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Rodung des Dannenröder Forstes„Ich bin nicht Donald Trump“

Hessens Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir verteidigt seine Linie beim Bau der Autobahn 49. Die Rechtslage sei eindeutig.

Fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt: Tarek Al-Wazir, Verkehrsminister in Hessen Foto: dpa

Berlin taz | Hessens Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir (Grüne) hat seine Linie beim Bau der umstrittenen Autobahn 49 verteidigt. „Der Weiterbau der Bundesautobahn 49 ist eine falsche Entscheidung“, sagte Al-Wazir am Donnerstag der taz. „Aber sie ist demokratisch durch die Große Koalition im Bundestag zustande gekommen, durch die Bundesregierung in Auftrag gegeben und höchstrichterlich bestätigt.“

Für das Autobahnteilstück in Hessen wird der Dannenröder Forst, Spitzname: „Danni“, gerodet – ein alter Mischwald östlich von Marburg. KlimaaktivistInnen hatten den Wald vor über einem Jahr besetzt und darin mehrere Baumhäuser errichtet. Die Räumung durch ein Großaufgebot der Polizei ist beinahe beendet. Al-Wazir steht im Fokus der Kritik der AktivistInnen, weil er als Verkehrsminister des Landes für die Bauausführung zuständig ist.

Al-Wazir betonte, dass das Bundesverwaltungsgericht zwar Fehler bei den Prüfschritten im Planfeststellungsbeschluss gefunden habe. Das Gericht habe „aber trotzdem ausdrücklich seine Gültigkeit und den Sofortvollzug festgestellt“, sagte Al-Wazir. „Ob es mir passt oder nicht: Die Rechtslage ist eindeutig, und ich muss mich an sie halten.“ Alles andere wäre Willkür. „Ich bin nicht Donald Trump, ich halte mich an Gesetze und akzeptiere Gerichtsentscheidungen.“

Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Juni eine Klage von Naturschutzverbänden gegen den Weiterbau der A 49 abgewiesen. Zwar stellten die Richter fest, dass der Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2012 mit Blick auf spätere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu wasserrechtlichen Prüfungen „fehlerhaft“ sei. Der Fehler führe aber nicht dazu, dass der damals rechtskräftig bestätigte Planfeststellungsbeschluss in Frage gestellt werden müsse, hieß es in einer Mitteilung des Gerichts.

BUND attackiert Al-Wazir

Die Regeln des deutschen Wasserhaushaltsgesetzes böten „ausreichende Möglichkeiten“, um den Beschluss an wasserrechtliche Vorgaben anzupassen, betonten die Richter. Das Urteil wird vom Umweltverband BUND und von dem Grünen Al-Wazir unterschiedlich ausgelegt. Beide sehen sich in ihrer Sicht bestätigt.

Hessens BUND-Landeschef Jörg Nitsch sah vor gut einer Woche Spielräume für Al-Wazir, um die Rodungen zu stoppen. Es dürfe von dem Verkehrsminister erwartet werden, „dass er einen gerichtlich für rechtswidrig befundenen Planfeststellungsbeschluss nicht durchführen lässt, ohne das zur Fehlerheilung vorgesehene gesetzliche Verfahren durchzuführen“, sagte er.

Al-Wazir schoss kurz darauf in einem Brief an den BUND-Chef zurück, der der taz vorliegt – und verwies darauf, dass das Gericht die Gültigkeit des Beschlusses festgestellt habe. „Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass Sie (...) öffentlich den Eindruck erwecken, ich könne den Baustopp anordnen, den das Bundesverwaltungsgericht dem BUND im Sommer verwehrt hat.“

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13 Kommentare

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  • Im Moment werden im Dannenröder Forst Wasserwerfer gegen friedliche Demonstranten eingesetzt. Bei Minustemperaturen:

    www.facebook.com/a...os/421403732559120

  • Zitat: „Das Urteil wird vom Umweltverband BUND und von dem Grünen Al-Wazir unterschiedlich ausgelegt. Beide sehen sich in ihrer Sicht bestätigt.“

    Vielleicht braucht „der BUND“ ja Hilfe beim Lesen.

    Zugegeben, die Urteilsbegründung ist umfangreich und nichts für Freunde klarer Ansagen. Aber in diesem Fall geht es auch nicht um einen Knallerbsenstrauch. Es geht um eine Bundesgroßprojekt, da darf es ja wohl ein wenig mehr sein an Bezugnahme.

