest

      ==

      Klartext:



      1..Trotz Holodomor, das bedeutet Tötung von zwischen 3 - 7 Millionen Ukrainer durch Stalins Intention des Hungerkrieges gegen die Ukraine,

      2.. trotz Überfall Nazideutschlands - unter dem die Ukraine am mesiten glitten hat

      3.. trotz brutalst möglicher Unterwerfung der Ukraine durch die Sowjetunion nach dem 8. Mai 1945

      geben die Ukrainer bis 1994 sämtliche Atomwaffen an die Sowjetunion zurück - die sie in der gegenwärtigen Situation vor dem Überfall der Russischen Förderation gerettet hätte.

      Ansonsten:

      Die Diktatur des imperialistischen Staates, der unter Missachtung sämtlicher Regeln (UN, OSZE, Budapester Memorandum, KSZE 1974) brutalst möglich ein Nachbarland überfällt kann mit Fug und Recht als rechtsradikal-populistisches Regime eingeschätzt werden.

      Das bedeutet:



      Ich empfehle Ihnen dringend den Artikel ""Wie man Perversion liest"" als Mittel zur Selbstreflexion zu lesen.

      • @06438 (Profil gelöscht):

        Wollen Sie nur Recht haben?

        Vielleicht waren die, die 1990 die Nuklearwaffen an Russland zurückgaben, gar nicht die, die seitdem, oder zumindest aktuell die Regierung der Ukraine stellen?

        Argumentationen die Länder zum Subjekt, zur Wesenheit machen, sind schnell Teil nationalistischer, chauvinistischer Erzählungen. Bleibt meist auf allen Seiten jeweils redliche Geschichtsschreibung auf der Strecke.

        Wie kommen Sie darauf, dass jene die sich gegen militaristische-ultranationalistische, rassistische Entwicklungen wie die Legitimierung des Asov-Regiments wenden,



        gleichzeitig stalinistische Verbrechen beschönigen, rechtfertigen ignorieren?

        Es besteht doch (bei den meisten) gar kein Zweifel daran, dass Putinrussland einen imperialen Angriffskrieg führt. Also ein oligarchisch-kapitalistisches Land, geführt von einer autokratisch-diktatorischen Regierung mit einem zunehmend oligarchisch werdenden Kapitalismus des Westens in eine sich immer schneller drehende Gewaltspirale gerät.

        Selbstverständlich deutet Putin Tatsachen zur Begründung für einen verbrecherischen Angriffskrieg auf eine Weise um, die die Tatsachen wie eine Lüge erscheinen lassen.



        Aber das entlarvt doch nur die Begründung.



        Entlässt aber sonst niemanden die Tatsachen als solche anzuerkennen.

        Die Regierungen der Ukraine haben seit 2014 nicht weniger einen Krieg "niedriger Intensität" entlang der sogenannten Kontaktlinie geführt, (oder zugelassen) als es Putinrussland getan hat. Zuletzt die politisch-militärische Haltung dahinter zunehmend zur Sache der EU, der NATO, gemacht - indem das über die geforderte Mitgliedschaft in EU-NATO, Politik an den Grenzen Russlands werden und sein sollte.

        Reden wir doch darüber, wie einmal mehr in der Geschichte der Ukraine solche Widersprüche auf dem Rücken einer heterogenen, einer historisch-sozial-kulturell differenten ansässigen Bevölkerung in der Region ausgetragen wird.



        Im Namen eines jeweils toxischen Nationalismus und Chauvinismus auf allen Seiten.

        • 0G
          06438 (Profil gelöscht)
          @Martinxyz:

          1.. Sie verwechseln das Subjekt mit dem Objekt -- siehe



          www.zeit.de/2022/1...tler-nationalismus.

          Nach Grosny, nach Aleppo und nach Putins haarsträubenden Lügen gegen sämlich Staaten auf der Welt sollte klar sein, wie mit Auswürfen Putins umzugehen ist. An Ihrer Stelle rate ich Ihnen, dringend diese peinlich genau zu überprüfen.

