Roman „Die Tochter des Kommunisten“: Liebe, Heimat und Exil
Eine Tochter zwischen Ost und West. Die spanische Autorin Aroa Moreno Durán erzählt die kaum bekannte Geschichte von Exilspanier*innen in der DDR.
Schlicht perfekt sei dieses Buch, sagte Almudena Grandes 2017. Gemeint hat die Grande Dame der spanischen Literatur, die voriges Jahr verstarb, den Debütroman von Aroa Moreno Durán. Nun ist „perfekt“ ein ziemlich großes Wort und Perfektion auch nicht unbedingt, wonach jede*r strebt. Gelungen ist der 1981 in Madrid geborenen Journalistin aber ein durchaus eindringlicher Roman, der Fragen nach Identität und der Bedeutung von Herkunft aufwirft.
„Die Tochter des Kommunisten“ erzählt die Geschichte von Katia, die in den 1950er Jahren in Ostberlin aufwächst. Ihre Eltern flohen vor dem faschistischen Francoregime (1939–1975) aus Spanien. Zunächst nach Russland, später immigrieren sie in die Deutsche Demokratische Republik.
Dort wird Katia geboren, später auch ihre Schwester. Beide wachsen sie gut behütet auf, sind zwar immer „die Spanierinnen“, haben aber kaum Bezug zur Heimat ihrer Eltern. Wie auch, waren sie doch niemals dort. Spanisch ist „Mamás Sprache“, nicht mehr die des Vaters, der mit seinen Kindern nur noch Deutsch spricht und oft für einige Zeit unangemeldet verschwindet.
Dass die DDR Menschen aus sozialistischen Bruderstaaten aufnahm, damit sie dort arbeiteten, teils studierten, ist bekannt. Im Zuge dessen immigrierten Menschen aus Vietnam, Angola, Kuba oder aus Nicaragua. Ebenso Asylsuchende nahm man auf, aus Chile etwa, von wo circa 2.000 Menschen nach dem Militärputsch 1973 gegen den dortigen Präsidenten Salvador Allende in die DDR auswanderten.
Franco-Flüchtlinge in der DDR
Über in die DDR eingewanderte Spanier*innen weiß man aber bis heute wenig. Besonders über die wenigen spanischen Kommunist*innen, die es dorthin verschlug und die im Exil versuchten wieder aufzubauen, was sie in ihrer Heimat verloren, gibt es kaum Daten.
Sie selbst sei durch den spanischen Poeten Marcos Ana auf das Thema gestoßen, mit dem sie ein Interview führte, sagt Durán bei einem Gespräch in Berlin. Ana, der während des Franquismus lange im Gefängnis saß, verließ nach seiner Freilassung 1961 Spanien und reiste unter anderem in die DDR, wo er auf ebenjene Exilspanier*innen traf.
Für sie sei es das erste Mal gewesen, dass sie davon gehört habe, sagt Durán. Weniger noch als in Deutschland sei die Geschichte ins Exil Vertriebener in Spanien selbst aufgearbeitet. Um diese besser verstehen zu können, habe sie Nachforschungen angestellt. Unterstützung erfuhr sie dabei von zwei Frauen, die als kleine Kinder mit ihren Familien von Spanien in die DDR immigrierten, wie viele über Umwege über Frankreich oder Russland.
Für die Romanfigur Katia hat all das – die Herkunft ihrer Eltern, deren Geschichte – zunächst kaum Bedeutung, so scheint es. Sie lebt ihr Leben, geht in die Uni, trifft Freund*innen, mit denen sie heimlich die Rolling Stones hört, wehrt aufdringliche Verehrer ab.
Rätselhafter Freund aus dem Westen
Doch alles ändert sich, als sie Johannes kennenlernt. Wobei kennenlernen zu viel gesagt wäre. Denn der rätselhafte junge Mann aus dem Westen taucht einfach auf und verschwindet wieder. Er lässt Geschenke vor ihrer Tür liegen und schleicht sich langsam in ihr Herz. Die Konsequenz ist eine Flucht aus der Wahlheimat ihrer Eltern in die ihr noch gänzlich unbekannte Bundesrepublik.
Was Duráns Roman anfangs vermissen lässt, etwa ein genaueres Bild des früheren Ostberlins oder der Szene der Exil-Spanier*innen, macht er an späterer Stelle wett. In der Bundesrepublik wird die Zerrissenheit Katias zwischen alten und neuen Leben wachsen.
Aroa Moreno Durán: „Die Tochter des Kommunisten“. Aus dem Spanischen von Marianne Gareis. Btb, München 2022. 176 Seiten, 22 Euro
Im baden-württembergischen Backnang, mit Kind und vermeintlich sorgenfrei, vermag Katia ihr Glück nicht recht zu finden. Hier in der Provinz versteht sie endlich, was das Exil für ihre Eltern, speziell ihre Mutter, bedeutet haben muss. Wie isoliert sich diese in der DDR stets fühlte.
Seinen Höhepunkt erreicht der Schmerz der Isolation kurz nach der Wende 1989. Für Katia gibt es nun keinen Ort, nicht einmal mehr eine Familie, zu der sie zurückkehren könnte: „Ich war nichts weiter als eine Waise, deren Vater gestorben war.“
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