    Mir jedenfalls ist völlig unklar, wie folgende Aussage verschieden interpretiert werden kann: „Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet. [...] Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses zur Ermöglichung eines ergänzenden Verfahrens.“

    Sieht aus, als wäre „der BUND“ (who the fuck...) einfach kein sonderlich guter Verlierer - und außerdem auch noch ziemlich schlecht beraten worden. Denn das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass der Klage „die Rechtskraft des Urteils vom 23. April 2014 entgegen[steht]“. Damals wurde festgestellt, „dass der Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 im Erlasszeitpunkt nicht rechtswidrig gewesen ist.“ Wer auch immer sich also hat bezahlen lassen von BUND für seine juristische Beratung und Vertretung, muss gewusst haben, dass die Erfolgsaussichten minimal sind. Dass ein Gericht in einem aktuellen Prozess nicht anders entscheiden kann als sein Vorgänger in einem früheren, dass Urteile also nicht nur Minister binden, sondern auch Gerichte, ist schließlich ein bekannter Rechtsgrundsatz.

    Dieser Grundsatz soll divergierende gerichtliche Entscheidungen verhindern und damit Rechtssicherheit und letztlich Rechtsfrieden gewährleisten. Aber wer gar keinen (Rechts-)Frieden sucht, dem können Rechtsgrundsätze natürlich egal sein. Der gibt sich auch mit Machtworten zufrieden, wenn sie nur seinen Zwecken dienen.

    Ein grüner Verkehrsminister ist kein russischer Zar. Und das ist auch gut so, denke ich.

    • @mowgli:

      anschließe mich. But.

      Bemerke dazu:



      Verwaltungsgerichtliche Überprüfungen



      Gehen regelmäßig “nur“ auf das “Wie“ -



      Nur in Ausnahmefällen - ersichtlich grob falsche Annahmen etc - auch auf das “Ob“.



      Das “Ob“ - ist - wie auch jetzt - Gegenstand politischer exekutiver & öffentlicher Auseinandersetzungen.



      &



      Es steht nirgendwo geschrieben - und das gilt gerade & im besonderen in zeitlich langgestreckten Planungsvorgängen - wie hier - daß eine sich post Rechtskraft als obdolet etc herausstellende Maßnahme - dennoch umgesetzt werden muß! Never mind.

      Klar kann der Herr Vize-Ministerpräsident nicht den Uschi-Vater MP Ernst Albrecht wie weiland wg Endlager geben. Da ist die CDU/CSU vor!



      Klar. Aber - Wenn Herr Tarek Al-Wazir (Grüne) für seinen Satz “ „Der Weiterbau der Bundesautobahn 49 ist eine falsche Entscheidung“, echte harte Fakten auf der Pfanne hätte - & nicht wie dann folgend nur den starken RechtsstaatMaxe pro Immergriins spielen will! Newahr.



      Dann kann - ja ist er qua Amt als ausführende Landesbehörde verpflichtet!! “Höherenorts“ konkret vorstellig zu werden. Normal •



      Davon ist aber nichts bekannt.



      Vielmehr hätte er ja gerade Zeit & Gelegenheit gehabt - auf solches hinzuweisen - ja das öffentlich zu machen!



      Ergo - Nix!

      So aber setzen er & die hessischen (mindestens!;( Grünen sich dem begründeten Verdacht aus: Geschwafel!



      ”Alles für die Galerie! Schwer auf dufte Wasser predigen. Aber hinter den verschlossenen Türen heimlich Wein & Schwarzbier saufen. Gelle!“

      So geht das

  • Nun wissen wir es also, Tarek Al-Wazir ist nicht Donald Trump.

    Das ist ja schon mal was, das Gegenteil wäre deutlich schlimmer.

    Was allerdings auch Phase ist, soziale und ökologische Bewegungen, die den Grünen beim Regieren auch mal in die Suppe spucken, sind nicht mehr so willkommen.

    Das ist eben der Lauf der Dinge. Kein Grüner verzichtet mehr auf Amt und Dienstwagen, wegen ein paar Kilometern Autobahn.

    Oder demnächst wegen etwas anderem.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - wirft ein:

    “ Rhetorik ist oft billig.