          2.. Diejenigen welche die Atomwaffen zurückgaben, wurden 1991 mit über 60 % - und diejenigen welche für die Unabhängugkeit stimmten waren mehr als 90% der Ukrainer - in den Oblasten Donezk und Luhansk immer noch mehr als 80%. Soviel zu Ihrem ScheinArgument einer heterogenen Gesellschaft.

          Damit dürfte die Legitimität dieser Entscheidung für alle Ukrainer (ALLE) eineindeutig geklärt sein.

          4.. Das ärgerliche und seitenverkehrte an Ihrer Argumentation welches sie nicht im mindesten reflektieren:



          Die Russen „betrachten uns seit 350 Jahren als ihren Gutsbesitz“, so Krawtschuk vor 1994 - also bevor er in die SPD der Ukraine eintrat.

          Trotz dieser klaren tatsachengestützen Aussage gehörte er zu denjenigen, welche die Atomwaffen zurück gaben - meiner Meinung nach hätte er sämtliche guten Argumente auf seiner Seite gehabt die Atomwaffen zu behalten.

          Seitenverkehrt auch deswegen weil Ihr Kommentar riesengroße Argumentations Lücken aufweist:



          (Deswegen auf die Schnelle in aller Kürze eine Quelle um die Einseitigkeit Ihrer Argumentation deutlich zu machen)



          www.tagesspiegel.d...egen/28159274.html

          Klartext:



          Beispiel/Analogie für Sie zum Verständnis wie Ihr Tenor rüberkommt:

          Analog Ihrer Argumentation könnten sie auch die Polen anklagen, die sich 1939 gegen den Einmarsch der Deutschen und Russen verzweifelt versuchten, diese Übermacht militärisch zurück zu drängen.

  • ...Das sind die Inhalte und der nachdenkliche Ton, den ich bis vor kurzem (auch in der TAZ!) noch für selbstverständlich hielt.



    Ganz anders als die aktuelle generations- und spektrumsübergreifende Kriegsbegeisterung.

    Trotz der ebenfalls angesprochenen Widersprüche beim Engagement für die Sandinisten (das aber nicht im wesentlichen aus Waffenlieferungen bestand) vermisse ich die Stimme von Konstantin Wecker & Georg Danzer.



    Die Leute singen zwar durchaus "Imagine" von John Lennon und stellen sich im Peace-Zeichen auf – wissen aber scheinbar nicht, wofür diese Dinge eigentlich stehen.

    Wo ist denn der Pazifismus geblieben?

    Am Ende muß es doch ein unbedingtes Nein zum Krieg sein:

    "Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg. Bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hin müssen."



    Erich Maria Remarque.

    Es ist nicht verkehrt, diesen Krieg AUCH von seinem möglichen Ende zu denken und von denen zu lernen, die uns eindringlicher nicht hätten warnen können.

    Und dann wäre da noch die Frage, was eigentlich genau auf dem Weg zum Ukraine Krieg trotz der beschriebenen vielefältigen zivilen Bindungen schief gelaufen ist.

    Wir freuen uns heute über deutsch-franzöische Bataillone. Würde man die heute auflösen, damit morgen nicht ein paar Besserwisser uns diesbezüglich Vorwürfe machen können?

  • A propos wirtschaftliche Abhängigkeiten: gibt es denn aktuell noch europäische/deutsche Produzenten von Ffp2 oder einfachen medizinischen Masken? Und was ist mit dem (Wieder)Aufbau von Medikamentenproduktion? Irgendwann in den vergangenen 2 Jahren hab sagte eine Pharmazieprofessorin in einem Interview, dass wir zB bei Antibiotika komplett von China/Asien abhängen. Und es bräuchte von dieser Seite gar keinen Krieg um "uns" in die Knie zu zwingen. Die könnten einfach die Medikamentenlieferung einstellen.

  • Danke - anschließe mich.

  • Danke für diese Nachdenklichkeit.

    Zu "both sides" möchte ich allerdings hier ein Link zum Azov-Batallion [1] lassen. Das rechtfertigt natürlich keine einzige Rakete, auch keine Bombe oder Artilleriegeschoss, die jetzt die ukrainische Bevölkerung trifft. Wir sind uns darin einig, dass Putin (mitsamt seiner Entourage) ein Pack autokratischer Arschlöcher sind (sorry, mir fallen gerade keine zarteren Ausdrücke ein).

    Dennoch halte ich ein gewisses Mass an Selbstreflexion nötig. Wir sollten uns auch immer fragen, mit wem wir bereit sind, uns gemein zu machen, ohne die grundsätzliche Solidarität in Frage zu stellen, die die Ukrainer*innen jetzt von uns erwarten dürfen.

    "Unsere" Seite war auch bereit, ein ganzes Land in Grund und Boden zu bomben, bloss weil sich angeblich ein gewisser Bin Laden darin befand. Auch mit thermobarischen Bomben.

    (Und nein, ich bin kein Putin-Versteher. Von Anfang an habe ich gehofft, dass der von der Macht weggespült wird. Hat leider nicht geklappt).

    [1] en.wikipedia.org/wiki/Azov_Battalion

    • @tomás zerolo:

      "Das rechtfertigt natürlich keine einzige Rakete"



      Warum ist es dann in diesem Kontext relevant?



      "Wir sollten uns auch immer fragen, mit wem wir bereit sind, uns gemein zu machen"



      Laut dem verlinkten Wiki-Artikel geht es um rund 2500 Nationalisten mit Faible für Nazi-Symbolik. Dass es die gibt is unschön, aber so zu tun als ob sie für die Politik der Ukraine oder der Regierung Selenski repräsentativ wäre ist so ähnlich als würde man Staaten die diplomatische Beziehung zur Bundesregierung pflegen vorwerfen sich mit Nazis gemein zu machen, weil es auch hierzulande Gruppen wie IB, 3. Weg oder der NSU gibt.



      ""Unsere" Seite war auch bereit, ein ganzes Land in Grund und Boden zu bomben, bloss weil sich angeblich ein gewisser Bin Laden darin befand. Auch mit thermobarischen Bomben."



      Auf was wollen sie hinaus? Darauf, dass wenn "wir" uns das herausnehmen wir es eben auch Putin zugestehen müssen? Und keine Frage, in Afghanistan gab es unsägliche Verluste in der Zivilbevölkerung, daran ob man diese gezielt und gewollt attackiert hat, hätte ich aber doch erhebliche Zweifel.



      "Und nein, ich bin kein Putin-Versteher."



      Warum dann diese Kaskade an Relativierungen?

    • @tomás zerolo:

      Auf "unserer Seite" sind damals Millionen Menschen weltweit gegen den Krieg auf die Straße gegangen. So wie jetzt.

    • @tomás zerolo:

      Ich finde es richtig, darauf hinzuweisen, und wundere mich darüber, dass die (nicht haltbare) Begründung von Putins absurdem Narrativ der "Entnazifizierung" fast nirgends angesprochen wird. Trotzdem glaube ich nicht, dass man sich mit rechtsextremen Gruppen gemein macht, wenn man mit der Ukraine solidarisch ist. Die ukrainische Regierung wird meines Wissens nicht von rechten Kräften getragen, der Maidan-Protest und die ukrainische Gesellschaft nicht von ihnen dominiert. Wenn ich da falsch liegen sollte, freue ich mich über Infos.

      Was mir Sorgen macht, ist, dass in Social Media Hassbotschaften gegenüber Russland/Putin toleriert werden.

  • Danke für den Kommentar, er ist dringend notwendig. Heute Morgen verpestet Söder mit seinen dümmen Kommentaren die Medien.



    Seien wir dankbar, dass zur Zeit nicht Kraftmeier, Brusttrommler, Lautsprecher und Selbstdarsteller regieren. Dann wären wir noch mehr gekniffen.