    Er rodet widerwillig,



    denn er ist nicht wie Donald,



    und weil es sein muss geht halt



    ein schöner Wald dahin.



    Wer fragt noch nach dem Sinn.







    Wenn jetzt die Bäume "fallen",



    dann flüstern sie zu allen:



    "Wandrer, kommst du nach Marburg, verkündige dorten, du habest



    uns hier liegen gesehen, wie das Gesetz es befahl."







    kurz - Wer - wie ich die Gegend a weng kennt!



    Fragt sich doch: Wer hat denn da gepennt?!



    Das sieht doch auch der letzte Tropf!



    Das Teil ist so überflüssig wie‘n Kropf!



    Drum Herr Tarek Al-Wazir mal ne Frare



    Wie wär’s mit Wegfall der Geschätsgrundlage?



    & 242 BGB - die Vorschrift gilt -



    Wenn ich’s richtig seh!



    Auch im Öffentlichen Recht! Gelle.



    & sodele



    Nicht schlecht - Schreibens a Berlin:



    “Im Sinne aller billig & gerecht Denkenden“ - A 49 is fossil & mal soviel:



    Weiterbau is hück n Hau & Spleen.



    All dess entbehrt dieser Tage -



    Der erforderlichen (Rechts)Grundlage!“



    So könntens B‘Scheuerle & Co. mit dem Grundsatz von Treu & Glauben



    Endlich mal den Büroschlaf rauben.



    Denn. “…Zum Teil wird Treu und Glauben auch als elementares Gerechtigkeitsprinzip angesehen, das jede Rechtsordnung beherrscht und die Ausübung von Rechten sowie die Erfüllung von Pflichten in einer Weise verlangt, auf die die andere Seite vertrauen kann.…“

    kurz - Also - Nix - Wie ran - Mann!



    Gebens schlicht den Trump mal dran!



    Nö. Das Vertrauen in dies Unausgegoren



    Gelle. Herr Vize-Ministerpräsident!



    Ham doch alle - nicht nur Sie verloren!

    unterm———



    de.wikipedia.org/wiki/Treu_und_Glauben

  • Beim heißen Thema Autobahn haben tatkräftige Politiker immer wieder mit Gemecker im eigenen Lager zu tun: www.titanic-magazi...ehrer_Privat37.jpg

  • Mittlerweile nicht mehr verwunderlich, dass ein "grünen" Verkehrsminister der freien Fahrt auf Autobahnen mehr Wert einräumt, als dem Wasserhaushaltsgesetz, welches unser wichtigstes Lebensmittel schützt.



    Seine Untätigkeit mit dem Hinweis auf Rechtsgültigkeit zu begründen lässt tief blicken und zukünftig noch viele weitere Handlungen erahnen, die wir seit Jahrzehnten von den anderen politischen Farben gewöhnt sind.



    Ein Vergleich mit Donald Trump ist durchaus naheliegend, da auch Trump mit seinen rechtmäßigen Fracking-Genehmigungen das Trinkwasser seines Landes gefährdet und dazu beigetragen hat es zu vergiften.



    Schade eigentlich - ein trauriges Beispiel wie Verantwortungsvergessen so mancher Politiker mit seiner Machtstellung umgeht.

    • @Sonnenhaus:

      Es gibt bereits diverse andere Autobahnen die über Trinkwasserschutzgebieten verlaufen ohne dass das zu Problemen führt. Und es gibt gute und berechtigte Gründe gegen den A49-Ausbau zu sein und viele davon teile ich auch. Dennoch ist der Bau demokratisch beschlossen worden und ich fürchte, dass sich die Öko-/Klima-Aktiven mittelfristig mit dieser völlig kompromisslosen "Wir-werden-alle-sterben"-Rhetorik strategisch keinen Gefallen tun. Einerseits weil man sich damit den Weg über die Aushandlung gesellschaftlicher Kompromisse verbaut, andererseits weil man sich komplett unglaubwürdig macht, wenn der Abschnitt nun doch gebaut wird und Frankfurt dann entgegen aller Kassandra-Rufe der Bewegung doch nicht wegen Wassermangel evakuiert werden muss.



      Würde al-Wazir wie von ihnen gewünscht entgegen dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts handeln wäre das mE ein Grund seinen Rücktritt zu fordern. Urteile der Judikative müssen schließlich auch für die Exekutive verbindlich sein.

      • @Ingo Bernable:

        Ich gebe zu bedenken, dass sich Aktivisten nicht unbedingt daran orientieren, was demokratisch beschlossen wurde.

        Klingt jetzt hart, ich weiß. Aber sind Atomkraftwerke nicht auch von demokratischen Organen beschlossene Projekte?

        Nicht einer und eine aus der Anti-AKW-Bewegung wäre auf die schräge Idee gekommen zu sagen:

        Oh, da können wir nichts machen, das hat der Bundestag beschlossen.

        Es ist der Kern solcher Bewegungen, sich darum erstmal nicht zu scheren, um handlungsfähig zu sein.

        Ohne diese kalkulierten Regelverletzungen funktioniert das nicht. Hat es nie.

        • @Jim Hawkins:

          Die AKWs sind aber keine öffentliche Infrastruktur sondern Privatunternehmen und damit auch nicht direkt durchs Parlament beschlossen sondern lediglich behördlich genehmigt.



          Zudem ist die unmittelbare Gefahr durch ein AKW ungleich größer als die durch ein paar Km Autobahn. Für Tschernobyl gibt es bis heute keine sinnvollere Lösung als immer noch einen weiteren Sarkophag um das Ding zu bauen und hätte während der Fukushima-Katastrophe der Wind aus der anderen Richtung geweht wäre Japan nun durch eine Strahlenwüste in Nord und Süd geteilt. Demgegenüber wird die Klimaproblematik weit größere Anstrengungen erfordern als den Verzicht auf einen Teilabschnitt der A49. Umgekehrt hat dieser auf das Gesamtproblem nur einen sehr marginalen Einfluss und während man im 'Danni' eine Schlacht um jeden einezelnen Baum schlägt werden Lufthansa und TUI mit Steuergeldern gerettet oder Moorburg abgeschaltet weil es billiger ist die Kohle in sehr viel älteren und dreckigeren Kraftwerken zu verheizen, mal wieder eine Abwrackprämie beschlossen und der Ausbau der Windenergie ist währenddessen annähernd komplett eingebrochen. Und all diese Felder werden von der Klimabewegung weitestgehendst unbestellt gelassen weil man sich lieber der symbolpolitischen Eskalation und Zuspitzung widmet als Themen bei denen es auch in Tonnen CO2-Äquivalent etwas zu gewinnen gäbe.

          • @Ingo Bernable:

            Ich denke, soziale Bewegungen funktionieren am besten durch symbolische Zuspitzungen.

            Man kann ja kaum davon ausgehen, dass sich viele intensiver mit der oft komplizierten Materie beschäftigen.

            Es ist ein bisschen wie in der Werbung. Wenn Sie keinen Knall erzeugen können, haben Sie verloren.

            Man muss zuspitzen, vereinfachen und maßvoll, aber effektiv eskalieren.

            Und: Heutzutage braucht man Bilder. Der Klassiker, Greta Thunberg vor dem Parlament, die junge Frau in Hamburg auf dem Räumpanzer, dem Pfefferspray der Polizei ausgesetzt.

            Will man Leute erreichen, muss man sie berühren. Und dann überzeugen.



            Das alles ist mal legal, mal nicht.

            • @Jim Hawkins:

              Ja, die Mechanismen von Campaigning, strategischer Kommunikation und Spin-Doctoring sind mir durchaus bekannt, aber ich habe eben inzwischen Zweifel daran ob das tatsächlich das klügste Vorgehen ist. Einerseits weil mir unklar ist ob die Leute die da in den Bäumen hängen auch diese Klarheit darüber haben, dass sie ihre Köpfe unter Anderem auch dafür hinhalten 'effektiv eskalierte' Bilder für den Budenzauber einer PR-Maßnahme der Bewegung zu liefern. Andererseits weil ich mich frage ob man als Bewegung nicht letztlich doch ehrlicher und authentischer dastehen würde wenn man sich diesen Logiken der Aufmerksamkeitsökonomie verweigert und sich stattdessen darauf konzentriert in der Sache möglichst effizient voranzukommen, auch wenn das idR mit weniger Knallerzeugung einhergehen wird.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    doppelsprech: falsch ist richtig. orwell lässt grüßen.



    und, als würde trump den bau einer autobahn verhindern.



    wessen gewissen spricht hier?